*Die galizische Kirche (offiziell: "ukraïnische griechisch-katholische Kirche nach byzantinischem Ritus") ist ein Kuriosum. [Dikigoros nimmt den ursprünglich hier verwendeten Ausdruck "Unikum" mit dem Ausdruck seines Bedauerns zurück, nachdem ihn ein Leser darauf hingewiesen hat, daß die Maroniten im Libanon und in Syrien eine ähnlich kuriose Regelung mit der römisch-katholischen Kirche getroffen haben.] Wiewohl eigentlich orthodox, war sie - unter polnischem Druck - 1593 mit der römisch-katholischen Kirche uniert worden, unterstand also dem Papst in Rom, nicht dem - in Moskau residierenden - Metropoliten von Kiew. Zwar wurde Galizien 1772 durch die Habsburger aus der Sklaverei im polnischen Raubstaat befreit (ein Vorgang, den eine tendenziöse Geschichtsschreibung heute als "1. polnische Teilung" bezeichnet), was mit der Gewährung zahlreicher, vor allem kultureller Freiheiten verbunden war.
Dazu zählte indes nicht die Freiheit der Kirche, etwa aus der Union mit Rom auszuscheren - Maria Theresia und ihre Nachfolger waren mindestens ebenso fanatische Katholiken wie die meisten polnischen Könige. Dies war sicher einer der beiden Hauptgründe für die bis heute anhaltende Entfremdung zwischen West- und Ost-Ukraïnern; der andere war, daß sich die ukraïnische Sprache im Habsburgerreich frei entfalten konnte, während sie im Tsarenreich 1882 - also schon wenige Jahrzehnte, nachdem sie zur Schriftsprache geworden war - verboten wurde.
**Konowalets hatte bereits 1920 eine erste OUN gegründet, die von Lemberg aus operierte. Sie wurde jedoch noch im selben Jahr von den polnischen Besatzern zerschlagen, und Konowalets mußte ins Ausland fliehen. Seitdem lebte er in wechselnden westeuropäischen Ländern im Exil.
***Egal wie sehr man die Opferzahlen hoch oder herunter rechnet: Jenen Aderlaß - insbesondere die Ausrottung der tüchtigen Mittelbauernschicht ("Kulaken"), welche die Ukraïne bis 1914 zur Kornkammer nicht nur des Tsarenreichs, sondern ganz Europas gemacht hatte - haben die Sowjet-Union und ihre Nachfolge-Staaten nie überwunden: Obwohl der Stalin-Bewunderer
Roosevelt
sofort nach seiner Machtergreifung 1933 Lebensmittel-Lieferungen (zunächst eher bescheidenen Umfangs) in die SU auf den Weg brachte, litten weite Teile der Bevölkerung bis zum offenen Kriegseintritt der USA 1941 weiter Hunger. Erst dann setzten US-amerikanische Massenlieferungen von Konservenfutter ("Spam") ein, von denen die SU noch bis Mitte der 1950er Jahre zehren konnte. Danach setzten erneut Hungersnöte ein, bis die 1957 gegründete EWG beschloß, ihre mit Milliarden-Subventionen (vorwiegend aus deutschen Steuergeldern) produzierten Überschüsse gegen eine eher symbolische "Bezahlung" (umgerechnet ca. 2 Pf je kg Fleisch, Butter oder Milchpulver) anin die SU zu verschenken "exportieren". Allerdings produzierte die EWG nicht genügend Getreideüberschüsse, um die UdSSR vollständig zu ernähren; daher sprang 1963 US-Präsident
Kennedy
ein und schenkte verkaufte der Sowjet-Union und ihren Satellitenstaaten gegen wertlose Rubel Weizen im Wert von 260 Millionen US-$ (nach heutigem Geld ca. 3 Milliarden US-$) - wobei er sich souverän über einen entgegen stehenden Congress-Beschluß hinweg setzte. Sein Nach-Nachfolger
Nixon
schloß 1975 gar einen langfristigen Handelsvertrag, welcher der SU jährlich 440 Millionen Scheffel Weizen und Mais zu einem 50% unter dem Weltmarktpreis liegenden Tarif sicherte. (Den Rest zahlten - qua Subventionen - die US-Steuerzahler, die erbost von "The Great Grain Robbery [Der große Getreide-Raub]" sprachen, in Analogie zu "The Great Train Robbery" - dem großen Postzug-Raub in Großbritannien.) Auch der Polit-Clown
Carter
hielt zwar nach dem Einmarsch der Roten Armee in Afģānistān 1979 Maulaffen feil große Reden und nötigte 1980 das NOC der USA (ebenso wie die die NOKs der Vasallenstaaten) zum Boykott der
Olympischen Spiele in Moskau,
dachte aber gar nicht daran, den Getreidelieferungsvertrag seines Vor-Vorgängers zu kündigen. Und selbst sein als "Kommunistenfresser" verschriene Nachfolger
Reagan
stellte nach dem Auslaufen jenes Vertrags die Getreidelieferungen an die SU nicht etwa ein, sondern schloß 1987 ein neues Handelsabkommen, das die jährliche Lieferung von immerhin 147 Millionen Scheffel Getreide zum Sonderpreis vorsah. Da sich dies als nicht ausreichend erwies, um eine Hungersnot in der SU abzuwenden, vereinbarte sein Nachfolger Bush 1990 eine Erhöhung der US-Lieferungen um jährlich 11%. Auch nach der offiziellen Beendigung des "Kalten Krieges" (der in diesem Licht als bloßes Propaganda-Märchen zur Verdummung der Untertanen erscheint) und dem Auseinanderbrechen der SU 1991 hat sich auf diesem Gebiet nicht viel geändert. Bis heute müssen sowohl Rußland als auch die Ukraïne 40% ihrer Lebensmittel importieren.
