Ğamāl 'Abd-äl-Nāsir

(15.01.1918 - 28.09.1970)

("ÄL RAIS")*

[Nasser]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1918
15. Januar: Ğamāl 'Abd-äl-Nāsir Ħusäin** wird als Sohn eines Postbeamten in Beni Marr geboren.
Ägypten - formell noch Bestandteil des Osmanischen Reichs - ist seit 1882 von britischen Truppen besetzt, die es 1914 zum "Protektorat" erklärt haben.


1919
Die Briten schlagen einen Aufstand der Ägypter - die sich den Kriegsausgang und die "Befreiung" von den Türken anders vorgestellt hatten - blutig nieder.

1922
Großbritannien erklärt Ägypten pro forma zum "unabhängigen Königreich" unter der Marionette Fuad I, hält das Land aber weiterhin besetzt.

1926
Ğamāls Familie zieht nach Alexandria, wo seine Mutter stirbt. Er besucht die Nahda-Schule.

1936
Faruq I wird König. Großbritannien schließt einen "Bündnisvertrag" mit Ägypten und zieht seine Besatzungtruppen in die Suez-Kanal-Zone zurück mit dem Versprechen, auch diese bis 1956 zu räumen.

1937
März: Ğamāl wird in die Militärakademie von Äl-Qāhira (Kairo) aufgenommen.


1939
Ğamāl wird zum Leutnant befördert. Er versieht zunächst Etappendienst in Assuan, dann in Alexandria.

1940
Ğamāl nimmt Kontakt zum italienischen Geheimdienst auf mit dem Ziel, Ägypten von der britischen Kolonialherrschaft zu befreien.
Der Plan scheitert an der Unfähigkeit der Italiener - und später der Deutschen -, denen es nicht gelingt, Ägypten zu erobern.


1942
Ğamāl wird nach Oberägypten ("Sudan") versetzt, wo er ebenfalls Etappendienst versieht.

1945
Bei Kriegsende ist Ğamāl nach nur acht Jahren Militärdienst Major, ohne je ein Schlachtfeld aus der Nähe gesehen zu haben.
In Kairo wird die "Arabische Liga" gegründet.

1948
Im arabisch-israelischen Krieg um Palästina erlebt Ğamāl seine Feuertaufe.

1952
26. Juli: Eine kleine Offiziersclique unter Ali Muhammad Nagib stürzt König Faruq, schafft die Monarchie ab und errichtet eine Militär-Diktatur.
Ğamāl - inzwischen Oberst - wird Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte.


1953
Nagib macht Ğamāl zum Innenminister.

1954
Nagib schließt mit Großbritannien ein Abkommen, wonach die Briten die Suez-Kanal-Zone binnen zwei Jahren räumen sollen - was auch tatsächlich geschieht.
November: Ğamāl putscht erfolgreich gegen Nagib und ernennt sich selber zum "Ministerpräsidenten". Er beginnt, die ägyptische Armee massiv mit Waffen aus dem Ostblock aufzurüsten.


1955
Auf einer Konferenz in Bandung (Jawa) gründet Ğamāl zusammen mit einigen der übelsten Politverbrecher des 20. Jahrhunderts (Soekarno, Tito, Nehru) den Block der so genannten "blockfreien" Staaten.


1956
Juni Ğamāl ernennt sich nach einer Scheinwahl zum "Präsidenten" von Ägypten.
Juli: Ğamāl nimmt die Weigerung der USA (Präsident Eisenhower), das unsinnige Prestigeprojekt "Bau eines neuen Assuan-Staudamms" zu finanzieren, zum Vorwand, die Suez-Kanal-Gesellschaft zu enteignen - nun zeigt sich die Kehrseite des leichtfertigen Truppenabzugs.


Oktober: Britische, französische und israelische Truppen greifen Ägypten an und besetzen die Suez-Kanal-Zone.
November: Auf sowjetischen Druck müssen Großbritannien, Frankreich und Israel ihre Truppen wieder abziehen, nachdem ihnen auch die USA in Verfolgung einer merkwürdigen Schaukelpolitik (gegen die gleichzeitige Besetzung Ungarns durch sowjetische Truppen unternehmen sie nichts) in den Rücken gefallen sind.
Ğamāl verweist alle Juden des Landes, was ihn ungeheuer populär macht.


Dezember: In die Suez-Kanal-Zone ziehen Blauhelme der UNO ein.
[Der Assuan-Staudamm wird schließlich mit finanzieller und technischer Hilfe der Sowjet-Union gebaut; seine Fertigstellung führt zu einer ökologischen und ökonomischen Katastrofe, da er den fruchtbaren Nilschlamm von den Feldern fern hält; die einstige Kornkammer Ägypten kann die schnell wachsende Bevölkerung bald nicht mehr aus eigener Kraft ernähren, zumal auch die von Ğamāl forcierten, "Bodenreform" genannten Enteignungen in der Landwirtschaft kontraproduktiv sind.]

1958
Ğamāl vereinigt Ägypten, Syrien und den Yemen zur "Vereinigten Arabischen Republik [VAR]". Der - inzwischen von den Briten in die Unabhängigkeit entlassene - Sudan verweigert den Anschluß.


