ERICH MENDE

(1916 - 1998)

[Erich Mende mit eigenhändiger Unterschrift]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1916
28. Oktober: Erich Mende wird in Groß-Strehlitz (Oberschlesien) als Sohn eines Lehrers und Stadtverordneten der Zentrumspartei geboren.


1921
Zu Mendes ersten Kindheitserinnerungen zählen die Abwehrkämpfe der deutschen Freikorps gegen die polnischen "Insurgenten" um seine Heimat.


1927-1936
Mende besucht das Humanistische Gymnasium "Johanneum" in Groß-Strehlitz und engagiert sich im katholischen Jugendbund "Quickborn".

1936
1. April: Nach dem Abitur leistet Mende zunächst den Arbeitsdienst ab.
1. Oktober: Mende tritt als Rekrut in das Infanterie-Regiment 84 in Gleiwitz ein.

1938
1. April: Mende wird zum Unteroffizier befördert.

[Medaille] [Medaille]

1. Oktober: Unter dem Eindruck der außenpolitischen Erfolge der national-sozialistischen Regierung, insbesondere der friedlichen Wiedervereinigung der Ostmark und der Sudentenlande mit dem Reich unter dem begeisterten Jubel der dort lebenden Menschen ("Blumenkriege") beschließt Mende, Berufsoffizier zu werden.

[Befreiung des Sudetenlandes 1938]

1939
1. April: Mende wird zum Leutnant befördert.
3. September: Großbritannien und Frankreich nehmen den Beginn des Polenfeldzugs zum Anlaß, dem Deutschen Reich den Krieg zu erklären (nicht aber der Sowjetunion, deren Truppen infolge des Hitler-Stalin-Pakts ebenfalls in Polen einrücken).
Mende nimmt am Polenfeldzug teil und erwirbt das EK II.

1940
Mai: Mende nimmt am Frankreichfeldzug teil und erwirbt das EK I.

1941
Septeber: Durch den (nicht erklärten) Kriegseintritt der USA auf Seiten der Alliierten weitet sich der Krieg zum Zweiten Weltkrieg aus.
Mende nimmt am Rußlandfeldzug teil, wird zum Oberleutnant befördert und Kompaniechef im IR 84.

1942
Januar: Mende wird nach schwerer Verwundung am linken Unterarm nach Deutschland zurück verlegt.
August: Mende wird das Deutsche Kreuz in Gold ("Spiegelei mit Hakenkreuz") verliehen.
November: Mende nimmt an der Besetzung Vichy-Frankreichs teil.

1943
Januar: Mende wird zurück nach Rußland verlegt.
Juli: Mende nimmt an der gescheiterten Offensive bei Kursk teil.

1944
April: Mende wird zum Hauptmann befördert und Bataillonskommandeur.
Juni: Mende nimmt an den Kämpfen zur Abwehr der alliierten Invasion in der Normandie teil.
August: Mende wird zurück nach Rußland versetzt und nimmt an den Rückzugsgefechten bis nach Ostpreußen teil.

1945
Januar: Mende wird zum Major befördert und Kommandeur des Grenadierregiments 216.
Februar: Mende wird das Ritterkreuz verliehen.
April: Mende führt sein Regiment in britische Gefangenschaft.


Es gelingt Mende, die Briten von ihrem Plan abbringen, das Marine-Ehrenmal von Laboe bei Kiel zu zerstören.
Oktober: Nach seiner Entlassung zieht Mende, der nicht in seine von Polen besetzte Heimat zurück kehren kann, nach Sürth am Rhein und beginnt, Rechtswissenschaften und Politologie an den Universitäten Köln und Bonn zu studieren.
Mende gehört zu den Mitgründern der FDP in Nordrhein-Westfalen.

1946
Mende wird "Landessekretär" (Geschäftsführer) der FDP in NRW.

1947
Mende wird Vorstandsmitglied der FDP der britischen Besatzungszone.

1948
Mende besteht das 1. juristische Staatsexamen.

1949
Mende wird zum Dr. iur. promoviert, nachdem er eine Dissertation über das parlamentarische Immunitätsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern vorgelegt hat.
Anschließend wird er Dozent für politische Wissenschaften in Bonn.
Er gehört zu den Mitbegründern der Bundes-FDP, deren Vorstand er von Anfang an angehört.
Bei den ersten Bundestagswahlen zieht Mende in den Bundestag ein (bis 1970). Die FDP wird als Koalitionspartnerin der CDU/CSU Regierungspartei.
Mende setzt sich vor allem für Kriegsgefangene und Kriegsverurteilte, Fürsorgefragen und die Rehabilitation der kollektiv beschuldigten Deutschen Wehrmacht ein.


