*Hartmann gelang sein erster Abschuß im November 1942, der zweite erst Ende Februar 1943. Die noch folgenden 350 Abschüsse wurden also in kaum mehr als zwei Jahren erzielt.
**Neider haben versucht, diese Leistung mit dem Hinweis zu schmälern, daß Hartmann ja "nur" an der Ostfront gegen minderwertige Piloten in minderwertigen Flugzeuge gekämpft habe, so daß die Leistungen der Jagdflieger an der Westfront, auch wenn sie weniger Abschüsse erzielten, höher einzuschätzen seien. Daran ist so viel richtig, daß Hartmanns Erfolge nur an der Ostfront möglich waren, allerdings nicht wegen minderwertiger Gegner - die Luftwaffe hatte ja auch an der Ostfront Verluste, und das nicht zu knapp. Vielmehr lag es an der Zahl der Einsätze: Ein Pilot im Westen hatte 1-2 Einsätze pro Tag, und dabei - zumal in den Jahren 1940-42 - längst nicht immer Feindberührung. An der Ostfront wurden dagegen an manchen Tagen 5-6 Einsätze geflogen. Hartmann absolvierte insgesamt über 1.400 Einsätze, davon gut 800 mit Feindberührung; seine Abschußrate betrug also "nur" knapp 44% - woraus man schließen kann, daß die sowjetischen Flugzeuge und Piloten nicht ganz so "minderwertig" gewesen sein können wie seine Kritiker meinen. (Seine Fans meinen dagegen, daß man daraus etwas ganz anderes schließen könne; sie behaupten, die Feindberührungs- und damit auch die Abschußquote hätte erheblich höher gelegen, wenn nicht viele sowjetische Piloten, wenn sie den "schwarzen Teufel" schon von ferne sahen - er hatte sein Flugzeug, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg der "Rote Baron" v. Richthofen, auffällig bemalt, mit einer schwarzen "Teufelsnase" - reißaus genommen hätten.) Dennoch herrschte diese Auffassung auch schon im Krieg vor: Hartmann erhielt das Eichenlaub erst nach seinem 200. Abschuß im Osten; Galland und dessen Vorgänger als General der Jagdflieger, Werner Mölders, erhielten es schon nach 40 Abschüssen im Westen. Die Brillanten - auf die Hartmann bis zum 300. Abschuß warten mußte - erhielten sie schon nach dem 100. Luftsieg. Ein ähnliches Mißverhältnis der Wertschätzungen herrschte allerdings auch auf der Gegenseite: Während Stalin auf Hartmanns Kopf "nur" 10.000 Rubl ausgesetzt hatte, setzte er auf den des Stuka-Piloten Hans-Ulrich Rudel, gleich 100.000 Rubl aus - das zehnfache! (Rudel hatte in rund 2.500 Einsätzen 1 sowjetisches Schlachtschiff und rund 500 Panzer der "Roten Armee" aus der Luft zerstört; seine Erfolgsquote lag also mit ca. 20% erheblich niedriger als die Hartmanns. Die Prämien wurden wohlgemerkt für den Kopf, nicht für den bloßen Abschuß ausgelobt. Rudel wurde insgesamt 30 mal abgeschossen, konnte sich allerdings immer wieder zu den eigenen Linien durchschlagen. Dagegen ließ sich Hartmann - ein äußerst vorsichtiger Pilot - nie abschießen; er verlor auch nie einen "Flügelmann", der einen Einsatz mit ihm zusammen flog; darauf war er besonders stolz.)
