Henri Philippe Pétain (24.04.1856 - 23.07.1951) Tabellarischer Lebenslauf

HENRI PHILIPPE PÉTAIN
(24.04.1856 - 23.07.1951)

[Henri Philippe Pétain]
[Unterschrift]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

[Flagge]
1856
24. April: Henri Philippe Omer Pétain wird in Cauchy-à-la-Tour als viertes Kind des Bauern Omer-Venant Pétain und dessen Frau Clotilde geboren.

1867-1875
Pétain besucht das Collegium Saint-Bertin in Saint-Omer.

1876
Pétain tritt in die Nationale Militärschule von Saint-Cyr ein.

1878
Pétain geht nach mittelmäßigem Abschluß als Sous-Lieutenant ([Unter-]Leutnant) zur Infanterie. Er wird zum 24. Jäger-Bataillon nach Villefranche-sur-Mer versetzt.

1883
Pétain wird zum Lieutenant (Oberleutnant) befördert und zum 3. Jäger-Bataillon nach Besançon versetzt.

1888
Pétain absolviert die École supérieure de guerre (Kriegsakademie) in Paris.

1890
Pétain wird zum Capitaine (Hauptmann) befördert und zum Stab des XV. Armée-corps nach Marseille versetzt. Dort macht er sich mit seiner Ablehnung der herrschenden Offensiv-Strategie (die er seit Erfindung des Maschinengewehrs - Fortentwicklung der Mitrailleuse - für unverantwortlich hält) bald unbeliebt und gerät in einen Karriereknick. In den nächsten zehn Jahren wird er in schnellem Wechsel von Planstelle zu Planstelle "weggelobt".

1891
Pétain wird zum 29. Jäger-Bataillon nach Vincennes versetzt.

1895
Pétain wird zum Generalstab nach Paris versetzt, aber von dort zur Fliegerausbildung abcommandiert.

1897
Pétain legt die Fliegerprüfung ab.

1899
Pétain wird zum 8. Jäger-Bataillon nach Amiens versetzt.

1900
Pétain wird zum Commandant (Major) befördert und Instructeur an der Schützenschule in Chalons-sur-Marne. Auch dort treffen seine Ideen auf wenig Gegenliebe.

1901
Pétain wird zum 5. Infanterie-Regiment nach Paris versetzt. Nebenbei wird er Dozent für Infanterie-Taktik an der Kriegsakademie.

1907
Pétain wird zum Lieutenant-colonel (Oberstleutnant) befördert und zum 118. Infanterie-Regiment nach Quimper (Bretagne - von den Franzosen als "Ende der Welt [Finistère]" bezeichnet) versetzt.

1910
Pétain wird zum Colonel (Oberst) befördert und durchläuft die Generalstabsausbildung am Centre des hautes études militaires.

1912
Pétain wird zum Commandeur des 33. Infanterie-Regiments in Arras ernannt. (Dort, in der Heimatstadt Robespierres, dient auch der Sous-lieutenant Charles de Gaulle.)

1914
März: Pétain wird zum Commandeur der 4. Brigade in Saint-Omer ernannt.
August: Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Pétain an der belgischen Front eingesetzt, wo seine Defensiv-Strategie Erfolg hat. Pétain wird zum Brigade-General befördert.
September: Pétain wird zum Commandeur der 6. Division ernannt und nimmt an der Marne-Schlacht teil.
Oktober: Pétain wird zum Officier der Ehrenlegion und zum Commandeur des 33. Armée-corps ernannt.

1915
Pétain nimmt als Commandeur der 2. Armée an der Offensive in der Champagne teil, die scheitert. Pétain lehnt weitere Offensiven ab, empfiehlt die Defensive und gerät dadurch in Gegensatz zum französischen Oberbefehlshaber Joffre.


1916
Gegen die deutsche Großoffensive bei Verdun baut Pétain eine massierte Verteidigung auf. Die Monate lange Schlacht von Verdun und die erfolgreiche Defensiv-Strategie machen Pétain trotz der großen Verluste in Frankreich zum Helden.


