1)Das Todesdatum ist umstritten. Dikigoros schreibt darüber an anderer Stelle.
2)Dikigoros hat sich nach langem Zögern - und nicht ohne "Bauchschmerzen" - für die Hindī-Schreibweise entschieden, aus der Überlegung, daß B. letztlich kein nur bengalischer, sondern vielmehr ein gesamt-indischer Nationalheld war und ist (zumal nach der zunehmenden Demontage Gāndhīs und des Nehrū-Clans sowie dem allmählichen Vergessen Sawarkaras, an dem wohl auch der neue Regierungschef Modi - ein großer Fan des letzteren - nicht mehr viel wird ändern können). Er schrieb sich auf Englisch "Subhas Chandra Bose" und auf Bengalisch "Sūbhash Chåndr Våshū", wobei das "v" wie im Spanischen, also zum "b" hin gesprochen wird, das "å" wie ein offenes/dunkles "o" [während das Hindī-"ō" geschlossen/hell ist] und das Endungs-ū - trotz seiner theoretischen Länge - ähnlich wie das kurze Endungs-"a" im Hindī und das "schwa" im Deutschen halb verschluckt wird.
Kurioserweise erscheint sein Vorname ("der schön Redende", ein Name, den vor allem Politiker und Anwälte Söhnen, die sie in ihre Fußstapfen treten sehen wollten, gerne gaben :-) bei zweisprachigen indischen Münzen auf Hindī als "Subhāś" [gesprochen "ßu-bhaasch"], aber auf Englisch als "Subhas".
3)Nach der Teilung Bengalens 1905 wurde Katak Hauptstadt von Urīsā (engl. "Orissa", heute "Aurishā" geschrieben). Mit der von Vizekönig Lord Curzon verfügten - an sich durchaus vernünftigen - Teilung des einst größten und [nicht nur bevölkerungs-]reichsten Landes auf dem indischen Subkontinent machten sich die Briten die "echten", überwiegend muslimischen Bengalen nachhaltig zu Feinden. [Die Kritik an der Teilung war allerdings in sich widersprüchlich: Die Westbengalen beklagten den Verlust ihrer überwiegend von Hindūs bewohnten Vasallen-Provinzen, während die Ostbengalen den Verlust ihrer Mehrheit durch die Zusammenlegung mit Asām beklagten.]
Nach vehementen, z.T. gewalttätigen Protesten trat Lord Curzon entnervt zurück; unter seinem Nachfolger, Lord Minto, wurde die Teilung zwar 1912 rückgängig gemacht, aber dafür wurde die indische Hauptstadt 1911 von Kålkattā nach Neu-Delhi verlegt, was den Stolz der Bengalen fast noch mehr kränkte. An ihrer feindseligen Haltung gegenüber den britischen Kolonialherren sollte sich fortan nichts mehr ändern, auch und erst recht nicht durch die Unabhängigkeit 1947, die Bengalen besonders hart traf und deren Nachwirkungen bis heute andauern. Bei keinem anderen Volk der Welt sind die Briten so verhaßt wie bei den [Ost- und West-]Bengalen.
4)Der "Indian Civil Service" (auch als "Imperial Civil Service" verstanden) stellte ca. 1.000 höhere Beamte für den Verwaltungsdienst in Indien. Nach bestandener Aufnahmeprüfung absolvierten die Anwärter eine zweijährige Ausbildung in indischen Sprachen sowie in britischem und indischem (Straf-, Steuer- und Verwaltungs-)Recht in Oxford, Cambridge und/oder London. Wie es den Briten mit diesen - und ebenso wenigenvielen Offizieren der Streitkräfte - gelang, einen Raum, in dem bereits im 19. Jahrhundert eine neunstellige Anzahl Menschen lebte, zu beherrschen, ist für Dikigoros eines der größten Rätsel der neueren Geschichte, zumal die unteren Chargen durchweg - und die mittleren Chargen zunehmend - aus "eingeborenen" Indern bestanden, weil immer weniger Briten bereit waren, gegen relativ schlechte Bezahlung einen anstrengenden Dienst in einem klimatisch ungesunden Land zu leisten. [Lediglich jenen oberen Tausend wurde er durch gewisse Privilegien versüßt - aber keineswegs erleichtert.] Nach dem Ersten Weltkrieg öffneten die Briten auch den höheren Dienst für Inder, deren Anteil von gut 5% bis zur Unabhängigkeit 1947 auf ein knappes Drittel anstieg. Die meisten waren Bengalen.
