Theodor Herzl
(1860-1904)


Text: Susanne Eckelmann (DHM/LeMO, 14.09.2014)

Bilder, Anmerkungen & ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

1860
2. Mai: Theodor Herzl wird als Sohn des jüdischen Kaufmanns Jacob Herzl und dessen jüdischer Ehefrau Jeanette (geb. Diamant) in Budapest geboren.
(Anm. Dikigoros: Letzteres ist schlicht falsch. Die - 1860 noch überwiegend deutsche - Stadt hieß "Ofen". Erst nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen mußten die Habsburger anno 1867 den Ungarn den "Ausgleich" gewähren, woraufhin diese sogleich ein umfangreiches Magyarisierungsprogramm in Gang setzten, beginnend mit der "Umbenennung" [Übersetzung, Um-schreibung] aller nicht-ungarischer Namen. So wurde "Ofen" zu "Buda" und "Theodor" vorübergehend zu "Tivadar". Letzteres dürfte ihm allerdings ziemlich egal gewesen sein, denn das war nur sein offizieller, pseudo-christlicher Name. Sein jüdischer Name - den er auch in der Praxis gebrauchte - war "Benjamin".)

ab 1878
Jurastudium in Wien.
(Anm. Dikigoros: Das greift viel zu kurz. Die ganze Familie zog 1878 von "Budapest" nach Wien, weil ihr der Magyarisierungsdruck einfach zu groß geworden war. Das taten damals viele Deutsch-Ungarn. [So auch Dikigoros' Großeltern mütterlicherseits; seine Oma, wiewohl "echte" Ungarin, germanisierte sogar ihren Namen "Ilona" zu "Helene" und brach vollständig mit ihrer alten Heimat; sie brachte ihren Kindern kein Wort Ungarisch bei.]
Herzl hatte in Ofen selbstverständlich noch deutschsprachige Schulen besucht; aber es stand zu befürchten, daß man in ein paar Jahren mit einem deutschsprachigen Jura-Studium in der ungarischen Reichshälfte nicht mehr allzu viel würde anfangen können.)


1881-1883
Er ist Mitglied der deutschnationalen Verbindung "Albia", die er wegen antisemitischer Ausschreitungen verlässt.
(Anm. Dikigoros: Von diesen "antisemitischen Ausschreitungen" in der Albia - oder überhaupt an der Universität Wien - weiß außer "Wolfi" niemand. Vielleicht verwechselt er das mit den antideutschen Ausschreitungen, die einige Jahre später an der Universität Prag statt fanden und auch deutschsprachige jüdische Studenten betrafen. Einige "deutschnationale" [so genannt nicht weil sie besonders "nationalistisch" gewesen wären, sondern weil die Universitäten in der k.u.k.-Monarchie - und nicht nur dort - nach "Nationen" geteilt waren] Verbindungen meinten, daß sich ihre jüdischen Mitglieder dagegen nicht genügend zur Wehr gesetzt hatten und faßten daraufhin die "Waidhofener Beschlüsse", die den Juden grundsätzlich die "Satisfaktionsfähigkeit" absprachen und sie daher von Mensuren ausschlossen. Dieses "Prinzip" übernahmen dann auch andere Universitäten, u.a. die Wiener. Daraufhin kündigten viele Juden empört ihre Mitgliedschaft und gründeten eigene Corporationen.)

1884
Promotion in Jura. (Anm. Dikigoros: In gutem Deutsch hieß und heißt das noch immer: "Promotion zum Dr. iur.")

1889
Heirat mit Julie Naschauer. Aus der Ehe gehen zwei Töchter und ein Sohn hervor.
(Anm. Dikigoros: Eine gute Partie; ohne das Geld seines Schwiegervaters wären Herzls zionistische Aktivitäten kaum finanzierbar gewesen - jedenfalls nicht in dem späteren Umfang.)

1891-1895
Korrespondent der Wiener "Neuen Freien Presse" in Paris.
Zu Beginn seines Aufenthalts in Frankreich begreift Herzl den Antisemitismus noch als ein soziales Problem, dem am wirkungsvollsten durch die Assimilation der Juden zu begegnen sei. Er wird jedoch ähnlich wie in seinem Heimatland Österreich mit dem antisemitischen Klima in nahezu allen Lebensbereichen konfrontiert und nähert sich der Forderung nach einem Zusammenschluss der jüdischen Opposition an.

