Alfred Rosenberg

(1893 - 1946)

[Alfred Rosenberg, Fotografie von Fritz Bauer, 1933]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1893
12. Januar: Alfred Rosenberg wird als Sohn des Kaufmanns Woldemar Wilhelm Rosenberg und seiner Ehefrau Elfriede Caroline, geb. Siré in Reval/Rußland (heute: Tallinn/Estland) geboren. Sein Vater ist deutsch-lettischer, seine Mutter russisch-estnisch-französischer (hugenottischer) Abstammung.
(Eine jüdische Abstammung - auf die sein Familienname hindeutet und die seinen Judenhaß erklären könnte - hat man ihm nie nachgewiesen.)

1915
Rosenberg heiratet die Ballett-Tänzerin Hilda Leesmann.

1917
Rosenberg schließt sein Studium der Ingenieurwissenschaften und der Architektur an den Technischen Hochschulen Reval und Moskau mit der Diplomprüfung ab.

1918
Nach der russischen Revolution fliehen Rosenbergs zunächst nach Frankreich, wo sie sich trennen: Sie geht in die Schweiz, er geht nach München, wo er aktives Mitglied der "Thule-Gesellschaft" wird.


Rosenberg freundet sich mit Dietrich Eckart an, der ihn mit Adolf Hitler bekannt macht.

1920
Rosenberg tritt der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)" bei.
Er verfaßt "Die Spur der Juden im Wandel der Zeiten" und "Unmoral im Talmud".


1921
Rosenberg veröffentlicht "Das Verbrechen der Freimaurerei. Judentum, Jesuitismus, Deutsches Christentum". Darin vertritt er die These einer jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung.

1922
Rosenberg veröffentlicht "Börse und Marxismus oder der Herr und der Knecht".

1923
Rosenberg wird Hauptschriftleiter der NS-Parteizeitung "Völkischer Beobachter" (als Nachfolger von Eckart).
9. November: Rosenberg nimmt am "Marsch auf die Feldherrnhalle" teil. Seine Frau läßt sich scheiden.

1924
Von dem in der Festung Landsberg einsitzenden Hitler als Stellvertreter eingesetzt, gründet Rosenberg die "Großdeutsche Volksgemeinschaft" als Ersatzorganisation der verbotenen NSDAP.

1925
Rosenberg heiratet in zweiter Ehe Hedwig Kramer. (Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor.)

1928
Rosenberg wird Vorsitzender der von ihm gegründeten "Nationalsozialistischen Gesellschaft für deutsche Kultur e.V." (1929 in "Kampfbund für deutsche Kultur", 1934 in "Nationalsozialistische Kulturgemeinde" umbenannt), deren Vereinszweck der "Kampf gegen Verbastardisierung und Verniggerung" sein soll; eine offizielle staatliche Institution wird daraus freilich auch nach der "Machtergreifung" nie, trotz einer zuletzt fünfstelligen Mitgliederzahl.

1930
Rosenberg wird als NSDAP-Abgeordneter für den Wahlkreis Hessen-Darmstadt in den Reichstag gewählt.


Rosenberg veröffentlicht sein Hauptwerk "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" (wohl dem Buch "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" von Houston Stewart Chamberlain nachempfunden), das - nach Hitlers "Mein Kampf" - zum zweitwichtigsten Werk des Nationalsozialismus hoch stilisiert wird. Es enthält - neben neuerlichen Warnungen vor supra-nationalen Mächten wie der internationalen "Hochfinanz", dem Freimaurertum, dem Kommunismus und den Kirchen, insbesondere der jüdischen, aber auch der christlichen - so originelle Thesen wie die, daß Jesus Christus kein Jude, sondern "Lateiner", Dante Alighieri alias "Durante Aldiger" nicht Italiener, sondern Deutscher und Admiral Coligny und die französischen Hugenotten "nordischen Blutes" waren.*

[Jesus] [Dante] [Coligny]

1931
Pfingsten: Auf einer Jugend- und Kulturtagung in Potsdam hält Rosenberg einen Vortrag über "Blut und Ehre".

1933
Juni: Rosenberg wird Leiter des (eher unbedeutenden) Außenpolitischen Amtes der NSDAP im Range eines "Reichsleiters".

