HERBERT WEHNER
(11.07.1906 - 19.01.1990)
Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros
- 1906
- 11. Juli: Herbert Richard Wehner wird als erster von zwei Söhnen eines Schuhmachers in Dresden geboren. Bereits sein Vater ist Kommunist.
- 1921-1924
- Wehner absolviert ein Praktikum im Verwaltungsdienst. Nebenher besucht er die Volkshochschule. Später behauptet er, die "Mittlere Reife" erworben zu haben.
- 1923
- Wehner wird Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), die ihm jedoch bald nicht mehr linksradikal genug ist.
- 1924
- Wehner wechselt zur anarcho-syndikalistischen "Arbeiterföderation" des jüdischen Kommunisten
Erich Mühsam.
- Er beginnt eine kaufmännische Lehre, die er jedoch - angeblich aus politischen Gründen - abbricht.
- 1925-1926
- Wehner schreibt für die Zeitschrift "Revolutionäre Tat" und für Mühsams Zeitung "Fanal".
- 1927
- Wehner tritt der KPD bei und heiratet die Schauspielerin Lotte Loebinger (1905-1999).
- 1928
- Wehner wird Bezirkssekretär Ostsachsens der "Roten Hilfe" Deutschlands.
- 1929
- Wehner wird Sekretär der Revolutionären Gewerkschaftsopposition in Ostsachsen.
- 1930
- Wehner wird stellvertretender politischer Sekretär der KPD in Sachsen.
- 1931
- Wehner wird in den sächsischen Landtag gewählt und stellvertretender Vorsitzender der KPD-Fraktion.
- 1932
- Wehner wird technischer Sekretär des Politbüros der KPD in Berlin. Als solcher arbeitet er dem Parteivorsitzenden
Ernst Thälmann zu.
- 1933
- Nachdem Reichspräsident
Paul v. Hindenburg
den Führer der Mehrheitspartei im Reichstag,
Adolf Hitler,
zum Reichskanzler berufen hat, geht die KPD in den Untergrund. Wehner leistet illegale Parteitätigkeit ("Widerstand") für die bald verbotene KPD im In- und Ausland.
- 1935
- Wehner emigriert nach Prag. Auf der so genannten Brüsseler Parteikonferenz wird Wehner zum Kandidaten des Politbüros und in das Zentralkomitee (ZK) der Exil-KPD gewählt.
- Wehner beteiligt sich in Paris als Vertreter der KPD an den Verhandlungen diverser Linksparteien über die Bildung einer gemeinsamen "deutschen Front". Für die "Sozialistische Arbeiterpartei (SAP)" nimmt
Herbert Frahm
alias "Willy Flam[m]e" teil, der sich später "Willy Brandt" nennt.
- 1936
- Wehner geht nach Paris, wo er für die Auslandsabteilung der KPD arbeitet. Während dieser Zeit gibt er u.a. die "Informationen von Emigranten" heraus.
- 1937
- Wehner wird von der KPD nach Moskau geholt, wo er den Namen "Kurt Funk" annimmt. Er wird Referent für deutsche Fragen im Sekretariat der Kommunistischen Internationale ("Komintern"). Im Zusammenhang mit der Verhaftung Thälmanns in Deutschland wird er in Moskau einem Untersuchungsverfahren unterworfen, das
jedoch 1939 eingestellt wird, nachdem er zahlreiche Genossen als "Abweichler" denunziert und damit ans Messer geliefert hat.
- 1941
- Wehner reist im Parteiauftrag nach Schweden, um von dort aus den Wiederaufbau der kommunistischen Partei in Deutschland zu organisieren.
- 1942
- Die schwedische Polizei verhaftet Wehner. Er wird wegen Gefährdung der schwedischen Freiheit und Neutralität verurteilt und inhaftiert.
- 1942
- 6. Juni: Wehner wird, um seine Freilassung zu bewirken, pro forma als "Verräter" aus der KPD ausgeschlossen; er wird denn auch bald aus der Haft
entlassen.
- 1944-1946
- Wehner arbeitet in Schweden offiziell erst in einer Fabrik, dann als "wissenschaftlicher Mitarbeiter" in einem Archiv; tatsächlich leistet er weiter Wühlarbeit für die KPD.
- 1944
- Wehner heiratet Charlotte Burmeister, geb. Clausen.
- 1946
- November: Wehner kehrt nach Deutschland zurück; er läßt sich zunächst in Hamburg nieder. Anders als Herbert Frahm, der unter seinen
Gaunernamen Decknamen Kampfnamen "Willy Brandt" eine neue Identität annimmt, verzichtet Wehner künftig auf den falschen Namen "Kurt Funk".
- Wehner tritt auf Weisung der KP der neu gegründeten SPD bei und wird in der SPD-Betriebsgruppenarbeit aktiv. Offiziell arbeitet er als Journalist bei der SPD-Zeitung "Hamburger Echo" im Ressort Außenpolitik.
- 1949
- Wehner gewinnt das Vertrauen des SPD-Vorsitzenden
Kurt Schumacher
und wird bei den Bundestagswahlen auf einen sicheren Listenplatz gesetzt. So wird er MdB - was er bis 1983 ununterbrochen bleibt. Durch seine rüpelhaften Pöbeleien ("Reden") entwickelt er sich zum negativen Aushängeschild des Parlamentarismus im allgemeinen und des Bundestags im besonderen.
- Wehner wird Vorsitzender des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen.
- In dieser Funktion setzt er sich für die Wiedervereinigung Deutschlands unter kommunistischem Vorzeichen ein.
- 1952
- Nach Schumachers Tod wird
Erich Ollenhauer neuer SPD-Vorsitzender.
- Wehner wird Mitglied des SPD-Parteivorstandes und des SPD-Präsidiums (bis 1982).