Von den Ritterkreuzträgern des Zweiten Weltkriegs hat Mende als erster den Mut, diesen Orden nach dem Krieg wieder öffentlich zu tragen (in seiner "entnazifizierten" Form, d.h. nach Entfernung des Hakenkreuzes).

1956
Mende initiiert eine "kleine Koalition" zwischen SPD und FDP in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich wichtigsten Bundesland, und manövriert seine Partei damit in eine ernsthafte Krise (Abspaltung der Euler-Gruppe, Gründung der FVP).*

1957
Nach den Bundestagswahlen, bei denen die CDU/CSU unter Bundeskanzler Konrad Adenauer die absolute Mehrheit gewinnt, findet sich die FDP unversehens in der Opposition wieder.
Mende wird Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

1960
Mende wird Bundesvorsitzender der FDP.

1961
Mende führt den Bundestagswahlkampf - der wenige Wochen nach dem Bau der "Berliner Mauer" beginnt - dezidiert gegen Adenauer, was ihm fast 13% der Wählerstimmen einbringt. Gleichwohl stimmt er nach der Wahl einer Koalition mit der CDU/CSU zu, was ihm den Ruf eines "Umfallers" einträgt, obwohl er selber nicht in das Kabinett Adenauer eintritt, sondern sich weiterhin mit dem Franktionsvorsitz begnügt.

1963
Mende besteht darauf, daß Adenauer als Bundeskanzler zurücktritt. Unter seinem Nachfolger Ludwig Erhard wird Mende Vizekanzler und Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen.

1965
Oktober: Bei den Bundestagswahlen wird die Koalition aus CDU/CSU und FDP bestätigt; zwar verliert die FDP Stimmen an die (1964 gegründete) Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), bleibt aber mit 49 Bundestagsmandaten (gegenüber 245 der CDU/CSU und 202 der SPD) "Zünglein an der Waage".
Mende wird auch im zweiten Kabinett Erhard Vizekanzler und Minister.

1966
Juli: Unter dem Eindruck der ersten (leichten) Rezession in der Geschichte der BRD erleidet die FDP (die inzwischen auch in Nordrhein-Westfalen mit der CDU koaliert, die mit Franz Meyers, einem Kriegskameraden Mendes, den Ministerpräsidenten stellt) ebenso wie die letztere empfindliche Stimmenverluste. Über die Lösung der Wirtschaftskrise gehen die Meinungen der Koalitionspartner weit auseinander.
Oktober: Über Streitigkeiten im Bundeshaushalt kündigt die FDP den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU; ihre Bundesminister treten zurück. Da Erhard nicht daran denkt, den Bundestag auflösen zu lassen und mit einem Minderheitskabinett weiter regiert, bietet Mende der SPD ein gemeinsames Mißtrauensvotum gegen ihn an.
November: Bei Landtagswahlen in Hessen und Bayern - den nach NRW wichtigsten Bundesländern - läßt die NPD die FDP deutlich hinter sich. Urplötzlich wird den Bonner Parteien klar, was Neuwahlen bedeuten könnten: Ein Patt zwischen CDU/CSU und SPD mit der NPD statt der FDP - die an der 5%-Hürde scheitern würde - als Dritter Kraft.
Dezember: Unter diesem Eindruck kommt es zur Bildung der ersten "Großen Koalition" aus CDU/CSU und SPD. Bundeskanzler wird der bisherige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Kurt-Georg Kiesinger. Der FDP bleibt nur die Rolle der - völlig machtlosen - Opposition.

1967
Mende wird Deutschland-Manager der amerikanischen Firma "IOS-Investors Overseas Services", zu einer Zeit, als die USA bei allen deutschen Parteien zunehmend verhaßt sind: Selbst Kiesinger und Alt-Kanzler Adenauer sprechen angesichts der Annäherung zwischen USA und UdSSR von "Atomarer Komplizenschaft" bzw. "Neuauflage des Morgenthauplans".

1968
September: Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wird gegründet.
Um diese sowie die anderen unliebsamen kleinen Parteien (nicht nur die NPD, sondern auch die FDP) auszuschalten, bereitet die "Große Koalition" - der aufgrund ihrer Neunzehntel-Mehrheit im Bundestag eine Grundgesetzänderung ohne weiteres möglich wäre - die Abschaffung des Verhältsniswahlrechts zugunsten des Mehrheitswahlrechts vor.