[Reichsleiter Rosenberg]

1934
Januar: Rosenberg wird zum "Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP" ernannt (auch dies eher ein hochtrabender Titel als eine herausragende Position).
Die katholische Kirche verhindert durch persönliche Intervention des Kölner Kardinals Schulte bei Hitler, daß "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen wird.
Sehr löblich. Dikigoros fragt sich allerdings, ob die spätere Einführung der Werke von Karl Marx, Lenin, Mao Tse-tung u.a. als Pflichtlektüre nicht nur an deutschen Schulen so viel besser war.

1935
Rosenberg veröffentlicht "An die Dunkelmänner unserer Zeit. Eine Antwort auf die Angriffe gegen den Mythu des 20. Jahrhunderts."


1937
September: Rosenberg wird der "Deutsche Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft" zuerkannt.**


1938
Februar: Bei der Kabinettsumbildung macht Hitler nicht Rosenberg, sondern dessen Konkurrenten Joachim v. Ribbentrop zum neuen Reichsaußenminister.
Rosenberg wird - als Trostpflaster - Herausgeber des "Völkischen Beobachters".

1939
3. September: Zwei Tage nach Beginn des Polenfeldzugs erklären Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg (nicht aber der Sowjetunion, deren Rote Armee ebenfalls in Polen einmarschiert), der sich bald zum Zweiten Weltkrieg ausweitet.

1940
Rosenberg wird beauftragt, eine "Hochschule der NSDAP" zur Erforschung der Judenfrage einzurichten. (Bis dahin gab es lediglich das von Propaganda-Minister Joseph Goebbels 1935 gegründete "Institut zum Studium der Judenfrage" und das 1939 von der katholischen Kirche gegründete "Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses".) Ziel ist die Erstellung eines "Handbuchs der Judenfrage", bestehend aus einem "Talmud-Lexikon", einem "Lexikon der Juden in der Musik" und ein "Lexikon jüdischer Schriftsteller". Zu diesem Zweck läßt Rosenberg aus Bibliotheken und Archiven in ganz Europa Material zusammen tragen. Die zunächst auf 300.000 Bände angelegte Sammlung wächst bis Kriegsende auf knapp zwei Millionen an.

[Rosenberg]

1941
März: In Frankfurt/Main wird das "Institut zur Erforschung der Judenfrage" mit einer wissenschaftlichen Tagung - an der u.a. Hans F. K. Günther, Giselher Wirsing und Vidkun Quisling teilnehmen - eröffnet. Rosenberg hält einen Vortrag mit dem Titel "Die Judenfrage als Weltproblem", in dem er die drei aus seiner Sicht bestehenden Alternativen diskutiert: Assimilation, Ghettoisierung oder Aussiedlung. Er lehnt die beiden ersten Alternativen ab und spricht sich vielmehr - im Einklang mit den deutschen Zionisten - für die letzte Lösung aus. Von einer Vernichtung der europäischen Juden als "Endlösung" ist nicht die Rede; die später gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind also nachweislich haltlos.
Juli: Kurz nach Beginn des Rußland-Feldzugs wird Rosenberg zum "Reichsminister für die besetzten Ostgebiete" ernannt. Er erkennt ziemlich bald, daß Deutschland den Krieg ohne Verbündete auf dem Boden der Sowjet-Union nicht wird gewinnen können und plädiert dafür, die kleineren Randvölker im Baltikum, in Weißrußland, in der Ukraïne und im Kaukasus auf deutscher Seite mitkämpfen zu lassen und ihnen im Gegenzug politische Autonomie zu gewähren. Er kann sich jedoch mit dieser Auffassung nicht duchsetzen - weder gegen diejenigen, die meinen, man sollte lieber auf die Anti-Kommunisten unter den ["Groß"-]Russen setzen, noch gegen diejenigen, die bis kurz vor Toreschluß glauben, daß man weder die einen noch die anderen brauche, Osteuropa vielmehr aus eigener Kraft werde erobern und nieder halten können.***

1942
In der sowjetischen Propaganda avanciert Rosenberg immer mehr zum germanentümelnden Kulturbolschewisten schlechthin, dem man u.a. vorwirft, die Werke Tolstojs und Shakespeares verboten zu haben (wovon in Wahrheit keine Rede sein kann).


