LUDWIG  ERHARD

(4.2.1897-5.5.1977)

[Ludwig Erhard]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1897
4. Februar: Ludwig Erhard wird in Fürth als Sohn des Textilwarenhändlers Wilhelm Philipp Erhard und seiner Frau Augusta, geb. Hassold, geboren.

1913-1916
Nach dem Besuch der Realschule absolviert Erhard eine kaufmännische Lehre in Nürnberg.

1916-1918
Erhard nimmt als Artillerist am Ersten Weltkrieg teil und wird 1918 bei Ypern verwundet.

1919-1922
Erhard besucht die Handelshochschule Nürnberg.

1922-1925
Erhard studiert Betriebswirtschaft, Nationalökonomie und Soziologie an der Universität Frankfurt/Main.

1923
Erhard heiratet Luise, geb. Lotter gesch. Schuster. (Aus der Ehe geht eine Tochter hervor.)

1925
Erhard wird zum Dr. rer. pol. promoviert; sein Doktorvater ist Franz Oppenheimer; seine Dissertation hat das Thema "Die Bedeutung der Werteinheit".

1925-1928
Erhard arbeitet als Frühstücksdirektor im elterlichen Betrieb.

1928-1942
Erhard wird zunächst wissenschaftlicher Assistent, später Stellvertretender Leiter des "Instituts für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware" in Nürnberg. (Das Institut betreibt vor allem Konsumforschung.)

1940-1945
Erhard betreut im Auftrag der deutschen Zivilverwaltung die lothringische Glasindustrie.

1942
Erhard verläßt das "Institut für Wirtschaftsbeobachtung" und gründet mit dem "Institut für Industrieforschung" ein eigenes Konsumforschungsinstitut, das von der Reichsgruppe Industrie finanziert wird.

1944
März: Erhard verfaßt die Denkschrift "Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung", wobei er von einer Kriegsniederlage Deutschlands ausgeht.
Juli: Unmittelbar vor dem Attentat vom 20. Juli übersendet Erhard die Denkschrift an Carl Friedrich Goerdeler, der seinen Mitverschwörern daraufhin Erhard als Berater empfiehlt.

1946
Erhard wird Wirtschaftsminister im Freistaat Bayern unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner.

1947
Erhard wird Leiter der Expertenkommission "Sonderstelle Geld und Kredit" bei der Verwaltung der Finanzen der britisch-amerikanischen "Bizone". Als solcher ist er an der Diskussion um die geplante Währungsreform beteiligt; er kann seine Vorstellungen jedoch gegenüber den Allierten nicht durchsetzen.
Erhard wird Honorarprofessor für Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität München.

1948
März: Erhard wird Direktor der Wirtschaftsverwaltung der Bizone.
Juni: Erhard versteht es, den BRD-Untertanen mit Hilfe der Medien, weis zu machen, daß sowohl die Währungsreform als auch die - ebenfalls gegen seinen Willen erfolgte - Aufhebung der Bewirtschaftung und die Freigabe der Preise in den westlichen Besatzungszonen seine ureigensten Ideen gewesen seien.

1949
Juni: Erhard wird Kandidat der CDU in Württemberg-Baden für die ersten Bundestagswahl, ohne deren Mitglied zu sein.
Juli: In den "Düsseldorfer Leitsätzen" macht sich die CDU der britischen Besatzungszone Erhards wirtschaftspolitisches Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" zu eigen.
September: Nach der Bundestagswahl wird Erhard Wirtschaftsminister im 1. Kabinett Adenauer.

1950
Erhard wird Honorarprofessor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn.

1951
Infolge des Korea-Krieges nimmt die Wirtschaft der BRD einen enormen Aufschwung. Erhard läßt sich von den Medien als "Vater des Wirtschaftswunders" feiern. (Im Volksmund heißt er dagegen nur "Der Dicke")

1952
Juli: Mit Inkrafttreten der "Montanunion" wird Erhard Mitglied des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).
August: Die BRD tritt der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond bei. Erhard wird deutscher Gouverneur der Weltbank.

1953
Erhard veröffentlicht "Deutschlands Rückkehr zum Weltmarkt".
Nach der Bundestagswahl wird Erhard erneut Wirtschaftsminister im 2. Kabinett Adenauer.