1917
Unter dem Oberbefehl des "Blutsäufers" Georges Robert Nivelles (1858-1924), eines rücksichtslosen Befürworters der Offensive, der seine Soldaten regimenterweise in das Feuer der deutschen Maschinengewehre jagen läßt, kommt es in Teilen der französischen Nordarmee zu Meutereien, die auf das ganze französische Heer überzugreifen drohen.
30. April: Nivelles wird abgelöst und durch Pétain ersetzt, der die Meutereien mit eiserner Hand unterdrückt und so den drohenden Zusammenbruch der Front verhindert. Erleichtert wird ihm diese Aufgabe durch die "Sixtus-Briefe", in denen Kaiser Karl von Österreich-Ungarn den Franzosen für einen Friedensschluß Elsaß-Lothringen anbietet und damit zu erkennen gibt, daß er kriegsmüde ist und bereit, Deutschland in den Rücken zu fallen. (Als die Separatfriedens-Verhandlungen scheitern - Karl will zwar deutsche Gebiete an Frankreich abtreten, aber keineswegs eigene, etwa Südtirol, an Italien - hat Pétain seine Truppen schon wieder fest im Griff.)


1918
November: Deutschland sucht um Waffenstillstand nach, was einer Kapitulation gleich kommt. Pétain wird zum Maréchal (Feldmarschall) befördert und neben Ferdinand Foch zur führenden Figur der französischen Armee.


Dezember: Pétain wird zum Maréchal de France (Reichsmarschall) befördert und zum Mitglied im Friedensrat der Armée ernannt.

1919
Juni: Nachdem eine deutsche Regierung den von den Entente-Mächten diktierten Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet hat, wähnt sich Frankreich auf dem Höhepunkt seiner Macht.


Auf den ersten Blick spricht einiges für diese Auffassung: Frankreich ist wieder zur stärksten Militärmacht Kontinentaleuropas geworden. Es hat nicht nur Elsaß-Lothringen zurück gewonnen, sondern seine Ostgrenze de facto bis zum Rhein vorgeschoben. Es hat Teile des deutschen Kolonialreichs - Kamerun und die Hälfte Togos - und des Osmanischen Reichs - Syrien und Libanon - erhalten, und aus der Konkursmasse des Tsarenreichs und Österreich-Ungarns sind ihm neue Verbündete - "Kleine Entente", "Cordon sanitaire" - erwachsen, mit denen es Deutschland "in die Zange nehmen" kann. Die materiellen Verluste werden sich durch deutsche Reparationszahlungen - "L'Allemagne payerá tout" wird zum geflügelten Wort - ausgleichen lassen.
Auf den zweiten Blick nimmt sich die Bilanz allerdings weniger rosig aus: Die in Übersee gewonnenen Gebiete sind nicht viel wert. {Die besten Teile - Deutsch-Südwest- und -Ostafrika, Irak, Kuwait, Transjordanien und Palästina - haben sich die Briten genommen.} Seine neuen Verbündeten - allen voran Polen - muß Frankreich militärisch und finanziell unterstützen - ohne praktische Gegenleistungen; vielmehr treibt dies die Sowjet-Union dem Deutschen Reich in die Arme {Vertrag von Rapallo}. Die französische Wirtschaft ist ruiniert: Das ausgepowerte Deutschland kann die festgesetzten Reparationen nicht aufbringen; die alliierten Gläubiger - allen voran die USA - sind nicht bereit, auf ihre Forderungen gegen Frankreich zu verzichten. Das deutsche Auslandsvermögen - das hauptsächlich in Nord- und Südamerika "angelegt" war - haben sich die USA unter den Nagel gerissen; und die Sowjet-Uunion weigert sich, Frankreichs Forderungen gegen das Tsarenreich - den größten Empfänger ihrer Kredite und "Investitionen" - anzuerkennen. Die enteigneten deutschen Patente werden infolge des rasanten technologischen Fortschritts, d.h. neuer Patente - bald wertlos. Am schwersten wiegt jedoch der Verlust an Bevölkerungssubstanz: Während die erst spät in den Krieg eingetreteten USA kaum mehr als 100.000 Tote zu beklagen haben und Großbritannien hauptsächlich Inder, Neger u.a. "Kolonialvölker" verheizt hat, hat Frankreich mehr als ein Viertel seiner 18-27-jährigen männlichen Bevölkerung verloren. Hinzu kommen über 4 Millionen Schwerkriegsversehrte, die z.T. nicht mehr arbeitsfähig sind. Alle Gewinne wiegen diese Verluste schwerlich auf. Tatsächlich ist die "grande nation" trotz ihres "Sieges" von einer Vorkriegs-Großmacht zu einer Macht zweiten Ranges herab gesunken.

1920
Januar: Pétain wird zum Vizepräsidenten des Obersten Kriegsrats ernannt.
September: Pétain heiratet Eugénie geb. Hardon, gesch. Hérain.