5)Verschiedentlich wird - vor allem von Sikhs - behauptet, daß Bōs unter dem Eindruck der von anti-britischen Propagandisten zum "Amritsar-Massaker" aufgebauschten Ereignisse vom April 1919 - über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt - an den Briten irre wurde und deshalb nicht mehr bereit war, für sie zu arbeiten; aber das ist völlig abwegig, da er erst im November 1919 in den I.C.S.-Vorbereitungsdienst eintrat.
6)Eine authentische Ausgabe jenes Buches ist heute nicht mehr aufzutreiben, ebensowenig ein Original-Exemplar des 2. Bandes ("The Indian Struggle 1934-42"). Die Jahrzehnte nach dem Krieg erschienene Gesamtausgabe wurde von Bōsas Großneffen Sisir und Sugata zensiert geglättet "überarbeitet".
7)Diese Heirat war so "geheim", daß darüber weder standesamtliche noch kirchliche Unterlagen existieren. Da auch kein Hindū-Geistlicher vor Ort war, ist wohl anzunehmen, daß es sich in Wahrheit um eine nicht-eheliche Beziehung handelte. Abwegig ist dagegen die These, daß Bōs und Schenkl ihre Eheschließung unter Druck der deutschen (!) "Nazi"-Behörden nicht registrieren lassen konnten oder wollten, weil es sich nach den "Nürnberger Gesetzen" um "Rassenschande" handelte. Aber 1. hielten sie sich nicht im Deutschen Reich auf, sondern in Österreich (dessen Wiedervereinigung mit"Anschluß" an Deutschland erst 1938 erfolgen sollte), 2. waren die "Nürnberger Gesetze" noch gar nicht verabschiedet, 3. handelte es sich nicht um "Rassengesetze", sondern um Religionsgesetze, die in ihren Bestimmungen hinsichtlich der Eheschließung vor allem als Gegenstück zu dem jüdische Verbot, Angehörige anderer Religionen zu heiraten, gedacht waren, und 4. hätte man auch im "Dritten Reich" höherkastige Inder ohne weiteres als "Arier" bzw. "Artverwandte" eingestuft. Bōs war ein Kāyasth, d.h. kastenmäßig zwischen den Brahmanen und den Kshatriyen angesiedelt. Diese Jāti zählt bis heute weniger als 1 Million Angehörige - also weniger als 1 Promille der Bevölkerung - und ist entsprechend elitär. Ursprünglich Schreiber am Hofe der Gupten, stiegen sie später zu Schriftgelehrten, und von Gerichtsschreibern zu Anwälten und Richtern auf. (Entgegen außerhalb Indiens weit verbreiteter Auffassung ist ein kastenmäßiger Aufstieg durchaus möglich - allerdings nur im Rahmen der ganzen Jāti.) Sowohl die Familie Bōs als auch die Familie Datt gehören zum bengalischen Uradel, der mehrere tausend Jahre zurück reicht und auch nach der Eroberung Bengalens durch die Muslime seine Hindū-Religion bewahrte. Im übrigen war Bōs für indische Verhältnisse ausgesprochen hellhäutig, sah also auch aus wie ein "Arya". (Seine Flucht aus Britisch-Indien gelang ihm mit den falschen Papieren eines italienischen Grafen, als der er ohne weiteres durchgehen konnte :-)
8)Es handelt sich um eine deutlich marxistisch gefärbte Partei, auch wenn ihre Anhänger das bestritten und bestreiten. Sie existiert - nach Neugründung, zahlreichen Richtungskämpfen und Abspaltungen - noch immer, führt allerdings eine bloße Randexistenz und gerät nur gelegentlich in die Schlagzeilen, wenn es wieder einmal um die Frage geht, ob Bōs bei dem ominösen Flugzeugabsturz im August 1945 ums Leben kam oder nicht oder doch - sie vertritt seit je her den Standpunkt, daß nicht.
9)Es hat nicht an Versuchen britischer "Historiker" gefehlt, ihre KrallenHände in Unschuld zu waschen. Indes ist keines ihrer Argumente - die z.T. in Widerspruch zueinander stehen - stichhaltig. Die häufigsten sind:
1. Durch Mißernten verursachte Hungersnöte kamen in Indien und speziell in Bengalen immer mal wieder vor; es war also reiner Zufall.
Aber die Ernteerträge in Indien und speziell in Bengalen waren 1943 sogar höher als im Durchschnitt der vorauf gegangenen Jahre - daran kann es also nicht gelegen haben.
2. Bose war schuld, denn seine Truppen und die mit ihm verbündeten Japaner hatten Burma besetzt, die "Kornkammer" Indiens, aus der Bengalen für gewöhnlich beliefert wurde; diese Lieferungen fielen nun weg.
