1Urdu für "GröFaZ". Die im Westen - und neuerdings sogar in Pākistān - übliche Transskription "Quaid" ist irreführend (das "q" wird als dumpfes "k" gesprochen, nicht als "kv"), ebenso die bisweilen anzutreffende Schreibung "Q[u]aid-i-Azam" (die wohl daher rührt, daß die Briten das "e" fälschlich wie "i" ausgesprochen haben, was dann einige Nicht-Briten auch so geschrieben haben); das "ai" wird nicht als "aj" ausgesprochen, sondern als langes "ä". Dikigoros ist hier zugegebenermaßen inkonsequent, denn eigentlich schrieb sich Jinnā auf Indisch ohne Endungs-h; allerdings pflegte er sich, wenn er lateinische Buchstaben gebrauchte, mit "h" zu schreiben; und da Englisch seine Muttersprache war, schließt sich Dikigoros der außerhalb Indiens üblichen Schreibweise an. 2Jinnāh machte sich zu Schul- und Studienzeiten offenbar ein Jahr und zwei Monate älter, um keine altersbedingten Probleme mit den Prüfungszulassungen zu bekommen. 3In den staatlichen Geschichts- und Märchenbüchern werden als Grund für die "Royal Indian Navy Mutiny" läppische Erklärungen wie "schlechte Verpflegung" oder "arrogantes Verhalten der britischen Offiziere" genannt; marxistische Historiker[innen] wollen ihnen gar klassenkämpferische Ursachen zuschreiben. Den "Meuterern" wird ihre Tat schlecht gedankt: Trotz Zusicherung von Straffreiheit werden ihre Anführer verhaftet und bei Lebzeiten nie rehabilitiert; zu tief sitzt die Angst der indischen Politiker vor einer Verbrüderung von Hindus und Muslimen zum Kampf gegen ihre Herrscher. Jinnāh hat richtig kalkuliert: Das Ende der Meuterei hat die Entstehung Pākistāns gesichert. Die Führer des Congress haben dagegen die nie wieder kehrende Gelegenheit* verpaßt, den von ihnen angestrebten Gesamtstaat Indien zu schaffen. Im indischen Volk - das sich mangels flächendeckender Verbreitung von Massenmedien weniger leicht manipulieren läßt als in westlichen Staaten - werden und bleiben die Aufständischen ebenso Nationalhelden wie Bosh und die Angehörigen seiner N.I.A. Nach der Regierungsübernahme durch die Indische Volkspartei (B.J.P.) werden sie endlich rehabilitiert und sogar mit Denkmälern geehrt. 4Diese neuen Grenzen hätten fast nirgends mit den bestehenden Grenzen der traditionellen indischen Fürstentümer überein gestimmt. Insbesondere Nehrū, dessen Familie aus dem mehrheitlich muslimischen Kashmīr stammte, widersetzte sich diesem Plan. Problematisch waren aber auch das überwiegend muslimische Haidarābād, das mitten in Indien lag, und mehrere Regionen entlag des Ganges. Eine durchgehende Hindū-Mehrheit gab es nur in Südindien, wo Nehrū aber ebenfalls keine autonomen Bundesstaaten zulassen wollte, da er eine Sezession der Drawiden von den Nordindern fürchtete. Erst nach Nehrūs Tod kam es in Indien zur Bildung neuer Bundesstaaten entsprechend den Volks- und Sprachgrenzen. 5Die Emory-Universität in Atlanta/Georgia legte 2006 eine Untersuchung vor, wonach es sogar "15 Millionen" Opfer gewesen sein sollen. Dikigoros mißtraut solchen nachträglichen Berechnungen, die mal eben um ein paar Millionen nach oben oder unten von früheren Zählungen abweichen, will sie aber seinen Lesern nicht vorenthalten. Er persönlich hält es für möglich, daß - ähnlich wie bei den sowjetischen Statistiken über "20 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg" - die Millionen Opfer der voraus gegangenen Hungersnot mitgezählt wurden, um die letztere zu verharmlosen und schließlich ganz aus den amtlichen Geschichtsbüchern zu streichen. 