1921
Pétain stattet der Île d'Yeu, einer Sträflingsinsel vor der französischen Westküste, einen Inspektionsbesuch ab.

1922
Februar: Pétain wird zum Generalinspekteur des Heeres und zum Mitglied des Nationalen Verteidigungsrats ernannt. Als solcher forciert er den Ausbau starker Verteidigungsanlagen an der französisch-deutschen Grenze ("Maginot-Linie"). Gegen den Widerstand einiger jüngerer Offiziere, wie de Gaulle, die erkannt haben, daß Maschinengewehre gegen moderne Panzertruppen - anders noch als gegen die Kavallerie und Infanterie des Ersten Weltkriegs - keine überlegene Abwehrwaffe mehr darstellen, und deshalb eine offensive, motorisierte Kriegführung fordern, bleibt Pétain bei seiner Defensiv-Strategie.


1925
Pétain schlägt einen Berber-Aufstand in Französisch-Marokko nieder.

1931
Januar: Pétain wird in die Académie française aufgenommen.
Februar: Pétain scheidet aus dem Militärdienst aus; sein Nachfolger wird General Weygand. Pétain wird mit dem Ehrentitel eines "Generalinspekteurs der Luftverteidigung" verabschiedet, der praktisch nur auf dem Papier steht, obwohl Pétain immer wieder den Aufbau einer separaten Luftwaffe zur Landesverteidigung gefordert hatte.
Oktober: Pétain nimmt in den USA als offizieller Vertreter Frankreichs an der 150-Jahr-Feier zur Schlacht von Yorktown teil, die den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen England einleitete. Dabei betont er - in demonstrativer Angrenzung gegenüber Großbritannien - das damalige und gegenwärtige Bündnis zwischen Frankreich und den USA.

1934
Februar-November: Pétain ist Kriegsminister im Kabinett Gaston Doumergue.
Oktober: Pétain nimmt in Belgrad an der Trauerfeier für den serbischen König Aleksandar von "Jugoslawien" teil, der bei einem Staatsbesuch in Marseille dem Attentat eines in Frankreich lebenden kroatischen Widerstandskämpfers zum Opfer gefallen ist.

1935
Pétain nimmt - gemeinsam mit dem deutschen Feldmarschall Hermann Göring - in Warschau an der Trauerfeier für den verstorbenen polnischen Marschall Piłsudski teil.

1936
In Frankreich übernimmt die "Volksfront" aus Kommunisten und Sozialisten die Macht.

1939
März: Nachdem Frankreich die spanische Regierung unter General Francisco Franco anerkannt hat - den es während des dreijährigen Bürgerkrieges massiv bekämpft hatte -, wird Pétain zum Botschafter ernannt und nach Burgos geschickt.
3. September: Zwei Tage nach Beginn des Polenfeldzugs erklärt die französische Regierung auf Drängen Großbritanniens dem Deutschen Reich den Krieg (nicht aber der Sowjetunion, als auch die Rote Armee nach Polen einmarschiert), der sich bald zum Zweiten Weltkrieg ausweiten soll. Beim französischen Volk ist der Krieg extrem unpopulär. Nicht nur Soldaten stellen die retorische Frage: "Mourir pour Dantzig [Für Danzig sterben]?"* An der Rheingrenze wird ein Sitzkrieg ("drôle de guerre") geführt, der hauptsächlich im Abwerfen von Propaganda-Flugblättern und Berieselung mit "Feindmusik" besteht.

[deutsche Propaganda]

1940
Mai: Der überraschende Vorstoß der deutschen Wehrmacht durch die Ardennen unter Umgehung der Maginot-Linie erschüttert das Vertrauen in die französische Regierung. Ministerpräsident Paul Reynaud macht Pétain zu seinem Stellvertreter und General Weygand zum neuen Oberbefehlshaber.
14. Juni: Die französische Regierung flieht von Paris nach Bordeaux.
16. Juni: Reynaud plädiert gleichwohl - gegen den Rat Weygands - für eine Forsetzung des militärischen Widerstands, bleibt aber mit dieser Ansicht im Kabinett allein und tritt zurück.
17. Juni: Pétain bildet eine kommissarische Regierung, die sofort um Waffenstillstand bittet.


18. Der nach England geflohene Generalmajor de Gaulle ruft "alle Franzosen" dazu auf, sich mit ihm zu vereinen, weiter gegen den deutschen Feind zu kämpfen, Opfer zu bringen und zu hoffen. Er spricht erstmals davon, daß dieser Krieg ein "Weltkrieg [guerre mondiale]" sei.


