Kurt v. Schuschnigg

(14.12.1897 - 18.11.1977)

[Kurt v. Schuschnigg]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1897
14. Dezember: Kurt Alois Josef Johann Šušnigg wird als Sohn eines aus der Mark Krain (heute Slowenien) stammenden Generalmajors in Riva (am Gardasee) geboren.

1898
Mit der Beförderung des Vaters zum Generalleutnant ist die Erhebung in den erblichen Adelsstand verbunden. Die Familie firmiert fortan als "Edle von Schuschnigg".

1906-1915
Schuschnigg besucht das Jesuiten-Gymnasium "Stella Matutina" in Feldkirch (Vorarlberg).

1914-1918
Im Ersten Weltkrieg dient Schuschnigg, nachdem er 1915 die Matura erworben hat, als Reserveoffizier (zuletzt im Range eines Leutnants).
Die Erfahrungen der Kriegszeit lassen bei den meisten Deutsch-Österreichern den Wunsch nach einer "großdeutschen" Wiedervereinigung wachsen; die "kleindeutsche Lösung" Bismarcks, der 1866 Österreich, Böhmen und Mähren aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen und diesen damit zerstört hatte, wird allgemein als historischer Irrtum erkannt.
Schuschnigg zählt zu der kleinen Minderheit, die anderer Meinung ist.

1918
November: Nach dem Sturz der Habsburger und der Hohenzollern erklärt die Provisorische Nationalversammlung Deutsch-Österreich zur Republik und zum Bestandteil der deutschen Republik, die sich gerade konstituiert hat.


1919
10. November: Im Diktatfrieden von St. Germain werden die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" und der "Anschluß" an das Deutsche Reich verboten.
(Nach dem Sieg scheißen die Alliierten auf das viel zitierte "Selbststimmungsrecht der Völker".)

[Medaille von K. Goetz]

Schuschnigg beginnt nach seiner Heimkehr aus italienischer Kriegsgefangenschaft ein Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck und später in Freiburg im Breisgau.

1920
"Österreich" tritt dem Völkerbund bei, der das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" auf seine Fahnen geschrieben hat. Entgegen dem Diktat von St. Germain wird eine Volksabstimmung über den "Anschluß" an Deutschland angesetzt. Nachdem diese in Tirol 98,8% und in Salzburg 99,3% Ja-Stimmen gebracht hat, droht Frankreich mit einer Wiederaufnahme der Lebensmittelblockade (in Deutsch-Österreich sind nach dem Ersten Weltkrieg bereits über eine Million Menschen verhungert; in den Randprovinzen, vor allem in Galizien und Siebenbürgen, liegen die Zahlen noch höher) und erzwingt damit den Verzicht auf Abstimmung und "Anschluß".

1922
Schuschnigg wird zum Dr. iur. promoviert und läßt sich als Rechtsanwalt in Innsbruck nieder.


Die Maria-Theresien-Straße in Innsbruck, der Lieblingsstadt von Dikigoros' Mutter, die 1922 geboren wurde

1926
Schuschnigg heiratet Herma, geb. Masera. (Aus der Ehe geht ein Sohn hervor.)

1927
Ein Putschversuch der Sozialisten - bei dem der Wiener Justizpalast abgefackelt wird* - scheitert.


Schuschnigg wird als jüngster Abgeordneter für die regierende Christlich Soziale Partei in den österreichischen Nationalrat gewählt, wo er im Verfassungsausschuß tätig ist.


1930
Oktober: Schuschnigg gründet aus Mitgliedern des "Katholischen Jungvolks" die "Ostmärkischen Sturmscharen", zunächst als "nur" ideologische, aber nicht militärische Organisation.


1931
Mai: Die Österreichische Creditanstalt bricht zusammen.** Damit hat die seit 1929 schwelende Weltwirtschaftskrise auch Österreich voll erfaßt. Die zur Linderung ihrer Auswirkungen geplante Zollunion mit dem Deutschen Reich wird von Frankreich verhindert.
September: Ein Putschversuch der "Heimatwehren" in der Steiermark scheitert.