1894
Der Prozess gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus führt zu antisemitischen Ausschreitungen in Frankreich.
(Anm.: Dikigoros läßt den Link auf die LeMO-Seite zu diesem Thema stehen, obwohl die Ereignisse und Hintergründe dort unzulässig verkürzt dargestellt sind. Dreyfus wurde nicht der Prozeß gemacht, weil er Jude war, sondern weil er aus dem Elsaß stammte und deutschsprachig war. Auch die Ausschreitungen richteten sich in erster Linie gegen Deutsche in Frankreich; daß viele von ihnen Juden waren steht auf einem anderen Blatt.)

[Dreyfus]

Unter dem Eindruck der "Dreyfus-Affäre" entwickelt Herzl die Idee einer organisierten Emigration der Juden in einen eigenständigen Staat.

1896
Er wird Redakteur des renommierten Feuilletons der "Neuen Freien Presse" in Wien.
(Anm. Dikigoros: Gemeint ist wohl: "[...] des Feuilletons der renommierten N.F.P. [...]" :-)
Mit seiner Veröffentlichung "Der Judenstaat" wird Herzl zum Initiator des politischen Zionismus.
(Anm.: Dikigoros erspart sich an dieser Stelle Kommentare zum Inhalt; er hat sie in den verlinkten Text eingebaut und wird sie vielleicht bei Gelegenheit noch erweitern.)

[Der Judenstaat] [Der Judenstaat]

Bei der Niederschrift hat er keine Kenntnis von der bereits existierenden zionistischen Bewegung in Osteuropa, die sich auch in Reaktion auf die zunehmenden Pogrome gebildet hat.
(Anm. Dikigoros: Wenn man das glauben dürfte, dann hätte Herzl herzlich wenig Ahnung vom Judentum seiner Zeit gehabt. Darf man aber wohl nicht: Schmuel Biliz, der Bruder seiner Großmutter väterlicherseits, war ein früher Zionist, der schon seit den 1860er Jahren zusammen mit Chaim Lorje die Auswanderung der europäischen Juden nach Palästina propagierte; höchst unwahrscheinlich, daß sein Großneffe davon nichts wußte!)
Erst durch Herzls Publikation findet die Idee eines selbständigen jüdischen Staats internationale Anerkennung.
(Anm. Dikigoros: Na, das wohl kaum, allenfalls Aufmerksamkeit. International anerkannt war diese Idee noch lange nicht; und in weiten Teilen der Welt - Tendenz steigend - ist sie es bie heute nicht.)

1897
26.-29. August: Herzl veranstaltet in Basel den ersten Zionistischen Weltkongress mit etwa 200 Delegierten. Auf der Tagung wird das "Basler Programm" beschlossen, das die "Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina" fordert.
Herzl wird zum ersten Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation gewählt.
Publikation seines Theaterstücks "Das neue Ghetto".
Herzl gibt in Wien die Monatszeitschrift "Die Welt" als Organ der zionistischen Bewegung heraus.

1898
Herzl plant, mittels der Fürsprache (Anm. Dikigoros: gemeint ist massiver wirtschaftlicher und militärischer Druck) der Großmächte den Sultan Abd ül-Hamid II. (1876-1909) zu einer Zusage für ein autonomes Gebiet im Rahmen des Osmanischen Reichs zu bewegen. Kaiser Wilhelm II. verweigert ihm jedoch während seiner Orient-Reise die Unterstützung.
(Anm. Dikigoros: Warum hätte Wilhelm ihn unterstützen sollen? In seinen Augen war das eine Schnapsidee. Preußen setzte schon lange voll auf Integration und Assimilierung. Werbung für ["Verleitung zur"] Auswanderung war in Deutschland noch zu Dikigoros' Studienzeiten - und noch Jahrzehnte danach - ein Straftatbestand!* Einzig der böse Nazi-Reichskanzler Adolf Hitler machte 1933 eine Ausnahme, als er mit der Zionistischen Vereinigung für Deutschland das so genannte "Ha'avara-Abkommen" schloß, das die Auswanderung von in Deutschland lebenden Juden in das britische Mandatsgebiet "Palestine" unterstützte - auf Kosten der deutschen Steuerzahler, denn die Briten ließen sich das in klingender Münze bezahlen, mit 1.000.- Pfund pro Kopf, entsprechend 20.000.- Reichsmark, nach heutiger Kaufschwäche Kaufkraft ca. 200.000.- T€uro.)