21. Juni: Der Abschluß des Waffenstillstands** teilt Frankreich in einen besetzten Teil im Norden und in den unbesetzten und weiter unter französischer Verwaltung stehenden Süden.
23. Juni: De Gaulle wiederholt seine Radioansprache. Pétain hält dagegen, indem er statt von notwendigen "Opfern" vom "Geschenk" des Friedens spricht.

[Pétain]

29. Juni: Die Regierung Pétain und die Nationalversammlung verlegen ihren Sitz vom besetzten Bordeaux in den unbesetzten Kurort Vichy.


3. Juli: Der neue britische Ministerpräsident Winston Churchill läßt die französische Mittelmeerflotte in Mers el-Kebir bei Oran (Algerien) durch einen Überraschungsangriff der Royal Air Force versenken.
Pétain bricht daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab, unternimmt aber weiter nichts.


10. Juli: Pétain wird von der Nationalversammlung im Amt bestätigt (569 Stimmen für, 80 Stimmen gegen ihn bei 17 Enthaltungen) und beauftragt, eine neue, "revolutionäre" Verfassung auszuarbeiten.


Anstelle des - fälschlich der (1.) Französischen Revolution von 1789 zugeschriebenen, tatsächlich aus der (3.) Revolution von 1848 stammenden - Mottos "Liberté, Égalité, Fraternité [Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]" wählt Pétain das Motto "Travail, Famille, Patrie [Arbeit, Familie, Vaterland]", als neues Staatssymbol die Francisque - bestehend aus seinem eigenen Marschallstab und zwei Liktoren-Beilen.


17. Juli: Pétain wird "Chef des französischen Staats" mit nahezu absoluten Vollmachten. Sein Stellvertreter wird Pierre Laval.
24. Oktober: Nachdem der französische Oberbefehlshaber, General Charles Huntziger, signalisiert hat, daß Frankreich bereit sei, an der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten, kommt es zu einem Treffen Pétains mit dem deutschen Reichskanzler Adolf Hitler. Pétain lehnt jedoch einen Kriegseintritt auf Seiten der Achsenmächte ab.

[Pétain - Hitler]

5. Dezember: Statt dessen schließt Pétain ein geheimes Neutralitätsabkommen mit der britischen Regierung, in dem vereinbart wird, den beiderseitigen territorialen Status quo nicht anzutasten.
13. Dezember: Pétain entläßt Laval, der eine Annäherung an das Deutsche Reich gefordert hatte, und stellt ihn unter Hausarrest.

1941
Oktober: Pétain läßt die ehemaligen Ministerpräsidenten Édouard Daladier - Unterzeichner des "Münchner Abkommens" von 1938 - und Léon Blum verhaften. Ihnen wird der Prozeß als "Hauptverantwortliche für die Niederlage" gemacht.
Wiewohl die Anklage zumindest im Falle Blums offensichtlich begründet ist (die französischen Kommunisten hatten in Anbetracht des Hitler-Stalin-Pakts beim Frankreich-Feldzug Sabotage hinter den eigenen Linien betrieben), werden die Verfahren später eingestellt.


Pétain duldet die Aufstellung einer Legion französischer Freiwilliger (L[égion des] V[olontaires] F[rançais]) für den Einsatz im Rußland-Feldzug, der als "Kreuzzug gegen den Bolschewismus" verstanden wird.

[La grande croisade]

1942
April: Auf deutschen Druck wird Laval frei gelassen, kehrt ins Kabinett zurück und wird zum starken Mann der Regierung. Pétain verhandelt unterdessen heimlich mit den Alliierten über einen Waffenstillstand.
November: Der alliierten Landung in Nordafrika leistet das Vichy-Regime keinen ernsthaften Widerstand; daraufhin läßt Hitler, der eine Landung der Alliierten in Südfrankreich befürchtet, auch den restlichen Teil Frankreichs besetzen.

1943
Obwohl Pétain damit fast jeglichen politischen Einfluß verloren hat, planen die Briten und de Gaulle, ihn mit einer Luftlandeoperation aus Vichy zu entführen - tot oder lebendig. Das Vorhaben scheitert an der Bewachung durch die Einheiten Otto Skorzenys, der im selben Jahr ein ähnliches Unternehmen zur Befreiung des italienischen Duce Benito Mussolini am Gran Sasso durchgeführt hatte.