Daraufhin nimmt eine linke Kamerilla innerhalb der FDP um den Stasi-Agenten Hans-Dietrich Genscher (IM "Tulpe") Mendes IOS-Tätigkeit zum Vorwand, ihn als Partei-Vorsitzenden zu stürzen. Sein Nachfolger wird der ehemalige Entwicklungshilfe-Minister Tünnes Walter Scheel, der sich der SPD als Koalitionspartner anbiedert anbietet unter der Maßgabe, daß diese auf die Einführung des Mehrheitswahlrechts - das für die FDP tödlich wäre - verzichtet.

1969
Oktober: Bei den Bundestagswahlen kommt eine knappe Mehrheit für die "Kleine Koalition" aus SPD und FDP zustande.

1970
Mende wechselt beruflich von IOS zum Deutscher Herold.
Politisch wechselt er - nach dem Scheitern einer national-liberalen Abspaltung von der FDP - zur CDU. Hauptgrund dürfte seine Ablehnung der neuen "Ostpolitik" sein, die auf eine Anerkennung der Annexion Ostpreußens, Pommern und seiner Heimat Schlesien durch die UdSSR bzw. Polen hinaus läuft.

1972
Mende veröffentlicht seine Abrechnung mit der FDP unter dem Titel "Die FDP - Daten, Fakten, Hintergründe".

[Buch]

1980
Mende scheidet aus dem Bundestag aus.

1982
Nach dem neuerlichen Koalitionswechsel der F.D.P. von der SPD zur CDU/CSU söhnt sich Mende mit seinen alten Parteifreunden und -feinden aus. Nunmehr wieder in Gnaden im Kreis der "etablierten" Regierungsparteien aufgenommen - als CDU-Abgeordneter hatte er stets auf der Oppositionsbank gesessen - erhält er das Großkreuz des Verdienstordens der BRD und das vergoldete Goldene Eichenblatt des Deutschen Marinebunds.

1982/84/86
Mende veröffentlicht seine Memoiren mit dem [Unter-]Titel "Zeuge der Zeit" in drei Bänden: "Das verdammte Gewissen" (1921-45), "Die neue Freiheit" (1945-61) und "Von Wende zu Wende" (1962-82).

[Das verdammte Gewissen] [Die neue Freiheit] [Von Wende zu Wende]

ab 1990
Mende erlebt noch die "Wiedervereinigung" der BRD mit der DDR, das Auseinanderbrechen der Sowjetunion, Jugo-slawiens und der Tschecho-Slowakei mit. Die deutschen Ostgebiete, insbesondere seine Heimat Schlesien, bleiben gleichwohl verloren.

1998
6. Mai: Mit Erich Mende stirbt in Bonn der letzte große Politiker der BRD-Gründergeneration.


* * * * *

2013
September: Bei der Bundestagswahl erleidet die FDP - auch ohne Einführung des Mehrheitswahlrechts** - eine vernichtende Niederlage; sie scheitert erstmals an der 5%-Hürde.
Wenig später verliert sie auch ihre letzten Landtagsmandate und ist somit in keinem deutschen Parlament mehr vertreten - der Verrat an Mende und an den alten Idealen der Partei*** hat sich langfristig nicht ausgezahlt.