1899
Herzl gründet den "Jewish Colonial Trust" zum Ankauf von Land in Palästina.
Der britische Kolonialminister Joseph Chamberlain (1836-1914) bietet Herzl ein Gebiet in Ostafrika für eine eigenständige jüdische Siedlung an. Das Vorhaben scheitert an der ungeeigneten Beschaffenheit des Landes und an der Mehrheit der Zionisten, die kein anderes Gebiet als Palästina in Betracht zieht.
(Anm. Dikigoros: Das ist verharmlosend hübsch umschrieben. J.C. setzte - ebenso wie seine Nachfolger - auf ein arabisch-muslimisches "Palestine" und wollte bürgerkriegsähnliche Unruhen dortselbst wegen einer Ansiedlung von Juden tunlichst vermeiden. Daher bot er dem JCT wertloses Land in Kenya zum Kauf an, wohl in der Hoffnung, daß die Neger dort die "Endlösung der Judenfrage" in die eigenen Hände nehmen würden, so daß sich die Briten die ihrigen nicht schmutzig zu machen brauchten.)

1900
Publikation der "Philosophischen Erzählungen".

1900-1902
Herzl bittet erfolglos Papst Pius X. (1835-1914) und König Viktor Emanuel III. von Italien um die Unterstützung seiner Pläne.
(Anm. Dikigoros: Was scherte den König von Italien Palestina und die Ansiedlung der Juden dortselbst? Er machte sich vielmehr Gedanken um die Ansiedlung überzähliger Italiener in Landesnähe, z.B. an der ostadriatischen Küste und in Tunesien - wo ihm Frankreich im Wege stand, weshalb er sich später auf Libyen kaprizierte, das damals noch zum Osmanischen Reich gehörte. Aber als er darob anno 1911 zum Krieg gegen letzteres schreiten sollte - was den Juden vielleicht eine Chance geboten hätte -, war Herzl schon tot.
Und der Papst? Der war größenwahnsinnig und entblödete sich nicht, Herzl zu schreiben, er könne das Anliegen der Zionisten nicht unterstützen, da Jerusalem eine christliche Stadt sei, die er für sich selber zurück zu erobern gedächte. Dabei war er ein armes Würstchen ohne jede weltliche Macht, ja ohne jegliche weltlichen Rechte, bevor der böse Fascist Mussolini ihm solche in den "Lateranverträgen" von 1929 zugestehen sollte - aber bis dahin war es noch lange hin, und da hatten die Juden die Unterstützung des Papstes schon nicht mehr nötig, denn nur ein Jahr später schloß Mussolini auch ein entsprechendes Konkordat mit ihnen.)



1902
In seinem Roman "Altneuland" entwirft Herzl eine mögliche politisch-soziale Ordnung eines selbständigen jüdischen Staats in Palästina.
(Anm.: Ihm schwebte eine Mischung aus Theokratie und aristokratischem Ständestaat vor - vielleicht wird Dikigoros bei Gelegenheit auch den Text aufladen.)

1904
3. Juli: Theodor Herzl stirbt an einem Herzleiden in Edlach an der Rach (Österreich).

1905
Die "Zionistischen Schriften" und "Tagebücher" erscheinen postum.

1949
Herzl wird in den 1948 gegründeten Staat Israel überführt und auf einem nach ihm benannten Berg westlich von Jerusalem beigesetzt.


