Muħammäd Amīn äl-Ħusäinī

(1893 - 1974)

[Mufti]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1893 [nach anderen Quellen: 1895, 1896 oder 1897]
Muħammäd Amīn äl-Ħusäinī wird in Jerusalem geboren.
Die seit Jahrhunderten zum Osmanischen Reich gehörende Provinz Syrien ist seit der Verwaltungsreform von 1867 aufgeteilt in das Vilâyet Halab [Aleppo], das Vilâyet Bairut, das Vilâyet Sam, den Sancak Akkon und das Mütessaryflyk Jerusalem. Amīns Vater ist Muftī* von Jerusalem - ein Amt, das im Clan der Ħusäinī de facto erblich ist.


1913
Amīn pilgert nach Mäkka.

1914
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs tritt Amīn als Artillerie-Offizier in die osmanische Armee ein.

1916
November: Amīn läßt sich nach Jerusalem beurlauben. Dort hilft er bei der Aufstellung anti-türkischer arabischer Verbände, die auf Seiten der Briten kämpfen.

1918
Nach dem Ersten Weltkrieg reißt sich Großbritannien die an seine Kolonie Ägypten grenzenden südwestlichen Teile des Osmanischen Reiches als "Palestine" [Palästina] (und die südöstlichen Teile - Mossul, Bagdad und Aleppo - als "Irak") unter den Nagel.


1919
Amīn nimmt am pan-syrischen Kongreß in Damaskus teil, wo sich Ämir Fäisal zum "König" von "Syrien" (in den Grenzen der ehemaligen römischen Provinz Syrien) ausruft.
Amīn gründet die "Arabische Vereinigung [äl-Nadi äl-Arabī]".

1920
April: Der "Völkerbund" sanktioniert die britische Besetzung mit einem "Mandat". In Jerusalem kommt es zu pogrom-artigen Judenverfolgungen durch die Araber. Amīn wird als einer der mutmaßlichen Drahtzieher durch ein britisches Militärgericht in absentia verurteilt; er flieht nach Damaskus.
Juli: Großbritannien überläßt Frankreich die Gebiete des heutigen Syrien und des heutigen Libanon und behält "nur" Palästina (und den "Irak").


Die Franzosen besetzen Syrien, machen Damaskus zum Sitz ihrer KolonialMandats-Verwaltung und vertreiben Fäisal; Amīn kehrt nach Jerusalem zurück und beschränkt sich zunächst auf den Kampf um ein rein arabisches, d.h. judenfreies, Palästina.

1921
Amīn wird vom neuen britischen Hochkommissar Samuel (einem offenbar besonders naïven Juden :-) unter Aufhebung des Militärgerichts-Urteils rehabilitiert und zum Muftī von Jerusalem ernannt.

1922
Juli: Die Briten teilen Palästina entlang des Jordans: Im Westen ("Palestine") lassen sie die Einwandung von Juden zu, die sich in anderen Ländern (vor allem Polen und der UdSSR) verfolgt fühlen und in ihrer (vermeintlichen**) biblischen Heimat einen eigenen Staat gründen wollen (so genannte "Zionisten"), im Osten ("Trans-Jordan[ien]") verbieten sie die Einwanderung von Juden.


1928
August: Amīn und syrische Nationalisten rufen gemeinsam zur "Wiedervereinigung" von Palästina und Syrien auf. Den Herrscher soll die Familie Ibn Sa'ūd stellen, die auf Amīns Drängen große Summen für die Vergoldung der Kuppel der Äl-Aqsa-Moschee in Jerusalem gespendet hat.
September: Am "Yom Kippur" kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden, Muslimen und britischer Polizei an der - im Araberviertel von Jerusalem gelegenen - "Klagemauer". Amīn verlangt von den Briten, jüdische Gottesdienste dortselbst zu verbieten.

1929
August: An der "Klagemauer" kommt es erneut zu gewaltsammen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Muslimen, die sich zu Judenverfolgungen durch Amīns Anhänger in ganz Palästina ausweiten. Sie werden von den Briten unterdrückt; gegen Amīn selber unternehmen sie jedoch vorerst nichts. Amīns Stellung wird geschwächt durch inner-arabische Machtkämpfe zwischen den einflußreichsten Familien-Clans, zu denen neben den Hussäinī vor allem die Nashashibi gehören.