All dies war bis Ende des 20. Jahrhunderts allgemein bekannt. Heute zählt es zu den bestgehüteten Geheimnissen der jüngsten Geschichte; diesbezügliche Informationen sind systematisch beseitigt worden, auch und besonders im www: Wenn man nach "Weizenlieferungen an die UdSSR" googelt, leitet die Suchmaschine auf "Waffenlieferungen an die UdSSR" um (die es nie gegeben hat, da die SU wenigstens auf diesem Gebiet immer autark war :-). Auf YouTube erscheint unter "The Great Grain Robbery" Schleichwerbung für vegetarische Ernährung.
****Als Auftraggeber des Mordes an Konowalets galt und gilt der sowjetische Geheimdienst. Dikigoros hat das lange bezweifelt, weil es ihm keinen Sinn zu machen schien. Er hat seine Meinung jedoch revidiert, da er die fast gleichzeitige Ermordung von Branislaw Taraschkewitsch - die er früher für einen Zufall hielt - nunmehr in einem anderen Licht sieht. T. war der Führer der weißrussischen Partei in Polen und als solcher Parlaments-Abgeordneter. 1927 wurde er von den Polen unter fadenscheinigem Vorwand verhaftet und ins Zuchthaus gesteckt. Stalin tauschte ihn 1933 gegen einen polnischen politischen Gefangenen aus und gewährte ihm in der SU Asyl. Aber offenbar plante er bereits 1938, Polen die nach dem Ersten Weltkrieg geraubten Gebiete wieder zu entreißen; und dabei waren Leute, die eine unabhängige Ukraïne bzw. ein unabhängiges Weißrußland schaffen wollten, im Weg; folglich mußten sie liquidiert werden.
Auch Melnik hatte vier Jahre in einem polnischen Zuchthaus verbracht, war aber nach seiner Entlassung 1928 nicht ins Exil gegangen, sondern im Lande geblieben. Erst 1945 floh er in den Westen. Er starb 1964 mit knapp 74 Jahren in Luxemburg - als einziger OUN-Führer eines natürlichen Todes.
*****Die dafür verantwortlichen Sowjet-Funktionäre waren überwiegend Juden. Als die deutschen Truppen im Juni 1941 Galizien wieder befreiten, entlud sich daher die spontane Volkswut gegen die letzteren, und es gab ein paar hundert Tote. Im Nachhinein wurden diese Vorkommnisse zu großen Pogromen und "Massenmorden an Juden" aufgebauscht, um Bandera - der daran überhaupt nicht beteiligt war - zu diskreditieren.
******Die BRD-Behörden wollten den Mord zunächst vertuschen und registrierten ihn offiziell als Unfall ("tödlicher Sturz von der Haustreppe"). Auch die sonst so sehr um die AufbauschungAufklärung von Skandalen bemühten linken
Massenmedien
schwiegen sich zu diesem Thema beharrlich aus. (Statt dessen konzentrierten sie sich - allen voran DER SPIEGEL, der schamlosungeniert frei erfundene Behauptungen des SED-Organs "Neues Deutschland" und der Moskauer "Nowaja Wremja" übernahm - darauf, den Vertriebenen-Minister Theodor Oberländer zu demontieren, dem sie vorwarfen, 1941 als Leutnant d.R. für kurze Zeit Dolmetscher beim Bataillon "Nachtigall" und somit für dessen angebliche "Kriegsverbrechen" mit verantwortlich gewesen zu sein.) Ärgerlicherweise stellte sich der Attentäter jedoch am 12.08.1961 - einen Tag vor dem Bau der Berliner Mauer, von dem er offenbar wußte; er war bis dahin zwischen Ost- und West-Berlin hin und her gependelt, aber nun in die SU zurück
beordert worden - der Westberliner Polizei, gestand den Mord an Bandera, offenbarte seine Identität als KGB-Agent und bot an, überzulaufen. 1962 wurde er in einem Prozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu nur acht Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags verurteilt, obwohl die Tötung Banderas alle qualifizierenden Tatbestandsmerkmale eines Mordes auf einmal erfüllte: Heimtücke, Grausamkeit (er sprühte ihm Blausäuregas ins Gesicht, was einen langsamen und qualvollen Tod verursachte) und niedere Beweggründe. Er wurde noch im selben Jahr wegen guter Führung entlassen und wechselte zur C.I.A., die ihn mit einer neuen Identität ausstattete, unter der er angeblich noch Jahrzehnte lang als freier Mann lebt.
In diesem Zusammenhang ist noch Radaslav Astrovski (1887-1976) zu erwähnen. Er war 1943 Vorsitzender des "Weißrussischen Zentralrats", einer Marionettenregierung innerhalb des "Reichskommissariats Ostland" geworden - ihm war also viel eher eine "Kollaboration mit Nazi-Deutschland" vorzuwerfen als Bandera. Wie letzterer floh er bei Kriegsende nach Deutschland und lebte dort unbehelligt bis 1956, als er - klüger als Bandera - in die USA weiter zog, wo er als anti-kommunistischer Führer einer selbsternannten Exilregierung willkommen war. Er starb in gesegnetem Alter eines natürlichen Todes.
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