1944
Januar: Rosenberg - der früher als andere deutsche "Spitzenpolitiker" erkannt hat, daß der Krieg verloren ist - veröffentlicht "Kampf und Schicksal im Osten". Mit großer Bitterkeit - und erstaunlicher Offenheit - beschreibt er, wie der Westen - "einschließlich des bürgerlichen Deutschlands" - die Sowjet-Union so stark und widerstandsfähig gemacht habe, daß sie nun nicht mehr zu bezwingen sei: "Amerikanische Turbinen, englische Traktoren, deutsche Wegebauer, skandinavische Ingenieure" hätten Stalins Reich aufgebaut - wobei er mit dem "bürgerlichen Deutschland" durchaus auch das "Dritte Reich" meint, denn er setzt diesen Zeitraum auf "20 Jahre lang" an, also nicht etwa nur bis 1933.
März: Rosenberg hat im zerbombten Hamburg seinen letzten großen öffentlichen Auftritt. Er hält eine breit angelegte Rede zum Thema "Das Reich und Europa", in der er die Verteidigung des Abendlandes gegen die auswärtigen Mächte der Zerstörung beschwört.


1945
Bei Kriegsende fällt die einzigartige Sammlung des "Instituts zur Erforschung der Judenfrage" alliierten Plünderern in die Hände und größtenteils zum Opfer. 1,6 Millionen z.T. unersetzliche Werke werden als vermeintlich deutsches Kulturgut mutwillig zerstört. Die restlichen ca. 400.000 Bände werden geraubt und an die kriminelle "Jewish Cultural Reconstruction Organization" verschoben. Von dort gelangen sie später auf unbekannten Wegen nach Israel. Eine Rückgabe wird mit der Begründung abgelehnt, bei dem Vorgang handele es sich um "symbolische Wiedergutmachung".


1946
Rosenberg wird vom interalliierten Militär-Tribunal in Nürnberg wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" angeklagt und, da ihm keinerlei Verteidigungsmöglichkeit gewährt wird, schuldig gesprochen.

[Rosenberg neben General a.D. Jodl und General-Gouverneur a.D. Frank]

16. Oktober: Rosenberg wird von den Alliierten getötet, was offiziell als "Hinrichtung durch den Strang" bezeichnet wird.

* * * * *

1955
Rosenbergs "Letzte Aufzeichnungen" werden herausgegeben.

1969
Heinrich Härtle gibt Rosenbergs letzte Aufzeichnungen unter dem Titel "Großdeutschland - Traum und Tragödie. Rosenbergs Kritik am Hitlerismus" neu heraus.

1982
Eine amerikanische Übersetzung des "Mythus des 20. Jahrhunderts" erscheint bei Noontide Press.

1996
Der Jomsburg-Verlag veröffentlicht eine 3. Auflage von Rosenbergs "letzten Aufzeichnungen", diesmal wieder unter dem Originaltitel, aber - da die Zensur in der BRDDR inzwischen verschärft worden ist - mit fünf geschwärzten Seiten, auf denen die "Kritik am Hitlerismus" wohl nicht scharf genug ausgeprägt war.