*Die Hintergründe dieses Koalitionswechsels sind schwer durchschaubar. Auch Mendes Memoiren geben keinen restlosen Aufschluß, da er versucht, seine eigene Rolle klein zu redenschreiben. Allgemein hatten die Landesverbände aller Parteien wohl noch größere politische "Spielräume" gegenüber dem Bundesvorstand als heute. So war es im Oktober 1955 bei der Abstimmung über das "Saarstatut" - mit dem Adenauer das Saarland dauerhaft Frankreich zum Fraß vorwerfenin den Rachen schieben wollte - zu der kuriosen Situtation gekommen, daß die Bundes-CDU und die Bundes-FDP für das Saarstatut waren, die Bundes-SPD aber dagegen, während die Saar-SPD dafür war, die Saar-CDU und die Saar-FDP aber dagegen. Adenauer nahm die deutliche (2/3-)Abstimmungs-Niederlage persönlich und gab vor allem der FDP und ihrem Vorsitzenden Thomas Dehler die Schuld. Von da an versuchte er, sich seiner kleineren, "unzuverlässigen" Koalitionspartner (von denen nicht nur die Saar-FDP vor Ort gegen das Saarstatut gearbeitet hatte) zu entledigen, indem er das Wahlrecht änderte. Das Bundeswahlgesetz war ein mißglückter Kompromiß zwischen Listenwahlrecht ("Verhältniswahlrecht") und Personenwahlrecht "Mehrheitswahlrecht"), bei dem zunächst die Hälfte der Abgeordneten in Wahlkreisen, d.h. direkt gewählt wurde, während die andere Hälfte über Landeslisten der Parteien aufgestellt wurde. Bei der Zusammensetzung des Bundestages wurde jedoch nur die zweite Hälfte zugrunde gelegt und gewissermaßen verdoppelt; hatte eine Partei mehr Direktkandidaten "durchgebracht" als ihr prozentual nach den Landeslisten "zustand", so kamen diese als so genannte "Überhangmandate" hinzu, d.h. der Bundestag wurde um diese zusätzlichen Abgeordneten aufgebläht. Dieses System - das man nichtssagend-verklausuliert "modifiziertes Verhältniswahlrecht" nannte - begünstigte die beiden großen "Volksparteien" CDU und SPD zwar ein wenig - aber das genügte Adenauer noch nicht. Er ließ die CDU/CSU eine Gesetzesinitiative einbringen, nach der ein echtes Mischwahlrecht eingeführt, d.h. 50% der Abgeordeten über direkte Personenwahl, die anderen 50% über die Landeslisten emittelt werden sollten, ohne Verdoppelung der letzten und ohne Überhangmandate. (Die FDP bezeichnete das als "Grabenwahlsystem".) Im Bundestag hatte Adenauer die dafür erforderliche Mehrheit; im Bundesrat hätte er sie ebenfalls gehabt, da in den meisten Bundesländern ähnliche Koalitionen wie im Bund regierten. Um die Wahlrechtsänderung im Bundesrat zu kippen, begann die FDP daraufhin in allen Bundesländern, wo sie an einer Regierungskoalition mit der CDU beteiligt war, mit der oppositionellen SPD zu verhandeln; sie bot an, die CDU-Regierungen zu stürzen und neue, "kleine" Koalitionen mit der SPD einzugehen unter der Maßgabe, daß diese im Bundesrat gegen die Wahlrechtsnovelle stimmen würden. Merkwürdiger Weise kam es dazu aber nur in NRW, und das, obwohl Adenauer, als er von dem "Abfall" der NRW-FDP "Wind" bekam, die CDU den Gesetzentwurf zurück nehmen ließ. Dennoch kam es - erst nach dieser Rücknahme - zum Koalitionswechsel in Düsseldorf. "Moralische" oder gar "demokratische" Bedenken ob der Mißachtung des Wählerwillens bei kleineren Parteien kann Mende & Co aber nicht umgetrieben haben, denn die nächste Novelle, mit der statt dessen die 5%-Klausel eingeführt wurde, passierte noch im selben Jahr 1956 problemlos sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat. Adenauer erreichte damit sein Ziel, die kleinen Parteien zu vernichten und bei der nächsten Bundestagswahl die absolute Mehrheit zu gewinnen; die SPD - die ihre verheerende Niederlage 1957 noch nicht voraus sah - war es ebenfalls zufrieden, und auch die FDP glaubte, auf absehbare Zeit ein Absinken unter 5% der Wählerstimmen nicht fürchten zu müssen, vielmehr die toten Splitterparteien "beerben" und ihre "heimatlos" gewordenen Wähler für sich mobilisieren zu können.

**Das Bundesverfassungsgericht hatte sogar ganz im Gegenteil das "modifizierte Verhältniswahlrecht" zugunsten eines reinen Verhältniswahlrechts abgeschafft, indem es einen proportionalen "Ausgleich" der "Überhangsmandate" verfügte.

***Die FDP - die von einem gebürtigen Vietnamesen in den Wahlkampf geführt wurde, der nicht einmal akzentfrei Deutsch sprach, obwohl er bereits als Baby adoptiert und in die BRD gebracht worden war - stand am Ende nur noch für Homosexualität und Anbiederung beim Islam, zwei Ziele, deren Unvereinbarkeit irgendwann auch dem dümmsten Stammwähler klar werden mußte, wie überhaupt die Unvereinbarkeit des Islam mit Demokratie und Liberalismus.


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