1955
September: Erhard spricht in Isbanbul bei der 10. Jahresversammlung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) über Entwicklungshilfe.


Oktober: Regierungserklärung Erhards zum Konjunkturprogramm der Bundesregierung, das konjunkturelle Dämpfungsmaßnahmen zur Preisstabilisierung vorsieht.

1956
Mai: Adenauer kritisiert in einer Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Köln die Konjunkturpolitik der Bank Deutscher Länder, Wirtschaftsminister Erhards und Finanzminister Fritz Schäffers.

1957
21. Januar: Der Bundestag verabschiedet die Rentenreform, die rückwirkend zum 1. Januar in Kraft tritt. Erhards am Produktivitätsfortschritt orientierte "dynamische Rentenformel" kommt darin nicht zum Zuge.
Februar: Erhards programmatische Schrift "Wohlstand für alle" erscheint.


Oktober: Nach der Bundestagswahl wird Erhard im 3. Kabinett Adenauer Vizekanzler und Wirtschaftsminister.

1959
Februar: Adenauer schlägt Erhard für das Amt des Bundespräsidenten vor um ihn los zu werden; Erhard lehnt jedoch eine Kandidatur ab.

1960
September: Erhard fordert vor der Weltbank eine Entwicklungshilfe-Politik im Sinne der "Hilfe zur Selbsthilfe".

1961
November: Nach der Bundestagswahl wird Erhard erneut Vizekanzler und Wirtschaftsminister.


1962
Erhard veröffentlicht "Deutsche Wirtschaftspolitik".

1963
29. Januar: Erhard bezeichnet den von Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle herbei geführten Abbruch der EWG-Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien als "schwarze Stunde Europas".
23. April: Erhard wird von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen den Widerstand Adenauers zum Kanzlerkandidaten nominiert.
16. Oktober: Nach Adenauers Rücktritt wird Erhard zum neuen Bundeskanzler gewählt.
18. Oktober: Erhard kündet in seiner Regierungserklärung eine "Politik der Mitte" und einen "neuen politischen Stil" an. Seine erste Amtshandlung in diesem Sinne besteht darin, das faschistoïde - von Hitler eingeführte und von Adenauer aufrecht erhaltene - Rauchverbot bei Kabinetts-Sitzungen abzuschaffen. Seitdem ist es ein ungeschriebenes Gesetz, daß Bundeskanzler nur werden kann, wer Raucher und/oder Trinker ist.*


November: Erhard absolviert einen Höflichkeitsbesuch bei de Gaulle; anders als sein Vorgänger erkennt er jedoch, daß Deutschland von der viel beschworenen "Aussöhnung" mit Frankreich nicht viel zu erwarten hat; mehr erhofft er sich von einer stärkeren Anlehnung an die USA.


Dezember: Erhard besucht den amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson in Texas.

1964
Januar: Erhard wird - wiewohl kein Katholik - im Vatikan von Papst Paul VI empfangen.


November: Der Bundestag lehnt Erhards Ansinnen, die von Israel geforderte Verlängerung der Verjährungsfristen für so genannte "NS-Verbrechen" festzuschreiben, zunächst ab.

1965
März: Erhard kündet dennoch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel - die Adenauer stets abgelehnt hatte - und die Einstellung der Wirtschaftshilfe für Ägypten an.
13. Mai: Einen Tag, nachdem der Bundestag der Aufnahme diplomatischen Beziehungen zu Israel (und nun auch einer Verlängerung der Verjährungsfristen) zugestimmt hat, brechen die arabischen Staaten - mit Ausnahme Tunesiens, Marokkos und Libyens - die diplomatischen Beziehungen zur BRD ab.
September: Bei der Bundestagswahl, bei der die CDU die Frage der "Wiedervereinigung" - damals noch einschließlich Ostpreußens, Hinterpommerns und Schlesiens - stark thematisiert hat, gewinnen CDU und FDP gemeinsam die Mehrheit.

[Wahlplakat der CDU von 1965: Es geht um Deutschland. Entfernungsangaben nach Königsberg, Danzig, Leipzig, Magdeburg, Breslau und Gleiwitz]

20. Oktober: Erhard wird erneut zum Bundeskanzler gewählt.
10. November: In seiner Regierungserklärung präsentiert Erhard angesichts der Konjunkturshwankungen ein "Programm der Sparsamkeit und Nüchternheit".