1931
Amīn gründet den "Islamischen Welt-Kongreß (WIC)", dessen Präsident er wird.

1935
Amīn übernimmt den Vorsitz einer Pfadfindergruppe, die er unter dem Namen "äl-Jihā äl-Muqaddas" zu einer Terrorgruppe ausbaut.

1936
April: Amīn gelingt es, die divergierenden arabischen Gruppen zu einem "Arabischen Hochkomitee" zusammen zu schließen, dessen Vorsitz er übernimmt.
Mai: Amīn ruft die Araber zum Generalstreik und zur Steuerverweigerung auf, bis die Briten seiner Forderung nachgeben, die weitere Einwanderung von Juden nach Palästina sowie den Landerwerb von bereits ansässigen Juden dortselbst zu verbieten. Nach und nach schlägt die Aktion in eine offene Revolte der Araber gegen die britische KolonialMandats-Herrschaft um.

1937
September: Amīn wird von den Briten für abgesetzt erklärt und zur Fahndung ausgeschrieben.
Oktober: Amīn flieht in den Libanon, wo ihn die Franzosen - deren Interessen durchaus nicht mit denen der Briten überein stimmen - gewähren lassen. Er bleibt der geheime Führer des antibritischen Aufstands in Palästina.

1939
Die Briten geben den Widerstand gegen die Forderungen der Araber auf, verbieten den Landerwerb durch Juden in Palästina und beschränkten die jüdische Einwanderung auf jeweils 15.000 Personen für die folgenden fünf Jahre; für die Zeit danach wird sie gänzlich verboten. Der Aufstand wird daraufhin gegen den Willen Amīns - dem dieser Kompromiß nicht weit genug geht - eingestellt.
September: Nachdem Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hat, verbietet es die weitere Einwanderung deutscher Juden - die als "feindliche Ausländer angesehen werden - nach Palästina mit sofortiger Wirkung. Dennoch verkündet die jüdische "Irgun", die bis dahin ebenfalls im Aufstand gegen die Briten war, einen Waffenstillstand, um den Kampf der Briten gegen Deutschland und die Araber nicht zu behindern.
Oktober: Amīn flieht in den (seit 1932 formell unabhängigen) Irak.

1940
November: Churchill erteilt dem britischen Geheimdienst den Auftrag, Amīn zu ermorden. Zu diesem Zweck werden bis dahin als Terroristen im Gefängnis sitzende Mitglieder der "Irgun" auf freien Fuß gesetzt und in den Irak eingeschleust.

1941
April: Im Irak und in Syrien kommen anti-alliierte Regierungen an die Macht.
Mai: Die Briten reagieren mit Invasion und Einsetzung von Marionetten-Regimen. Amīn flieht in den Iran.
Oktober: Nach dem Überfall der Alliierten auf den Iran und dessen Besetzung flieht Amī nach Italien, wo er von Mussolini empfangen wird, der ihn nach Deutschland weiter reicht.
6. November: Amīn wird in Berlin vom stellvertretenden deutschen Außenminister Weizsäcker empfangen; in einer gemeinsamen Erklärung gestehen sie einander das Recht zu, die "Judenfrage" in ihrem nationalen Interesse zu lösen. Das Reich gibt seine - durch die britische Zuwanderungssperre ohnehin gegenstandslos gewordene - Politik, die Auswanderung der deutschen Juden nach Palästina zu fördern, damit sie dort ihren eigenen Staat gründen können, offiziell auf.
20. November: Amīn wird vom deutschen Außenminister Ribbentrop empfangen.
28. November: Amīn wird vom deutschen Reichskanzler Hitler empfangen und als "Großmufti von Jerusalem" mit der Propaganda gegen die britische Herrschaft in Nahost betraut. Hitler lehnt jedoch Amīns Vorschlag ab, einen "Heiligen Krieg [Jihād]" der Muslime gegen die Briten auszurufen.


Nicht mehr nachprüfbaren Gerüchten zufolge soll Amīn Hitler bei dieser Gelegenheit bewogen haben, die "Endlösung" der Judenfrage von "Aussiedlung" in "Tötung" zu ändern.***

1942
November: Amīn ruft die Muslime zum Jihād gegen die Juden auf.

1943/44
Amīn stellt aus muslimischen Freiwilligen - vornehmlich Bosniaken - SS-Einheiten zusammen, die im Partisanenkampf auf dem Balkan eingesetzt werden.