1932
Juni: Schuschnigg wird Justizminister im Kabinett von Karl Buresch (1878-1936).

1933
Schuschnigg übernimmt im Kabinett von Engelbert Dollfuß zusätzlich das Amt des Unterrichtsministers.
Er wandelt die "Sturmscharen" in eine paramilitärische Truppe um.


1934
Februar: Schuschniggs "Sturmscharen" tragen maßgeblich zur Niederschlagung eines von der "Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ)" angezettelten Putschversuchs bei.
April-Mai: Schuschnigg läßt als Justizminister eine Notverordnung ausarbeiten, mit der die Rechte des Parlaments aufgehoben werden und Österreich in einen ständisch gegliederten Staat umgewandelt wird ("Austro-Faschismus"). Die Todesstrafe wird wieder eingeführt und Konzentrationslager ("Anhaltelager") eingerichtet.
25. Juli: In Wien wird Bundeskanzler Dollfuß auf der Flucht vor einem Putschversuch österreichischer National-Sozialisten angeschossen; mangels ärztlicher Hilfe verblutet er. Schuschnigg läßt den Aufstand brutal niederschlagen und ca. 4.000 Oppositionelle in das KZ Wöllersdorf einweisen. Da die Dollfuß-Attentäter nicht gefaßt werden, droht er, jeden zehnten Insassen zu ermorden, wenn sich niemand "freiwillig" meldet. Schließlich melden sich Otto Planetta und Friedrich Holzweber, die zusammen mit einem Dutzend weiterer KZ-Häftlinge erschossen werden.
29. Juli: Schuschnigg wird Bundeskanzler. (Zeitweilig amtiert er auch zugleich als Verteidigungs- und Außenminister.)

1934-38
Schuschnigg - der zeitweise in ÄmterhäufungPersonalunion auch als Verteidigungs- und Außenminister fungiert - hat sich stets bemüht bemüht sich um Überwindung der Wirtschaftskrise sowie Niederhaltung der National-Sozialisten, der Sozialdemokraten und der "Heimwehren". Tatsächlich geht es mit dem künstlichen Staatsgebilde "Österreich" immer steiler bergab. Das hungernde Volk schaut neidisch bis sehnsüchtig auf das Deutsche Reich, wo es seit 1933 ebenso steil bergauf geht. Die Nachäffung des Satzes "Deutschland über alles" (aus der - damals noch nicht verbotenen - 1. Strophe der Nationalhymne) durch Schuschniggs "Österreich über alles" empfindet es als blanken Hohn.

[Pleitegeier über 'Oesterreich'] [Hoffen auf den 'Anschluß']
1936
Juli: In einem Abkommen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich versucht Schuschnigg, die deutsche Regierung zur Anerkennung der österreichischen Unabhängigkeit zu bewegen.
Bezeichnend sind die amtlich verordneten historischen Gedenkfeiern: Gefeiert wird nicht etwa die Erhebung Wiens zur freien Reichsstadt vor 700 Jahren durch den Staufer Friedrich II (von heutigen Historikern auf das Jahr 1237 verschoben), sondern der 800. Todestag des Babenberger Markgrafen Leopold III (der dreieinhalb Jahrhunderte später infolge eines Irrtums "heilig" gesprochen wurde :-).


Terrorakte und Umsturzpläne der verbotenen Parteien verschärfen die innenpolitische Krise.

1937
Schuschnigg veröffentlicht "Dreimal Österreich" - ein Ladenhüter.


1938
12. Februar: Der deutsche Reichskanzler Adolf Hitler erzwingt auf der Konferenz von Berchtesgaden Schuschniggs Einwilligung, das Verbot der österreichischen NSDAP aufzuheben und die National-Sozialisten an der Regierung zu beteiligen.
16. Februar: Da sowohl Italien als auch Großbritannien und Frankreich Schuschniggs Bitte um Hilfe gegen Hitler ablehnen, ernennt er den National-Sozialisten Arthur Seyß-Inquart zum Innenminister.
9. März: Schuschnigg kündet für den 13. März eine Volksabstimmung "für ein freies und deutsch unabhängiges, christlich und soziales Österreich" an.
11. März: Unter dem Druck Hitlers erklärt Schuschnigg seinen Rücktritt zugunsten von Seyß-Inquart.
Gleichwohl bezeichnen gewisse Medien, insbesondere in den USA, ihn weiterhin als "Kanzler von Österreich".