*§ 144 StGB wurde laienhaft auch als "Auswanderungsbetrug" bezeichnet, aber das ist irreführend: Betrug im Sinne des Gesetzes setzt voraus, daß der Täter in der Absicht handelt, sich oder jemand anderen zu bereichern, und das war gerade nicht erforderlich. Es genügte, daß jemand dem Vaterland Arbeitskräfte und Soldaten dadurch entzog, daß er sie zur Auswanderung ermunterte in ein Land, wo seine Arbeit vielleicht besser bezahlt (oder niedriger besteuert) wurde und die Aussicht, in einem Krieg verheizt zu werden, geringer war als in der teuren Heimat. Das Gesetz wurde mit Wirkung vom 1. April (ein Schelm, wer Böses dabei denkt :-) 1998 stillschweigend und ersatzlos gestrichen, nachdem irgendjemandem aufgefallen war, daß es sich ja kaum vom Straftatbestand des § 213 StGB der DDR ("ungesetzlicher Grenzübertritt" laienhaft auch als "Republikflucht" bezeichnet) unterschied.
Ihr meint, liebe Leser, daß es doch wohl ein Unterschied sei, ob jemand dauerhaft auswandern oder nur mal kurz ins Ausland reisen wollte, etwa im Urlaub? Darauf könnte Euch Dikigoros antworten, daß diejenigen, gegen die sich diese Bestimmung richtete, durchweg dauerhaft in den Westen auswandern wollten - wer nur mal kurz Verwandte im Westen besuchen oder Urlaub am Schwarzen Meer machen wollte, der bekam die Erlaubnis ja. Und was die wenigsten juristischen Laien wissen: Auch der Art. 11 des bundesrepublikanischen Grundgesetzes - "Freizügigkeit" - stand bloß auf geduldigem Papier: Wer politisch unliebsam war, der erhielt keinen Reisepaß und durfte die BRD nicht verlassen - dazu gab es einige berühmte Fälle, die bis vors Bundesverfassungsgericht gingen (das schon damals die Verfassung nicht schützte, sondern nur "auslegte", d.h. fadenscheinige "Gründe" (so nennt sich eine Urteilsbegründung auf Juristendeutsch) an den Haaren herbei zog, um den Untertanen ihre angeblichen "Grundrechte" zu verweigern - als Dikigoros studierte, mußten angehende Juristen solche Fälle nebst ihrer abstrusen "Argumentation" noch auswendig lernen.
Ersatzlos gestrichen? Ja, leider. Es hätte sich doch angeboten, dafür einen neuen Paragrafen "Verleitung zur Einwanderung einzuführen - und da wäre die Bezeichnung "Einwanderungsbetrug" sogar angemessen gewesen, denn die "Schlepper" handeln ja in Bereicherungsabsicht und um das Zielland mit der falschen Behauptung, ihre Klienten seien "Flüchtlinge", zu betrügen.
Aber vielleicht braucht man einen solchen neuen Straftatbestand ja gar nicht einzuführen, weil es schon eine anwendbare Rechtsnorm gibt? Wie wäre es mit Völkermord? Es gab mal einen § 220a StGB, der so überschrieben ist. Da hieß es u.a.: "Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören [...] die Gruppe unter Lebensbediungen stellt, die geeignet sind, deren körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen [...] wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe..." usw. Ja, was tun denn die Bundesregierungen seit Sarah Sauer anderes, sei es durch Diffamierung alles Nationalen, Rassischen, Christlichen und Völkischen als "faschistoïd" und "neo-nazistisch", sei es durch die Förderung der Masseneinwanderung überwiegend krimineller, schmarotzender, nicht integrierbarer, vor allem muslimischer Fremder nach Deutschland?
Aber siehe da: Auch dieser Paragraf wurde anno 2002 - vier Jahre nach dem § 144 StGB - stillschweigend gestrichen, allerdings nicht ersatzlos, sondern durch "Verabschiedung" (das ist der juristendeutsche Ausdruck für das genaue Gegenteil :-) eines neuen "Völkerstrafgesetzbuches". Und in § 6 VStGB heißt es... Moment mal, wozu wurde denn dieser Schwachsinn überhaupt eingeführt? Da steht ja das Gleiche wie einst in § 220a StGB - bloß daß das deutsche Wort "Volkstum" durch das griechische Wort "Ethnie" ersetzt wurde! (So wie das deutsche Wort VerAbschiebung durch das lateinische "Remigration" ersetzt - und dabei gleich verboten - wurde!) Warum sind die Angehörigen des Berliner Verbrecherregimes - dessen erklärtes Ziel es ja inzwischen ist, das deutsche Volk "abzuschaffen" und selbst den Begriff zu verbieten - nicht längst allesamt wegen Völkermordes eingebuchtet, bei Wasser und Brot aus Käfern und Mehlwürmern?!?


Nachbemerkung Dikigoros: Wieder mal ein Beispiel für die beinahe grotesk oberflächliche Art und Weise, auf welche die Institution, welche die Wörter "deutsch" und "Museum" im Namen führt, sich mit dem Leben bedeutender (und bisweilen auch weniger bedeutender :-) Personen befaßt. Da Dikigoros jedoch keine eigene Webseite über T.H. verfaßt hat - er paßt eigentlich in keine Kategorie seiner Sammlung tabellarischer Lebensläufe und gehört auch eher ins 19. als ins 20. Jahrhundert - will er deren Opus ausnahmsweise in dieser Form, d.h. mit einigen korrigierenden Anmerkungen, zurück ins Netz stellen.
Das "ausnahmsweise" ist wörtlich zu nehmen. § 51 UrhG erlaubt zwar solche Bearbeitungen ausdrücklich - auch gegen den mutmaßlichen Willen der Urheber -; aber Dikigoros betrachtet es nicht als seine Aufgabe, minderwertige Webseiten Anderer aufzubessern, indem er sie korrigiert, ergänzt und ihnen so womöglich noch "Reklame durch die Hintertür" verschafft. Unter den knapp 400 Lebensläufen, die er ins Netz gestellt hat, sind insgesamt nur vier solcher "LeMO-Ausnahmen", nämlich außer dieser noch die folgenden (in alfabetischer Reihenfolge):
Hans Albers
Josephine Baker
Sigmund Freud