***Angeblich ließ sich Hartmann dazu von Dietrich Hrabak, seinem ehemaligen Geschwader-Kommodore, überreden. Er hätte gewarnt sein müssen: Fast alle anderen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die nicht gerade einen Rang bekleidet hatten, den es in der Bundeswehr nicht mehr gab, wurden von dieser in Anbetracht der über 10-jährigen "Beförderungspause" mindestens einen Rang über ihrem letzten Dienstgrad eingestellt. Hrabak dürfte freilich in gutem Glauben gehandelt haben; er war selber einer der Gelackmeierten, die bloß mit ihrem letzten Wehrmachts-Dienstgrad - in seinem Falle Oberst - übernommen und in den folgenden 25 Jahren nur zweimal befördert wurden: Er verließ die Bundeswehr am selben Tag wie Hartmann, ebenfalls auf eigenen Wunsch, als Generalmajor. [Am selben Tag nahm auch Hartmanns Gegenstück bei der Marine, Otto Kretschmer, der erfolgreichste U-Boot-Kommandant des Weltkriegs, seinen Abschied, ebenfalls nur mit seinem letzten Wehrmachts-Dienstgrad - Fregattenkapitän - übernommen und ebenfalls nur zweimal befördert.] Die nach Hartmann erfolgreichsten überlebenden Jagdflieger des Krieges - Gerhard Barkhorn (301 Abschüsse), Günther Rall (275 Abschüsse) und Walter Krupinski (197 Abschüsse) - gingen 1975/76; aber sie hatten es allesamt vom Major bei Kriegsende bis zum Generalleutnant gebracht. [Korrekterweise ist anzumerken, daß die Beförderung vom Major zum Oberst zwar militärisch nur eine zweimalige, gehaltsmäßig aber eine dreimalige war: Der Kommandeur des JG 71 hatte damals nur ein Planstelle als OTL A-14, der "IdJ" eine als OTL A-15. Hartmann wäre wohl als solcher abgegangen, wenn nicht sein ehemaliger Geschwader-Kamerad Rall - inzwischen Inspekteur der Luftwaffe - erreicht hätte, daß die Planstelle des "IdJ" zum Oberst A-16 aufgewertet wurde.]
****Die Bundeswehr verlor binnen weniger Jahre über 100 Maschinen und fast ebenso viele Piloten (knapp zwei Dutzend konnten sich per Fallschirm retten) durch Abstürze (wobei das JG 71 von allen mit dem "Witwenmacher" ausgerüsteten Einheiten noch die geringste Verlustquote hatte) - ein Rekord in Friedenszeiten, der wohl (hoffentlich) für die Ewigkeit Bestand haben wird. Dennoch schreibt Dikigoros "scheint". Sein Vater Urs hat die Hintergründe der "Starfighter"-Affäre seinerzeit hautnah mit erlebt - wenngleich nur aus der "Frosch-Perspektive" eines kleinen Sachbearbeiters in der Haushaltsabteilung des BMF. Seine Darstellung (zwar erst 30 Jahre später, nach seiner Pensionierung, aus dem Gedächtnis abgegeben, aber schlüssig und glaubhaft) widerspricht der Hartmanns in wesentlichen Punkten, vor allem in den angeblich negativen Erfahrungsberichten der US-Piloten. Richtig ist, daß diese nie ernsthafte Probleme mit der F 104 hatten - jedenfalls keine größeren als mit jedem anderen Jet auch -, geschweige denn eine derart katastrofale Absturzquote wie die Bw. Die Grundversion, wie sie die USAAF benutzte, war ein durchaus zuverlässiges Flugzeug. Allerdings bestand das BMVg auf einer Zusatz-Ausstattung mit allerlei überflüssigem Klimbim, der das Gewicht beträchtlich erhöhte und so die Manövrierfähigkeit entscheidend herab setzte. (Die Grundsatz-Entscheidung, den "Starfighter" anzuschaffen, wurde der BRD zwar von den USA aufgezwungen - sie war eine politische -; aber die Schnapsidee mit der Zusatz-Ausstattung wurde in Deutschland ausgebrütet; sie lief Stück für Stück über Urs' Schreibtisch, der bei jedem Einzelteil innerlich die Hände über dem Kopf zusammen schlug - nicht nur wegen der Kosten -; aber daran rütteln konnte er in seiner untergeordneten Position naturgemäß nicht.) Dadurch wurden viele Piloten, die leichtere - in beiderlei Bedeutung des Wortes - Maschinen gewohnt waren, fliegerisch überfordert. Verteidigungsminister
Franz Josef Strauß
