Kurt v. Schleicher

(1882 - 1934)

[Kurt v. Schleicher]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1882
4. Juli: Kurt Ferdinand v. Schleicher wird als zweites von drei Kindern des preußischen Oberleutnants* Hermann v. Schleicher und seiner Ehefrau Magdalene, geb. Heyn, in Brandenburg/Havel geboren.

1896-1900
Schleicher absolviert die Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde bei Berlin.


1900
März: Schleicher wird zum Leutnant befördert und dem 3. Garde-Regiment zu Fuß zugeteilt.


1906
Schleicher wird Adjutant beim Regimentsstab.

1909
Oktober: Schleicher wird zum Oberleutnant befördert und zur Kriegsakademie abkommandiert.

1913
September: Schleicher wird zum Großen Generalstab abkommandiert, wo er der Eisenbahn-Abteilung unter Oberstleutnant Wilhelm Groener zugeteilt wird.
Dezember: Schleicher wird zum Hauptmann befördert.

1914
August: Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

1916
November: Schleicher folgt General Groener ins Kriegsamt nach Berlin.

1917
Mai: Schleicher wird als 1. Generalstabsoffizier zur 237. Infanterie-Division nach Galizien versetzt.
Juli: Schleicher wird zum Major befördert.
August: Schleicher kehrt Kriegsamt nach Berlin zurück.

1918
November: Die Reichsleitung bittet die Entente-Mächte um Waffenstillstand, was de facto einer Kapitulation gleich kommt. Kaiser Wilhelm flieht außer Landes, die Monarchie wird gestürzt und die Republik ausgerufen.

1919
Schleicher wird in die durch das Versailler Diktat auf 100.000 Mann begrenzte Reichswehr übernommen. Im Gefolge General Groeners arrangiert sich Schleicher mit den politischen Verhältnissen der "Weimarer Republik" und dient als Kontaktmann des Militärs zum selbst ernannten "Rat der Volksbeauftragten" unter Friedrich Ebert.


1919
September: Schleicher wird ins Reichswehr-Ministerium versetzt. Dort übernimmt er die Leitung des politischen Referats im Truppenamt und avanciert zum engen Mitarbeiter und Berater von General Hans v. Seeckt.

1924
Januar: Schleicher wird zum Oberstleutnant befördert.

1925
Schleicher handelt im Auftrag Seeckts mit Karl Radek, dem Sonderbeauftragten des sowjetischen Kriegsministers Trotski, ein geheimes Abkommen über die Kooperation zwischen der Roten Armee und der Reichswehr aus, mit dem die Bestimmungen des Versailler Diktats (das Deutschland Motorflugzeuge, Panzer, U-Boote, Schlachtschiffe und schwere Artillerie verbietet) weitgehend umgangen werden. [Neben diesem Abkommen mit der Sowjet-Union, das hauptsächlich die Ausbildung von Soldaten betrifft, werden auch geheime Abkommen mit Finnland, den Niederlanden, Schweden, Spanien und der Türkei über die Entwicklung und Produktion jener verbotenen Waffen geschlossen.]

1926
Februar: Schleicher wird Chef der neu geschaffenen Wehrmachtsabteilung im Reichswehr-Ministerium.
April: Schleicher wird zum Oberst befördert.

1929
Durch die Umbildung der Wehrmachtsabteilung in ein Ministeramt erlangt Schleicher den Rang eines beamteten Staatssekretärs; er wird zum Generalmajor befördert.

1931
Juli: Schleicher heiratet Elisabeth, geb. v. Henning, die geschiedene Frau seines Vetters Bogislav.
Oktober: Schleicher wird zum General-Leutnant befördert.