Aber Bōs hatte - mit japanischer Einwilligung - angeboten, Bengalen mit der gleichen Menge Getreide zu beliefern wie dies vor dem Krieg geschah. Dies lehnten die Briten freilich ab, weil es Bōs in Indien nur noch populärer gemacht hätte als er ohnehin schon war, und weil sie eine möglichst große Anzahl Inder - vor allem Bengalen, die als besonders renitent galten - sterben sehen wollten.
3. Es gab gar keine "Hungersnot". Beweis: Es verhungerten nicht so sehr die Bauern als vielmehr die Handwerker in den Städten, weil die meisten Leute wegen der allgemeinen Teuerung ihr ganzes Geld für - durchaus vorhandene - Lebensmittel ausgaben, aber an allem Anderen sparten. Die Toten starben also nicht an Hunger, sondern vielmehr an Armut.
Aber 1. war die Teuerung nicht so schlimm wie bei vielen anderen Gelegenheiten, 2. hatten und haben Handwerker u.a. Dienstleistende in Indien bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten traditionell Kredit bei WucherernGeldverleihern, und 3. war eben auch die Teuerung auf die Geldpolitik der Briten zurück zu führen.
10)In den staatlichen Geschichts- und Märchenbüchern werden als Grund für die "Royal Indian Navy Mutiny" läppische Erklärungen wie "schlechte Verpflegung" oder "arrogantes Verhalten der britischen Offiziere" genannt; marxistische Historiker[innen] wollen ihnen gar klassenkämpferische Ursachen zuschreiben. Den "Meuterern" wird ihre Tat schlecht gedankt: Trotz Zusicherung von Straffreiheit werden ihre Anführer verhaftet und bei Lebzeiten nie rehabilitiert; zu tief sitzt die Angst der indischen Politiker vor einer Verbrüderung von Hindus und Muslimen zum Kampf gegen ihre Herrscher. Die Führer des Congress haben die nie wieder kehrende Gelegenheit verpaßt, den von ihnen angestrebten Gesamtstaat Indien zu schaffen. Im indischen Volk - das sich mangels flächendeckender Verbreitung von Massenmedien weniger leicht manipulieren läßt als die Untertanen westlicher Staaten - werden und bleiben die Aufständischen ebenso Nationalhelden wie Bōs und die Angehörigen seiner I.N.A. Nach der Regierungsübernahme durch die Indische Volkspartei (B.J.P.) werden sie endlich auch offiziell rehabilitiert.
11)Die Emory-Universität in Atlanta/Georgia legte 2006 eine Untersuchung vor, wonach es sogar "15 Millionen" Opfer gewesen sein sollen. Dikigoros mißtraut solchen nachträglichen Berechnungen, die mal eben um ein paar Millionen nach oben oder unten von früheren Zählungen abweichen, will sie aber seinen Lesern nicht vorenthalten. Er persönlich hält es für möglich, daß - ähnlich wie bei den sowjetischen Statistiken über "20 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg" - die Millionen Opfer der voraus gegangenen Hungersnot mitgezählt wurden, um die letztere zu verharmlosen und schließlich ganz aus den amtlichen Geschichtsbüchern zu streichen.
12)Ein unglaublicher Vorgang. In einer westlichen Demokratie, wie der BRDDR, oder in einer Obamacracy, wie den Vereiniggerten Staaten von Amerika, hätte ein solcher Untersuchungs-Bericht selbstverständlich zu dem von der Regierung gewünschten Ergebnis geführt - andernfalls hätte er gar nicht veröffentlicht, geschweige denn öffentlich diskutiert werden dürfen, sondern wäre neu in Auftrag gegeben worden - so lange, bis das politisch gewünschte Ergebnis "wissenschaftlich bewiesen" gewesen wäre. In der Sache lassen sich keine sicheren Feststellungen mehr treffen. Die Person, die nach dem Absturz offiziell als Bōs "identifiziert" wurde, hatte Verbrennungen erlitten, durch die sie praktisch unkenntlich geworden war. Der japanische Stabsarzt, unter dessen Händen sie starb, kannte Bōs nicht; da er aber nur Japanisch sprach und die verletzte Person nicht, zog er nach eigener Aussage einen Dolmetscher hinzu, den er ebenso wenig kannte und der später "verschollen" blieb. (Der Stabsarzt konnte sich angeblich nicht mehr an dessen Namen erinnern.) Nach Aussage des Stabsarztes behauptete dieser Unbekannte, schon einmal für Bōs gedolmetscht zu haben und ihn an seiner Stimme wieder zu erkennen. Ein solcher "Beweis" würde vor keinem ordentlichen Gericht der Welt stand halten. Auch an der Asche in der Tempelurne lassen sich keine gentechnischen Untersuchungen mehr mit Aussicht auf Erfolg vornehmen; das Rätsel wird also ungelöst bleiben.
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