Lew D. Bronstein
["TROTSKI"]
(1879 - 1940)
Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros
- 1879
- 7. November*: Lew Dawidowitsch Bronstein** wird in Janowka (Ukraïne) als fünftes Kind des Kulaken Dawid Bronstein geboren.
- 1886
- Bronstein besucht die deutsch-jüdische Schule in Gromoklej.
- 1888
- Bronstein geht nach
Odessa
- damals eine überwiegend griechisch-jüdische Stadt -, wo er die deutsch-lutherische Schule "Zum Heiligen Paulus" besucht.
- 1896
- Bronstein macht in Nikolajew (Ukraïne) das Abitur.
- 1897
- Bronstein gehört zu den Gründern des "Südrussischen Arbeiterbundes" - zu dem freilich kaum Arbeiter und/oder Südrussen zählen, sondern überwiegend jüdische Intellektuelle.
- 1898
- Bronstein wird wegen Verbreitung verbotener politischer Bücher verhaftet und in Odessa inhaftiert.
- 1899
- Bronstein wird zu vier Jahren Verbannung in Sibirien verurteilt, aber vorerst nach Moskau überführt.
- 1900
- Bronstein heiratet Aleksandra, geb. Sokolowskaja.
- 1901
- Bronstein gelingt die Flucht nach Irkutsk.
- Er nimmt den Namen "Trotski"*** an.
- 1902
- Auf Einladung von
Wladímir I. Uljanow ('Lenin')
übersiedelt Trotski nach London.
- 1905
- Nach dem Petersburger Aufstand reist Trotski nach Sankt Peterburg und wird dort Vorsitzender des Sowjets.
- Dezember: Nach dessen Auflösung wird Trotski erneut verhaftet.
- 1906
- Trotski wird zu lebenslanger Verbannung nach Sibirien verurteilt.
- In seiner Schrift "Rußland in der Revolution" entwickelt Trotski die Idee der "permanenten Revolution", wonach die sozialistische Gesellschaft regional begrenzt nicht existieren könne und die Revolution deshalb in andere Staaten getragen werden müsse.
- 1907
- Kurz nach seiner Ankunft in Sibirien gelingt Trotski erneut die Flucht. Diesmal flieht er über Finnland nach Deutschland.
- 1908
- Trotski geht nach
Wien
- damals die jüdische Stadt Mitteleuropas, noch vor
Berlin und
Prag
- und gibt die Zeitung "Prawda [Wahrheit]" heraus. Niemand nimmt ihn dort ernst.****
- 1910
- Während sich in Paris die Führungen von Bolschewiken und Menschewiken über eine Kooperation einigen, gerät Trotski in Konflikt mit Lenin.
- 1911
- Trotski nimmt am Parteitag der Sozialistischen Partei Deutschlands (SPD) in
Jena teil.
- 1913
- Trotski trifft in Wien mit
Josif W. Dschugaschwili ('Stalin') zusammen.
- 1914
- Trotski wendet sich auf der Tagung der II. Internationale in Brüssel erneut gegen Lenin.
- August: Nach Ausbruch des
Ersten Weltkriegs
übersiedelt Trotski mit seiner Familie von Österreich in die Schweiz.
- 1915
- Trotski verfaßt das Manifest für die "Internationale sozialistische Konferenz" in Zimmerwald und übersiedelt nach Paris, wo er sich mit Lenin aussöhnt.
- 1916
- Trotski wird aus Frankreich ausgewiesen; er übersiedelt nach New York, die größte jüdische Stadt der Welt (im amerikanischen Volksmund "Jew York" genannt).
- 1917
- April: Nach Ausbruch der Russischen Revolution kehrt Trotski nach Sankt Peterburg zurück und tritt den Bolschewiken bei.
- Oktober: Trotski wird zum Vorsitzenden des Petersburger Sowjets gewählt und organisiert die militärischen Kampfverbände der Roten Garde. Nach der Machtübernahme der Bolschewiken wird Trotzki Volkskommissar für Äußeres.
- Dezember: Trotski beginnt die Friedensverhandlungen mit den Deutschen in
Brest-Litowsk
mit dem Ziel, diese hinaus zu zögern.
- 1918
- Februar: Trotski bricht die Friedensverhandungen ergebnislos ab und reist zurück in die nun "Petrograd" genannte Hauptstadt, während die Truppen der Mittelmächte weiter vorrücken.
- März: Der Friede von Brest-Litowsk wird auch ohne Trotski geschlossen, wiewohl dieser die Bedingungen als "unannehmbar" bezeichnet, während Lenin richtig erkennt, daß man den Friedensvertrag bald ungestraft wird
brechen"revidieren" können.
- 1918-1920
- Im russischen Bürgerkrieg ist Trotski Kriegskommissar (Verteidigungsminister). Im Kampf gegen die - vorübergehend von der "Entente" unterstützten - "konter-revolutionären" Kräfte stellt er "Arbeiter"-Armeen im Kaukasus, im Ural und in der Ukraïne auf.
- 1920
- April: Trotski proklamiert den "nationalen Krieg" gegen die in Weißrußland und in die Ukraine eingefallenen***** Polen sowie gegen die "abtrünnigen" Finnen und Kaukasus-Völker.
- Juni-August: Nach großen Anfangserfolgen von Trotskis "Roter Armee" wird ihr Gegenschlag vor Warschau von französischen Hilfstruppen aufgehalten.