1944
21. April: Die Französinnen erhalten erstmals das Wahlrecht - das sie in der so genannten "Demokratie" nie hatten.
Am selben Tag sterben bei einem schweren Terrorbombardement der Alliierten auf die Pariser Innenstadt (vor allem auf das Künstlerviertel Montmartre, wo es weit und breit keine militärischen Ziele gibt) 600 Franzosen; die Zahl der Verletzten und Obdachlosen ist fünfstellig.


[Die Schäden werden später den "Befreiungskämpfen" um Paris gegen die Deutschen zugeschrieben - die es nie gegeben hat, da die letzteren Paris zur offenen Stadt erklären, um ihr weitere Zerstörungen zu ersparen.]
26. April: Pétain besucht zum letzten Mal Paris.
6. Juni: Die alliierte Invasion in der Normandie beginnt.


August: Die Vichy-Regierung wird nach Deutschland verlegt; sie residiert in Schloß Sigmaringen. Pétain verweigert fortan seine Mitarbeit (das Wort "collaboration" bekommt nach der "libération [Befreiung]" Frankreichs und dem Beginn der "épuration [Säuberung]" - nach stalinistischem Vorbild - einen lebensgefährlichen Beigeschmack); die neuen starken Männer der "Französischen Interessenvertretung" - vor allem Fernand de Brinon und der Ex-Kommunist Jacques Doriot - sind im Gegensatz zu Pétain überzeugte National-Sozialisten.

1945
April: Pétain kehrt nach Frankreich zurück, wo er sofort verhaftet und auf Betreiben de Gaulles vor einem Sondergericht wegen Collaboration und Hochverrats angeklagt wird. Der Prozeß folgt ähnlich rechtsstaatlichen Grundsätzen wie später die Nürnberger Prozesse. Die Geschworenen werden ausgelost; im Lostopf befinden sich - paritätisch - die Namen der 80 Abgeordneten, die am 10. Juli 1940 gegen Pétain gestimmt hatten (und sämtlich überlebt haben) und von 80 Untergrundkämpfern der kommunistischen "Résistance"; alle 160 haben sich zuvor auf die Verurteilung Pétains zum Tode festgelegt. Alle Feiglinge, die 1940 geflohen waren oder zur Kapitulation geraten hatten, sagen nunmehr aus, daß sie den Krieg bis zum Endsieg hätten fortsetzen wollen und daß Pétain den Waffenstillstand nur aus Eigennutz geschlossen habe, um mit dem Feind zu paktieren. Den wenigen Zeugen, die bereit sind, für Pétain auszusagen (u.a. Weygand) wird das Wort im Mund herum gedreht, und sie werden zu Belastungszeugen umfunktioniert.


15. August: Nach einer beispiellosen Hetzkampagne vor allem der Kommunisten gegen den "Hitleristen" Pétain wird dieser zum Tode verurteilt; de Gaulle wandelt das Todesurteil in lebenslängliche Haft um.
Pétain wird zunächst in Isolationshaft in Portalet eingekerkert.
November: Pétain wird auf die Zitadelle von Yeu verlegt (bis 1950 in Einzelhaft, danach todkrank im Lazarett). Er ist der älteste politische Gefangene der Welt.


1951
23. Juli: Henri Philippe Pétain stirbt auf Yeu und nimmt seinen Weltrekord (der noch immer Bestand hat und der ihm nach der Er"selbst"mordung des 93-jährigen Rudolf Hess anno 1987 im alliierten Militärgefängnis Spandau auch auf absehbare Zeit erhalten bleiben dürfte) mit ins Grab, das bis heute auf Yeu liegt und nicht frei zugänglich ist, um etwaigen Sympathie-Kundgebungen vorzubeugen.

[Pétains Grab]

Wieviel Angst vor "seinem" Volk muß ein Regime haben, das noch nach mehr als einem halben Jahrhundert staatlicher Lügen-Propaganda nicht sicher ist, das Andenken eines Menschen hinreichend in den Dreck gezogen zu haben?

* * * * *

1992
Der Pétain-Film von Jean Marbœuf kommt in die Kinos.


1993
Die Pétain-Biografie von Marc Ferro erscheint.


2005
August: Da in Europa sechs Jahrzehnte nach dem Untergang des "Dritten Reichs" und seiner Vasallenstaaten fast jeder Angst um seinen Arbeitsplatz haben muß, eine verfehlte Familienpolitik das Aussterben der weißen Europäer herbei zu führen droht und eine größenwahnsinnige Aufblähung bei gleichzeitiger Zentralisierung und Gleichschaltung der EU die ursprüngliche Idee eines "Europa der Vaterländer" ad absurdum führt, wagt es der sächsische Bundestags-Abgeordnete Henry Nitzsche (CDU) mit dem Slogan "Arbeit, Familie, Vaterland" in den Bundestags-Wahlkampf zu ziehen. Er ruft damit bei allen politisch-korrekten Gutmenschen einen Aufschrei der Empörung hervor - lediglich die Wähler sind auf seiner Seite (was indes in einer modernen "Demokratie" wie der BRDDR weniger zählt).