[Buch]

2005
Ernst Piper veröffentlicht eine Biografie mit dem Titel "Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe". Als politisch-korrekte Arbeit wird diese allenthalben hoch gelobt.****

[Buch]


*Dikigoros will das keineswegs ins Lächerliche ziehen. Er fragt sich zwar, wie Rosenberg in die "Seele" - was immer er darunter genau verstanden haben mag - der alten Inder, Perser, Griechen, Römer usw. blicken wollte und hält es für unseriös, dies anhand irgendwelcher alter Schriften von z.T. zweifelhafter Überlieferung zu tun. Aber die übrigen Fragestellungen sind z.T. nicht uninteressant; allerdings war es damals noch nicht möglich, die Antworten wissenschaftlich zu verifizieren, so daß Rosenbergs Ausführungen letztlich ebenso spekulativ blieben wie die gesamte "Rassenkunde" der Nazis. Heute wäre das infolge des Fortschritts in der Genetik und der Erkenntnisse der Sozial- und Psycho-Biologie ohne weiteres möglich; leider ist es aus Gründen der "political correctness" de facto verboten. Die bahnbrechenden Arbeiten von Edward O. Wilson, Richard Dawkings, Charles J. Lumsden u.a. werden seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend tot geschwiegen, nachdem alle pseudo-wissenschaftlichen Versuche, sie zu widerlegen, kläglich gescheitert sind; inzwischen sind diese Forscher beinahe ebenso geächtet wie Rosenberg. Ihnen allen ist die Erkenntnis gemeinsam, daß menschliches Handeln - also auch politisches - ebenso wenig wie tierisches auf irgendwelchen anerzogenen ideologischen Ismen beruht, sondern auf angeborenen und weiter vererbten Verhaltensmustern. (Ob Rosenberg, um dies zu belegen, immer die richtigen historischen Beispiele heran gezogen hat, ist eine andere Frage, die Dikigoros eher verneinen würde - aber auch er kann sich irren :-) Daß die Verbreitung dieser Erkenntnis den heutigen Politikern aller Couleurs unerwünscht ist, ist nur zu verständlich.

[The selfish gene] [Genes, mind, and culture]

**Der mit je 100.000.- RM dotierte "Deutsche Nationalpreis" wurde 1937 gestiftet als Gegenstück zu den "Nobelpreisen", die zunehmend aus politischen, also unsachlichen Gründen an unwürdige Personen vergeben wurden, u.a. im Vorjahr an Carl v. Ossietzky. Erste Preisträger waren neben Rosenberg - für den freilich auch weniger sachliche als politische Gründe gesprochen haben dürften - der Architekt Ludwig Troost (posthum) sowie die Mediziner August Bier und Ferdinand Sauerbruch.

***Wer Recht hatte? Es widerstrebt Dikigoros, das zu schreiben, denn seine persönlichen Sympathien liegen eher bei den ["Groß"-]Russen als bei miesen - und oftmals auch noch muslimischen - Völkchen wie den Krimtartaren, Kalmüken, Aserbeidschanern, Tataren, Osse[te]n, Sakartweliern usw.; aber aus national-sozialistischer Sicht hatte Rosenberg wohl Recht: Wer Nationalist ist, muß diesen Nationalismus theoretisch auch kleineren Völkern zubilligen, die von größeren unterdrückt werden, wie das in der Sowjet-Union unzweifelhaft der Fall war. Auch die praktischen Erfahrungen, die man machte, als man sich - viel zu spät und in viel zu geringem Umfang - entschloß, beides auszuprobieren, sprechen für Rosenberg: Während die Russen unter Wlassow die Waffen, die man ihnen überlassen hatte, am Ende gegen die Deutschen wendeten, kämpften die ukraïnischen Kosaken unter Pannwitz bis zum bitteren Ende auf deutscher Seite.

****Es handelt sich um die erweiterte Habilitationsschrift eines Münchner Dozenten für mittelalterliche (!) Geschichte, der bis dahin nur mit einer Biografie des 1498 in Florenz als Haßprediger auf dem Scheiterhaufen verbrannten Dominikaner-Mönchs Girolamo Savonarola hervor getreten war, der er den Untertitel "Prophet der Diktatur Gottes" gab. Ideologische und biografische Parallelen zwischen Florenz und Nürnberg, Savonarola und Rosenberg sieht Piper jedoch nicht.

[Scheiterhaufen in Florenz 1498] [Buch]


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