1959
Ğamāl veröffentlicht seine "Filosofie der Revolution".

1961
September: Syrien verläßt die "Vereinigte Arabische Republik".

1962
Im Yemen beginnt ein Bürgerkrieg, an dem sich ägyptische Truppen nach Kräften beteiligen.

1965
Februar: Ğamāl empfängt den Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik, Genossen Walter Ulbricht, zum Staatsbesuch in Kairo.


Ägypten ist der erste Staat außerhalb des Ostblocks, der die "DDR" diplomatisch anerkennt.
(Ein schlechtes Geschäft, denn die BRD bricht daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Ägypten ab; und während die BRD ihr befreundete Regimes in der "Dritten Welt" mit reichlich Entwicklungshilfe zu überschütten pflegt, gibt es aus der "DDR" nichtmal Alu-Chips, sondern lediglich warme Worte und einen feuchten HundedreckHändedruck.)
Oktober: Ğamāl empfängt den argentinischen Revolutionär und Wahl-Kubaner h.c. Ernesto "Che" Guevara zum Staatsbesuch in Kairo. Da Ägypten kein Zuckerrohr und Kuba keine Baumwolle braucht, haben sie mit Zitronen gehandelt.


1966
August: Ğamāl läßt Sayyid Qutb, den Kopf der fundamentalistischen Muslim-Bruderschaft (die seit 1954 wiederholt erfolglose Mordanschläge auf ihn verübt hatte***) hinrichten und hält sich dadurch - und durch vorübergehende Zerschlagung jener Organisation - innenpolitisch den Rücken frei, um seine weit reichenden außenpolitischen Ziele in Angriff zu nehmen.


1967
Juni: Ğamāl zwingt die UN-Blauhelme zum Abzug, sperrt den Suez-Kanal und den Golf von Aqaba für israelische Schiffe und macht Anstalten, mit seinen arabischen Verbündeten über Israel herzufallen, das ihnen jedoch zuvor kommt und sie im "Sechstagekrieg" vernichtend schlägt; insbesondere die zahlenmäßig weit überlegenen ägyptischen Streitkräfte erweisen sich als taktisch und strategisch hoffnungslos unterlegen; die ägyptischen Soldaten sind unfähig, das technisch anspruchsvolle Kriegsmaterial aus dem Ostblock - moderne Panzer und Flugzeuge - richtig zu bedienen.
Ğamāl erklärt seinen Rücktritt als Staatspräsident, läßt sich jedoch nach tagelangen Demonstrationen der Bevölkerung Kairos - bei der er äußerst beliebt ist - zu einem Rücktritt vom Rücktritt herab.
Ägypten ist militärisch und wirtschaftlich ruiniert. Durch die Sperrung des Suez-Kanals entgehen dem Land erhebliche Einnahmen; die internationale Schiffahrt kehrt auf die Route um das "Kap der Guten Hoffnung" zurück, insbesondere mit dem Bau riesiger neuer Öltanker, die ohnehin nicht durch den Suez-Kanal passen würden. Ğamāl zieht die ägyptischen Truppen aus dem Yemen zurück; die "VAR" besteht seitdem nur noch aus Ägypten.

1969
Februar: Ğamāl empfängt den neuen Führer der Terror-Organisation P.L.O., Yāsir 'Arafāt.


1970
28. September: Ğamāl Abd-äl Nāsir stirbt in Kairo (offizielle Todesursache: zunächst "Herzversagen", später "Diabetes"). Er hinterläßt ein zerrüttetes Land, was indes seiner Beliebtheit - auch posthum - keinen Abbruch tut: Seinem Trauerzug folgen Millionen Einwohner Kairos, von denen sich mehrere tausend zu Tode trampeln; anschließend wird ihm ein Mausoleum errichtet.

[Grab]

1973
Oktober: Im "Yom-Kippur-Krieg" versucht Ğamāls Nachfolger Anwar äl-Sadat erneut, Israel "von der Landkarte zu tilgen"; trotz massiver Unterstützung der Araber durch die Sowjet-Union und obwohl die USA unter Präsident Nixon und Außenminister Kissinger Israel erneut in den Rücken fallen, mißlingt dies wiederum.


1978
September: Ägypten schließt Frieden mit Israel und wird dafür von der Arabischen Liga ausgeschlossen.
Im folgenden entzweien sich die arabischen Staaten mehr denn je; an eine "Union" ist nicht mehr zu denken.


*"Der Führer" - ein beliebter Titel, auch und gerade bei Sozialisten und Kommunisten. Auch Fidel Castro nannte sich "Máximo Lider".

**Das "Ğ" wird im Ägyptischen - anders als in anderen arabischen Sprachen - wie ein deutsches "G" gesprochen; die bisweilen anzutreffende Transkription als "J" ist also fehlerhaft. Der Artikel "äl-" wird dem nachfolgenden Konsonanten angepaßt, also hier als "än-" gesprochen.

***Bei seinem Nachfolger Anwar Äl-Sadat - der diejenigen Muslim-Brüder, die nicht hingerichtet, sondern nur eingesperrt worden waren, in einem Anfall von größenwahnsinnigem Leichtsinn begnadigte und wieder auf freien Fuß setzte - hatten sie mehr Erfolg :-)


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