[Henry Nitzsche - Wahlkampfmotto 2005: Arbeit, Familie, Vaterland]

2006
24. April: Pétains Geburtstag jährt sich zum 150. Mal.
Die französische Regierung weigert sich nach wie vor, Pétain seinem letzten Wunsch entsprechend auf dem National-Friedhof von Douaumont für die 1916 bei Verdun Gefallenen beizusetzen. (Die offizielle - und nicht ganz von der Hand zu weisende - Begründung lautet, daß Pétain nicht bei Verdun gefallen ist. Den Ehrenplatz nimmt dort der im Oktober 1916 gefallene General Anselin ein.) Statt dessen beschließt sie, dort eine Gedenkstätte für gefallene Muslime einzurichten.
Dezember: Henry Nitzsche - seit Jahr und Tag als "Neonazi" verschrien - wird unter dem Druck der Medien genötigt, die CDU zu verlassen.

2008
Jean-Paul Cointet veröffentlicht "Expier Vichy. L'épuration en France 1943-1958".


*Die Frage stammt ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert. Nachdem die Polen 1733 den Deutschen Friedrich August von Sachsen zum König gewählt hatten, entfesselte Frankreich den "Polnischen Erbfolgekrieg", um statt dessen Stanislaus Leszcynski auf den Thron zu hieven. Dessen Truppen besetzten Danzig, das zu befreien sich Friedrich August mit Rußland verbündete. Frankreich schickte ein Expeditionskorps nach Danzig - es war das erste Mal, daß Franzosen gegen verbündete Deutsche und Russen Krieg führten. Die Parallele zu 1939 ist unübersehbar, zumal auch der Vorwand, Polen bzw. Danzig "helfen" zu wollen, auf ähnlich tönernen Füßen stand. Die Franzosen erlitten 1734 eine vernichtende Niederlage.
Im 21. Jahrhundert wurde die Frage umformuliert in: "Mourir pour l'Afghanistan [Für Afģanistān sterben]?"

**Entgegen nach dem Krieg verbreiteten Lügenmärchen waren die Umstände der Waffenstillstandsverhandlungen durchaus nicht "demütigend" für die beteiligten Franzosen, sondern entsprachen der Darstellung auf der Medaille. Hitler und seine Generäle erhoben sich beim Eintreten Pétains und seiner Delegation und grüßten militärisch. (Die Filmaufnahmen tauchten 2014 wieder auf und durften auch in Frankreich gezeigt werden.)
Zum Vergleich: Als Erhard Milch - einer von zwei jüdischen Feldmarschällen der Wehrmacht, wenn man Göring nicht mitzählt (der andere war Erich v. Manstein) - 1945 vor den Briten kapitulierte, entriß ihm der kommandierende Offizier - Brigadegeneral Derek Mills-Roberts - seinen Marschallstab und schlug ihn ihm so lange auf den Schädel, bis beide brachen. (Auch dies wurde gefilmt; allerdings dürfen die Aufnahmen in der BRDDR bis heute nicht gezeigt werden.) Milch wurde für dieses abscheuliche Kriegsverbrechen - Zerstörung der rechtmäßigen Beute eines Besatzungsoffiziers - in Nürnberg zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. (In dem anderen Anklagepunkt, für den Tod von Millionen Juden im Konzentrationslager Dachau verantwortlich zu sein, wurde er frei gesprochen, da sich trotz intensivster Bemühungen der Ankläger selbst unter Folter kein deutscher Kriegsgefangener fand, der etwas Diesbezügliches gestand, das man Milch hätte anhängen können.) Um keinen Martyrer zu schaffen, begnadigten die Alliierten Milch unter Berücksichtigung der schweren Kopfverletzung, die er sich bei seinem Kriegsverbrechen zugezogen hatte. Er wurde 1954 entlassen und vegetierte noch 18 Jahre vor sich hin. Der Marschallstab wurde geflickt und 1986 von Mills-Roberts' Erbin beim Londoner Auktionshaus Philips versteigert.


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