- 1957
- Wehner wird Vorsitzender des Arbeitskreises für Außenpolitik der SPD.
- 1958
- Wehner wird zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gewählt.
- 1959
- November: Angesichts der verheerenden Niederlagen der SPD bei den Bundestagswahlen von 1953 und 1957 heckt Wehner das "Godesberger Programm" aus. Darin distanziert sich die SPD pro forma vom Marxismus-Leninismus (dem Wehner u.a. Genossen aber weiterhin anhängen), um sich als "Volkspartei" zu gerieren und naive Wähler in anderen als der Arbeiterschicht zu gewinnen.
- 1960
- 30. Juni: Auf der gleichen Linie liegt auch eine Bundestagsrede, in der Wehner die angeblichen neuen außenpolitischen Ziele der SPD bekannt gibt, nämlich die - bis dahin immer scharf bekämpfte - Integration in das westliche Bündnissystem. Unbedarfte politische Beobachter fallen tatsächlich auf diesen Trick herein; andere erkennen in Wehner den Lügenbaron Münchhausen wieder.
- 1961
- 23. April: Wehner verkündet öffentlich die Koalitionsbereitschaft der SPD mit der CDU - angesichts der absoluten Mehrheit der CDU/CSU im Bundestag wird das aber lediglich als ein verspäteter Aprilscherz angesehen.
- 1966
- Der FDP-Vorsitzende
Erich Mende
stürzt in völliger Verkennung der politischen Stimmung im Lande Bundeskanzler
Ludwig Erhard
und hofft auf Neuwahlen.
- Angesichts des Erstarkens der NPD bei mehreren Landtagswahlen ziehen es CDU/CSU und SPD jedoch vor, Wehner beim Wort zu nehmen und eine "Große Koalition" unter
Kurt-Georg Kiesinger
und Willy Brandt einzugehen.
- Wehner wird Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. Als solcher setzt er sich u.a. für die Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft ein.
- 1969
- Oktober: Nach den Bundestagswahlen wird eine "Kleine Koalition" unter Willy Brandt als Kanzler und dem neuen FDP-Vorsitzenden
Walter Scheel als Vizekanzler gebildet.
- Wehner wird Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag (bis 1983). Sein geradezu stalinistisches Gebaren trägt ihm wenig schmeichelhafte Beinamen wie "Zuchtmeister" und "Kärrner" ein.
- Das vom
Verband der deutschen Rauchtabak-Industrie
betriebene "Tabak-Forum" verleiht Wehner - als erstem Preisträger überhaupt und als bis heute einzigem SPD-Politiker* - den Titel "Pfeifenraucher des Jahres".
- 1970
- Wehner reist mit einer SPD-Delegation nach Jugoslawien, wo er von
Tito empfangen wird.
- 1971 und 1972
- Wehner reist nach Polen, um politische Scherben aufzukehren: Das Verhältnis zwischen BRD und VRP hat sich, obwohl - oder weil - die SPD-FDP-Regierung die Oder-Neiße-Linie ohne jede Gegenleistung als "Grenze" anerkannt hat, nicht gebessert; die Polen sind ganz im Gegenteil noch unverschämter geworden und verlangen nun über die geraubten Gebiete mit all ihren ungeheuren Werten - die sie inzwischen "verfrühstückt" haben - hinaus noch weitere "Reparationen" von den Deutschen.
- 1973
- Wehner besucht in Ost-Berlin seinen Genossen Erich Honecker.
- Wehner nimmt an der ersten Reise einer Bundestags-Delegation in die UdSSR teil. Er versucht, den Status von Westberlin im Sinne der KP aufzuweichen, kann sich jedoch damit innerhalb der SPD nicht durchsetzen.
- 1974
- Nach der Enttarnung des DDR-Agenten Günter Guillaume zwingt Wehner Bundeskanzler Brandt zum Rücktritt.
- Dessen Nachfolger wird der frühere Verteidigungs- und Finanzminister
Helmut Schmidt 'Schnauze'.
- 1979
- Wehners zweite Frau Charlotte stirbt.
- 1982
- Wehner veröffentlicht seine Memoiren unter dem Titel "Zeugnis".
- 1983
- Wehner zieht sich aus der aktiven Politik zurück. Er heiratet in dritter Ehe seine Stieftochter Greta, geb. Burmeister.
- 1989
- 11. November: Wehner muß den Fall der "Berliner Mauer" miterleben, bald darauf auch den Zusammenbruch der DDR. Auch das Ende der ruhmreichen Sowjetunion zeichnet sich ab. Für den alten Kommunisten bricht eine Welt zusammen.
- 1990
- 19. Januar: Herbert Wehner stirbt an gebrochenem Herzen in Bonn und wird in
Bad Godesberg begraben.
- 1997
- Der ehemalige Leiter des Spionagedienstes der DDR, Markus Wolf, veröffentlicht seine Memoiren unter dem Titel "Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen", die Herbert Wehner als Einflußagenten der DDR ausweisen. Auf massiven Druck anderer westlicher Politiker, die ebenfalls für die DDR gearbeitet haben und fürchten, selber enttarnt zu werden, widerruft Wolf dies zwar nach außen; seine ursprünglichen Darlegungen sind jedoch - im Gegensatz zu seinem späteren Dementi - schlüssig und glaubhaft.
*Nach Wehner erhalten nur noch wenige Politiker jene wertvolle Auszeichnung, nämlich
Helmut Kohl,
Norbert Blüm, Wolfgang Schäuble und Kurt Biedenkopf (alle CDU). Der einzige SPD-Politiker, der ihr noch einmal nahe kommt - sie aber dann doch nicht erhält - ist 1981
Björn Engholm
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