6Man hat oft über die Gründe für Jinnāhs starre Haltung in diesem Punkt spekuliert. Einer davon könnte sein, daß in seinem Hinterkopf noch immer der Gedanke an ein so genanntes "Muģālistān" schlummerte, d.h. einen ungeteilten islamischen Staat in Indien, mit dem Ganges-Tal - in dem durchgehend Hindī, also Urdu, gesprochen wird - als Verbindung zwischen West- und Ost-Pakistan. Die beiden Staatshälften waren im übrigen ethnisch und sprachlich nicht weniger heterogen als West-Pakistan in sich, dessen Bevölkerung sich bei einer wirklich freien Abstimmung wohl für eine Teilung in mindestens fünf Staaten aussprechen würde: ein wiedervereinigtes und unabhängiges Kashmīr, ein wiedervereinigtes und unabhängiges Bälutschistān, einen wiedervereinigten und unabhängigen Panjāb, einen Sindh, der sich Rājāsthān anschließen würde, und einen mit seinen Brüdern in Afģānistān wiedervereinigten Staat der Pathānen. (Die Pathānen - nach ihrer Sprache auch "Paschtunen" genannt; "Afģānen" ist eine iranische Fremdbezeichnung - stellen den größten Teil der so genannten "Tālibän"; da sich ihr Siedlungsgebiet beiderseits der künstlichen Grenze erstreckt, ist diese von Außenstehenden praktisch nicht zu kontrollieren.)*
7Die bekanntesten Beispiele sind Nehrūs Tochter Indirā Gāndhī und ihre Schwiegertochter Sonia in Bhārat, Sirimāwo Bhãdārnāyke und ihre Tochter Chandrika Bhãdārnāyke-Kumaratunga in Shrī Lankā, Mujibur Rahmāns Tochter Hasina Wajed in Bãglādesh sowie Zulfikar Alī Bhuttos Tochter Benazir in Pākistān. 8Lee bezeichnete dies als die beste Rolle seines Lebens - wohl zu Recht; Dikigoros hätte dem Streifen auch ein Kapitel in seiner Filmsammlung "Die [un]schöne Welt der Illusionen" gewidmet, wenn Lee nicht schon auf "Dracula" (für einige Kinogänger vielleicht auch auf James Bonds Gegenspieler "Scaramanga" :-) geprägt wäre. Aber dann hätte er diese Seite über Jinnāh wahrscheinlich nie geschrieben, und das wäre schade, denn sie hat sich ganz überraschend zu einer der meist gelesenen in der Kategorie "Lebensläufe" entwickelt. (Dabei ist sie eigentlich gar nichts besonderes; aber es gibt halt sonst kaum deutschsprachige Webseiten über den Staatsgründer Pākistāns, und sie wird - wohl auch wegen der umfangreichen Bebilderung - auf einigen Suchmaschinen ganz oben geführt) Der Film ist originell und geschickt gemacht - der verstorbene Jinnāh kehrt in Begleitung seines moslemischen Schutzengels auf die Erde zurück, um seinen eigenen Lebensweg zu verfolgen und aus der Retroperspektive zu kommentieren -, aber nicht frei von historischen Ungenauigkeiten, um es vorsichtig auszudrücken. Dennoch - oder gerade deshalb - entwickelte er sich vor allem in islamischen Ländern an den Kinokassen zum Renner. 9Zu allem Überfluß ist Sādiq Khān ein radikaler Fundamentalist, der mehr als nur lockere Kontakte zur islamischen Terrorszene hat; diese [Aus-]Richtung wird jedoch offenbar von der überwältigenden Mehrheit der in England lebenden Muslime geteilt (ähnlich wie in Belgien, Frankreich und der BRDDR). Die Masseneinwanderung ist übrigens keine "Retourkutsche", denn Indien war für die Briten nie eine Kolonie in dem Sinne, daß sich eine größere Zahl von ihnen dort angesiedelt hätte. Sie stellten überwiegend Offiziere, Richter, Verwaltungsbeamte und Geschäftsleute in zeitlich begrenzter Mission und machten nie auch nur 1 Promille der indischen Bevölkerung aus. Umgekehrt machen Muslime aus Pākistān in den Grenzen von 1947 - also incl. Ost-Bengalens - 2016 bereits rund 10% der Bevölkerung Englands aus - Tendenz rapide steigend. Sie haben eigene Stadtviertel ("No-go-zones"), die Nicht-Muslime nur unter Lebensgefahr betreten können, mit eigenen Gesetzen, deren Einhaltung von einer Shari'ah-Polizei und eigenen Shari'ah-Gerichten überwacht wird. (Auf Akohol trinken, Rauchen, unziemliche Kleidung - z.B. hochhackige Schuhe - u.a. schwere Verbrechen steht die Todesstrafe durch Steinigung. Jinnāh und seine Frau hätten also nicht lange überlebt :-)
*vgl. Anhang. weiter zu Amānållāh Ķhān zurück zu Politiker des 20. Jahrhunderts heim zu Von der Wiege bis zur Bahre |