wiederholte gewissermaßen den Fehler, den Hitler im Krieg mit der Me 262 gemacht hatte, deren Grundversion ein überragendes Flugzeug war, das man jedoch im Hinblick auf einen Einsatz als [Jagd-]Bomber mit so viel überflüssigem Ballast ausstattete, daß viele Piloten, die ihr Leben lang nur Propeller-Maschinen geflogen waren, nicht damit zurecht kamen. Es ist bezeichnend, daß Piloten, die noch auf dieser übergewichtigen Me 262 ausgebildet worden waren, wie Adolf Galland und der spätere Inspekteur der Luftwaffe, Johannes Steinhoff, die F 104 oft und gerne - und vor allem unfallfrei - flogen. (Dies, obwohl sie beide schon "alte Herren" und überdies sehbehindert waren!) Hartmann - der bis Kriegsende nur die Me 109 geflogen war - hatte mit seiner Kritik also zwar im Ergebnis Recht; aber am eigentlichen Kern der Sache ging sie vorbei, so daß er seine Karriere letzlich umsonst (nicht gratis, aber frustra :-) opferte. Möglicherweise wußte er nichts von alledem. Urs hätte schwerlich den Mut gehabt, dienstliche Interna zu verraten - schon gar nicht an Leute, die nach zehn Jahren aus der SU heim kehrten, das waren für ihn allesamt potentiell "Umgedrehte". (Die Sowjets hatten nach Hartmanns eigenen Angaben tatsächlich versucht, ihn als Spion anzuwerben, mit dem Angebot, ihn vorzeitig aus der Gefangenschaft zu entlassen; er habe das freilich standhaft abgelehnt.) Urs unternahm auch keinen Versuch, seine Vorgesetzten - die vielleicht den Mut gehabt hätten - darüber schlau zu machen, weil er wußte, daß die - durchweg studierte Juristen und Volkswirte ohne technisches Verständnis - das eh nicht begriffen hätten, und weil er seine Karriere nicht umsonst opfern wollte.
Nachtrag: Aber Dikigoros will nun, da er sich selber zur Ruhe gesetzt hat, endlich den Mut aufbringen, Roß und Reiter zu nennen - was ihm umso leichter fällt, als das Online-Lexikon der Wehrmacht das inzwischen auch getan hat (freilich nur ganz kurz und ohne jeglichen Kommentar): Der Hauptverantwortliche war Erich Hohagen (1915-1990), den Urs wie folgt beschrieb: "Ein alter Nazi-Offizier von der üblen Sorte, der wegen seiner 'Verdienste' im Krieg [55 Abschüsse, Ritterkreuzträger, Anm. Dikigoros] 1967 zum Systembeauftragten für den Starfighter im Verteidigungsministerium gemacht wurde. Nachdem er alles verbockt hatte, wurde er nicht etwa zur Rechenschaft gezogen, sondern weggelobt, mit einem Fußtritt nach oben; er kam noch in die Generalsränge." (Ein Urteil, das schwer wiegt, denn Urs - der ja selber noch eine Woche vor dem Endsieg Leutnant der Reserve wurde, also nach heutigem Sprachgebrauch "Nazi-Offizier" war - brach über niemanden leichtfertig den Stab, der nichts weiter getan hatte, als in der Wehrmacht zu dienen; und seine Ausdrucksweise zeigt, daß es nach seiner Meinung auch solche gab, die garnicht so "übel" waren. Aber in seinen Augen war Hohagen eben nicht nur fachlich, sondern auch menschlich eine Null.)
*****Anders als z.B. im Falle des Generalleutnants und Kosaken-Atamans Helmut v. Pannwitz wurde die Rehabilitierung auch nach der Machtergreifung von Wladimir Putin nicht widerrufen. (Allerdings fiel das im Fall Hartmann auch leichter: Pannwitz war in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu Tode gefoltert worden; Hartmann hatte die Foltern dagegen überlebt - man mußte also keinen Justiz-Mord einräumen, sondern "nur" Freiheitsberaubung und Körperverletzung.)
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