1966
März: Erhard wird zum CDU-Bundesvorsitzenden gewählt.
September: Erhard wird von Johnson nach Washington zitiert. Zu seiner unangenehmen Überraschung legen die USA der BRD höhere Kosten für die alliierten Besatzungs-Befreiungs-Truppen sowie erhebliche Kontributionen für den Vietnam-Krieg auf und bringen so nachdrücklich in Erinnerung, daß die BRD noch immer nicht souverän ist.
Oktober: Als Erhard daraufhin u.a. den Entwicklungshilfe-Etat kürzt, tritt der Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Walter Scheel, unter Protest zurück, dto die übrigen FDP-Minister.
November: Erhard bildet ein Minderheitskabinett; die eigene Partei fällt ihm jedoch in den Rücken und nominiert Kurt Georg Kiesinger zum neuen Kanzlerkandidaten.
1. Dezember: Erhard tritt als Bundeskanzler zurück. Sein Nachfolger Kiesinger schließt eine "Große Koalition" mit der SPD unter Willy Brandt.


1967
Mai: Erhard tritt auch als CDU-Vorsitzender zurück; Kiesinger wird auch auf diesem Posten sein Nachfolger; Erhard erhält den hohlen Titel eines "Ehrenvorsitzenden".

1969
9. Mai: Kiesinger entscheidet sich gegen eine DM-Aufwertung, die der Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und Erhard befürworten.
28. September: Bei der Bundestagswahl wird Erhard erneut in den Bundestag gewählt.

1972
19. November: Bei der Bundestagswahl gewinnt Erhard erneut ein Mandat für die CDU-Fraktion.


1973
Erhard veröffentlicht "Grenzen der Demokratie".

1974
Erhard läßt sich von Günter Rittner porträtieren.


1976
3. Oktober: Bei der Bundestagswahl wird Erhard als Spitzenkandidat der Baden-Württembergischen CDU wiedergewählt.

1977
4. Februar: Erhard erhält zu seinem 80. Geburtstag zahlreiche Ehrungen als "Vater des Wirtschaftswunders" - u.a. die Ehrenbürgerschaft der Stadt Ulm - nicht etwa die seiner Geburtsstadt Fürth.
5. Mai: Ludwig Erhard stirbt in Bonn an Herzverfettungsagen; er wird eine Woche später in Gmund beigesetzt.

* * * * *

1987
Die Bundespost gibt eine Briefmarke zu Erhards 90. Geburtstag heraus.


1988-97
Die BRD prägt 2-DM-Stücke mit Erhards Konterfei. (Die Münzen werden 2002 aus dem Verkehr gezogen.)


1997
Die Bundespost gibt eine Briefmarke zu Erhards 100. Geburtstag heraus.


2002
Die D-Mark wird abgeschafft, statt dessen die EU-Gemeinschaftswährung "Euro" eingeführt, was binnen weniger Jahre zum de-facto-Bankrott der meisten Mitglieds-Staaten führt. Erhards - angebliches - Lebenswerk ist vernichtet. Seitens des BRDDR-Regimes wird sein Name und sein Andenken seitdem tot geschwiegen, um bei den Untertanen keine unschönen Vergleiche herauf zu beschwören.


2003
Juli: Erhard belegt bei einer vom Staatssender ZDF veranstalteten Wahl zum "besten Deutschen" Platz 27. Dies ist die drittschlechteste Plazierung eines BRD-Kanzlers; hinter ihm liegen nur Gerhard Schröder (Platz 82) und Kurt-Georg Kiesinger (nicht unter den ersten 200).**


*Vor allem Helmut Schmidt geht als "Kettenraucher der Nation" in die Geschichte ein, Willy Brandt als Alkoholiker. Dagegen reicht Fettleibigkeit nur noch einmal zur Kanzlerschaft, nämlich bei Helmut Kohl.

**Für jüngere Leser: Sarah Sauer - die erst im November 2005 Kanzlerin wurde - stand nicht zur Wahl, sonst hätte auch sie sich unzweifelhaft hinter Erhard plaziert. Gäbe es - ähnlich wie in anderen Ländern - auch Umfragen/Wahlen zum bzw. zur schlechtesten Deutschen, so würde ihr freilich der Spitzenplatz gebühren.


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