1932
April: Im Zusammenhang mit dem Verbot der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) überwirft sich Schleicher, der die SA in einer "überparteiliche Wehrorganisation" einbeziehen will, mit General Gröner, der inzwischen Reichswehrminister geworden ist und daran festhält, daß die Reichswehr die einzige bewaffnete Macht bleiben muß.
Über die inhaltliche Bedeutung jener Organisation kann man unterschiedlicher Meinung sein. Offiziell wäre wohl die SA in die Reichswehr übernommen worden. Angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit der SA - die damals ca. 400.000 Mitglieder hatte, Tendenz rapide steigend - gegenüber der Wehrmacht - 100.000 Mann, mangels Wehrpflicht ohne Reservisten - wäre aber de facto die Reichswehr von der SA "geschluckt" worden.
1. Juni: Schleicher wird als Charakter-MajorGeneral der Infanterie aus dem aktiven Militärdienst entlassen und Reichswehr-Minister im "Kabinett der Barone" Franz v. Papens, den er selber dem Reichspräsidenten Paul v. Hindenburg als Nachfolger des glücklosen Heinrich Brüning vorgeschlagen hatte.
17. November: Rücktritt des Kabinetts Papen nach den Reichstagswahlen vom 6. November.
2. Dezember: Nach ergebnislosen Verhandlungen mit Adolf Hitler über eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wird Schleicher von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und mit der Bildung eines neuen Präsidialkabinetts beauftragt.


Dezember: Schleichers Versuch, durch ein Bündnis von rechten Gewerkschaftern und linken Nationalsozialisten wie Gregor Strasser eine Massenbasis für seine Regierung zu schaffen, scheitert am Widerstand der SPD und der NSDAP.

1933
Januar: Hinter Schleichers Rücken verhandelt Papen im Auftrag Hindenburgs mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler.
28. Januar: Nachdem Hindenburg es abgelehnt hat, den Reichstag erneut aufzulösen und Schleicher per Notverordnung zum Diktator zu machen, erklärt dieser seinen Rücktritt mit den Worten: "Ich bin nur 60 Tage an der Regierung geblieben, aber an jedem dieser 60 Tage bin ich mindestens 60 mal verraten worden!"
(Schleicher war zwar auch als Kanzler - in Ämterhäufung Personalunion - noch Reichswehrminister geblieben; aber ein Versuch, gegen Hindenburgs Willen eine Militär-Diktatur zu errichten, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gescheitert; die Reichswehr wäre nicht dem "roten General", sondern dem alten Feldmarschall gefolgt.)
Zwei Tage, nachdem sich Schleicher ins Privatleben zurück gezogen hat, ernennt Hindenburg Hitler zu seinem Nachfolger als Reichskanzler.

1934
30. Juni: Schleicher wird im Zuge der so genannten "Niederschlagung des Röhm-Putsches" in seiner Villa in Neubabelsberg von einem Kommando der Schutzstaffel (SS) erschossen.**

* * * * *

1967
Dezember: Die ARD strahlt den Fernsehfilm "Das Attentat - Schleicher: General der letzten Stunde" aus.
(Die Titelrolle spielt Siegfried Wischnewski - den Zuschauern besser vertraut als "Hagen von Tronje" in Harald Reinls Film "Die Nibelungen", der gerade in den Kinos gelaufen war :-)


1983
Friedrich-Karl von Plehwe veröffentlicht "Reichskanzler Kurt von Schleicher. Burgunds letzte Chance gegen Etzel Weimars letzte Chance gegen Hitler".


(Wie P. zu der abenteuerlichen Auffassung gelangt, daß ein politisch unerfahrener Militär, hinter dem nicht nur keine Partei, sondern auch keine einzige Wählerstimme stand, in einer Demokratie eine Chance hätte haben können/sollen/dürfen gegen den Führer einer Partei, hinter dem die - relative - Mehrheit des [Wahl-]Volks stand, bleibt sein Geheimnis.)


*Schleicher sen. konnte sich den Luxus leisten, vor Erreichung des 30. Lebensjahres oder des Dienstgrads eines Hauptmanns zu heiraten, da seine Braut aus einer vermögenden Reeder-Familie stammte und die in diesem Falle obligatorische Mitgift von 100.000 Goldmark aufbringen konnte. Dikigoros schreibt darüber an anderer Stelle ausführlicher (in der ersten Fußnote).
**Angeblich "irrtümlich". Sehr glaubhaft ist das nicht. Daß Schleicher die SA quasi in die Reichswehr hatte aufnehmen wollen - und sich damit bei der Generalität (auf deren Betreiben Hitler die "Nacht der langen Messer" ja veranstaltete) ebenso verhaßt gemacht hatte wie Röhm selber - war ein offenes Geheimnis. Der damalige Botschafter Frankreichs in Berlin, André François-Poncet, geht in einem Nebensatz seiner Memoiren wie selbstverständlich davon aus, daß Schleicher in die "Machenschaften" Röhms verwickelt war. Er bestreitet lediglich eine französische Beteiligung.


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