- 1921
- 7.-18. März: Auf Befehl Lenins schlägt Trotzki den Matrosenaufstand in Kronstadt nieder und richtet dabei ein Blutbad an.
- Lenin distanziert sich von den Greueln, gibt Trotski die Schuld und entmachtet ihn weitgehend. (Alle seine Anhänger werden aus dem ZK der KPdSU entfernt.)
- 18. März: Im Frieden von Riga mit Polen muß die Sowjetunion diesem Galizien und den größen Teil Weißrußlands überlassen; auch Finnland, Estland, Lettland und Litauen können nicht zurück erobert werden; die Sowjetunion steht also territorial schlechter da als nach dem Frieden von Brest-Litowsk mit Deutschland.
- Dagegen kann sich die Sowjetunion die vorübergehend unabhängigen Turk-Republiken und den wirtschaftlich (Erdöl) und strategisch wichtigen Kaukasus wieder einverleiben. Diese gehen erst Anfang der 1990er Jahre unter
Gorbatschëw bzw.
Jeltsin endgültig verloren.
- 1924
- Nach Lenins Tod betreibt Stalin die schon zuvor begonnene Isolierung Trotskis innerhalb der Partei und eröffnet in der "Prawda" eine Kampagne gegen ihn.
- 1925
- Trotski verläßt das Kriegskommissariat und ist damit praktisch entmachtet.
- 1926
- Ausschluß aus dem Politbüro und Widerstand der trotskistischen Opposition.
- 1927
- November: Trotski wird aus der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) ausgeschlossen und nach Turkestan verbannt.
- 1928
- Trotski wird zusammen mit einigen seiner Anhänger nach Sibirien verbannt.
- 1929
- Trotski wird in die Türkei ausgewiesen und schreibt in Konstantinopel an den autobiografischen Schriften "Geschichte der Russischen Revolution" und "Mein Leben".
- 1932
- Februar: Trotski wird die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. Er flieht nach Frankreich, wo ihm die Regierung Daladier politisches Asyl gewährt. Da er vom sowjetischen Geheimdienst verfolgt wird, muß er im Verborgenen leben.
- 1935
- Die Moskau hörige "Volksfront"-Regierung unter dem Juden Léon Blum weist Trotski aus.
- Er erhält Asyl in Norwegen und übersiedelt nach Oslo, wo er "Die verratene Revolution" schreibt.
- 1937
- Die Moskau hörige "Arbeiter"-Regierung unter Johan Nygaardsvold weist Trotski aus.******
- Er flieht nach Mexiko, wo er beginnt, Biografien über Lenin und Stalin zu schreiben.
- Die Russen Gorkij und Scholochow, die Juden Ehrenburg, Dreiser und Feuchtwanger sowie die Franzosen Barbusse und Aragon rufen zu Trotskis Ermordung auf.
- 1939
- Trotski zieht auf Einladung des Maler-Ehepaars
Frida Kahlo und
Diego Rivera
nach Coyoacán im Herzen von Mexico City, wo er sich sicher glaubt.
- 1940
- Mai: Trotski entgeht nur knapp einem Anschlag des sowjetischen Geheimdienstes.
- 20. August: Trotski wird von einem eingeschleusten Sowjet-Agenten, der sich als Sympathisant ausgegeben hatte, mit einem Eispickel erschlagen und erliegt einen Tag später seinen Verletzungen.
- Sein Haus wird in ein
Museum
umgewandelt, im Garten ein Grabstein aufgestellt, den bis heute Hammer und Sicher sowie eine rote
RotzSowjet-Fahne zieren.
- 1954-1963
- Isaac Deutscher veröffentlicht eine dreibändige Trotski-Biografie, die zum Standardwerk wird.*******
*nach neuerer (gregorianischer) Zeitrechnung; nach alter russischer ("julianischer") Zeitrechnung: 26. Oktober.
**Die Behauptung, daß er richtig, d.h. auf Jiddisch, "Leib Braunstein" geheißen habe, geht auf nicht mehr nachprüfbare Angaben aus der Zeit des "Dritten Reichs" zurück.
***Die Spekulationen über die "richtige" Schreibweise seines Tarnnamens sind müßig. Er selber schrieb sich auf Russisch "Trotskij", auf Englisch "Trotsky" und auf Deutsch "Trotski". Da er seinen Familiennamen unstreitig deutsch aussprach - nämlich "Bronschtein" - folgt Dikigoros hier der deutschen Schreibweise.
****Vom k.u.k. Minister Berchtold, auf eine mögliche Revolution im Tsarenreich angesprochen, ist der Satz überliefert: "Wer soll denn die bittschön machen? Etwa der Herr Bronstein, der dauernd im Café Central herum lungert?"
*****Zwar kamen die Polen offiziell auf einen "Hilferuf" der anti-sowjetischen Regierung der Ukraïne unter Simon Petljura; an ihrer uneigennützigen Motivation darf indes gezweifelt werden:
Pilsudski
träumte von einem polnischen Großreich bis zum Dnepr.
******Nach 1945 verbreiten linke Geschichts-Klitterer das lächerliche Märchen, Trotski sei unter dem Druck von
Vidkun Quisling
und seinen "Schlägerbanden" aus Norwegen geflohen.
*******Wiewohl Trotski in Deutschers persönlicher Beurteilung sicher um einiges zu gut "weg kommt" (nicht zuletzt Dank seinem Gegensatz zu Stalin), sind die - auf "Insider"-Kenntnissen beruhenden - Fakten, die Deutscher liefert, doch denen anderer Biografien deutlich überlegen.
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