[Wiener Illustrierte]

1945
Nach der Kapitulation der Wehrmacht flieht Amīn in die Schweiz, die ihn nach Frankreich abschiebt, wo er interniert wird.

1946
Amīn flieht aus dem französischen Internierungslager nach Ägypten, wo ihm König Faruq politisches Asyl erhält. Der britische Geheimdienst betraut ihn im Hinblick auf die britischen Probleme in Palästina mit Juden, die dort einen eigenen Staat gründen wollen, mit anti-zionistischer Propaganda

1948
Nachdem Ben Gurion einen unabhängigen jüdischen Staat in Palästina ausgerufen hat, ruft Amīn einen unabhängigen palästinensischen Staat dortselbst aus. Ägypten, der 'Irāq, der Libanon, Sa'ūdi-Arabien, Syrien und der Yemen erkennen diesen Staat zwar an; sein Territorium wird jedoch in den nachfolgenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Staat Israel und dem Staat Jordanien (dessen König Palästina als Teil seines haschemitischen Reichs betrachtet und die "Westbank" einschließlich der Osthälfte Jerusalems mit Hilfe der - von den Briten aufgestellten - "Arabischen Legion" besetzen läßt) aufgeteilt.

1950
September: Faruq überläßt Amīn großzügig den "Gaza-Streifen", wo er eine "Regierung von Palästina" zusammen stellen darf.

1952
Juli: Faruq wird durch einen Militärputsch gestürzt, die Monarchie beseitigt.

1954
Nasser wird "Rais [Führer]" von Ägypten und läuft Amīn in der öffentlichen Meinung bald den Rang als Leitfigur der arabischen Welt ab.

1956
Oktober/November: Im Krieg um den Suez-Kanal besetzen israelische Truppen den Gaza-Streifen, müssen diesen jedoch auf Druck der USA und der UdSSR wieder räumen.

1959
Amīn verliert die Unterstützung Nassers. Er übersiedelt nach Bäyrūt, die Hauptstadt des Lybnån.

1967
Juni: Der Versuch der muslimischen Nachbarstaaten Israels, die Juden "ins Meer zu werfen", scheitert im sog. "Sechs-Tage-Krieg" kläglich.

1973
Oktober: Ein neuerlicher Versuch der muslimischen Nachbarstaaten Israels, die Juden "ins Meer zu werfen" (sog. "Yom-Kippur-Krieg"), mißlingt ebenfalls.

1974
4. Juli: Muhammäd Amīn äl-Hussäinī stirbt in Bairut. Die Regierung der BRD macht die schlechte Behandlung, die sie ihm ob seines Bündnisses mit Hitler hat angedeihen lassen, dadurch wieder gut, daß sie seinen Neffen Yāsir 'Arafāt, der sein Werk kongenial fortführt, zu ihrem liebsten Hätschelkind macht und in allen Belangen nach Kräften unterstützt.


*Der Muftī war oberster Richter einer Provinz. Entgegen weit verbreiteter Ansicht war kein Ħusäinī jemals "Großmufti" - das Amt des obersten Richters des Osmanischen Reiches stand nur Türken offen.

**Neuere Forschungen deuten darauf hin, daß die Heimat der Juden nach ihrem Auszug aus Ägypten zunächst nicht das heutige Israel, sondern der heutige Yämän war. Unbestritten ist allerdings, daß später auch in "Palästina" Juden lebten, bis die Römer sie im 2. Jhdt n.C. von dort vertrieben.

***Für diese These spricht die zeitliche Nähe zwischen dem Empfang Amīns durch Hitler im November 1941 und der Wannsee-Konferenz - auf der diese Änderung beschlossen wurde - im Januar 1942. Das sind jedoch lediglich Indizien; dagegen sind echte Beweise dünn gesät. Es gibt zwar auch eine - erfolterte - Aussage von Eichmanns Mitarbeiter Wisliceny bei den "Nürnberger Prozessen"; die ist indes schon deshalb wertlos, weil W. bei dem Empfang gar nicht dabei war. Jüdische Lobbyisten stützten sich jedoch noch 2014 bei ihrer Kampagne gegen Entwicklungshilfe-Zahlungen an islamische Regimes auf diese These.


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