In seiner Abschiedsrede ruft Schuschnigg dazu auf, den deutschen Truppen keinen Widerstand zu leisten - was ohnehin niemand vorhatte.
12./13. März: Unter dem Jubel der Bevölkerung rückt die Wehrmacht friedlich in der "Republik Österreich" ein; die lang ersehnte Wiedervereinigung Deutschlands nimmt Gestalt an.


Schuschnigg, der es versäumt hat, rechtzeitig zu fliehen - was ihm nicht nur Karikaturisten nahe gelegt hatten*** - wird in Schutzhaft genommen.


10. April: Bei einer freien Volksabstimmung sprechen sich über 99% der Wahlberechtigten (bei über 99% Wahlbeteiligung) für den "Anschluß" der "Ostmark" an das "Altreich" unter der Kanzlerschaft Hitlers aus.


1941
Schuschnigg wird ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen.

1945
4. Mai: Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs nach Italien verlegt, wird Schuschnigg von den Alliierten befreit.

1947
Schuschnigg veröffentlicht seine Memoiren unter dem Titel "Requiem in Rot-Weiß-Rot".


Schuschnigg - dem sowohl von den alliierten Besatzern als auch von der Regierung der neuen "Republik Österreich" die Rückkehr in seine Heimat verwehrt wird - wandert in die USA aus. An der katholischen Universität von St. Louis (Mississippi) lehrt er Völkerrecht sowie Mittel- und Osteuropakunde.

1956
Schuschnigg erhält die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

1967
Schuschnigg - dem als US-Bürger die Einreise nicht mehr verweigert werden kann - kehrt nach Mutters (bei Innsbruck) zurück, wo er zurückgezogen als Privatmann lebt.

1969
Der Verlag Fritz Molden veröffentlicht Schuschniggs zweite Memoiren unter dem Titel "Im Kampf gegen Hitler - die Überwindung der Anschlußidee".**** Wiewohl von den politisch korrekten Medien über den grünen Klee gelobt, wird das Buch zum Ladenhüter - noch kann man niemandem das Märchen verkaufen, die "Österreicher" hätten den Anschluß an "Nazi-Deutschland" dank Schuschniggs genialer Politik nie gewollt.


1977
18. November: Kurt v. Schuschnigg stirbt in Mutters.

1989
Anton Hopfgartner veröffentlicht eine Schuschnigg-Biografie mit dem Untertitel "Ein Mann gegen Hitler" - ein erneuter Versuch, Schuschnigg in den Rang eines "Widerstandskämpfers" zu erheben.


*Dikigoros verweist Leser, die sich für dieses Thema interessieren, auf die diesbezügliche Fußnote seiner Seite über Schuschniggs Vorgänger Dollfuß; er will sich an dieser Stelle nicht wiederholen.

**Dikigoros hat auch diesem Thema eine Fußnote auf seiner Seite über Dollfuß gewidmet, die er vor allem Lesern empfiehlt, die sich für Parallelen zur aktuellen Weltfinanzkrise interessieren.

***Die Bildunterschrift ist eine Retourkutsche: Der Satz "Mander 's ischt Zeit" wird dem Tiroler "Freiheitskämpfer" Andreas Hofer zugeschrieben. Schuschnigg hatte ihn als Motto über seine geplante Volksabstimmung gestellt.

****Das Wochenblatt DIE ZEIT leistet sich den peinlichen Schnitzer, auf ihrer Internetseite den Untertitel als "die Überwindung der Anschißidee" zu bezeichnen; ob sich der verantwortliche Redakteur einen solchen abgeholt hat - sei es ob jenes Faux-pas, sei es ob des dümmlichen Artikels insgesamt - entzieht sich Dikigoros' Kenntnis.


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