Zulfikār Alī Bhutto1

["Qaid-e-awam"2]

(5.01.1928 - 4.04.1979)

[Bhutto 1971]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

[Flagge der volksdemokratischen Partei Pakistans]

1928
05. Januar: Zulfikār Alī Bhutto wird als dritter und jüngster Sohn der Eheleute Nawaz und Khurshīd Bhutto in Lārkānā (Sindh) geboren.
Sein Vater ist Diwān (Staatsminister) des Duodezfürsten von Junāgadh; seine Mutter ist eine anläßlich ihrer Heirat vom Hinduïsmus zum Islām konvertierte Gujrātī.


1930
Angesichts der im ganzen Land erstarkenden Unabhängigkeitsbewegungen ("Indische National-Congress" [INC], "All-indische Mulim-Liga" [AIML]), angeführt von in England ausgebildeten Rechtsanwälten wie Nehrū Jinnāh und Gāndhī veranstalten die britischen Kolonialherren in London eine "Round-table-Konferenz", bei der freilich nicht viel heraus kommt.

1933
Rahmat Alī erfindet das Schlagwort "Pākistān [Land der Reinen]" (später mühsam erklärt als Zusammensetzung der Anfangsbuchstaben der Provinzen, aus denen es zusammen gesetzt ist) - ein Konzept, von dem das kindliche Gemüt des jungen Bhutto schwer beeindruckt wird.

ab 1934
Bhutto besucht in Bombay zunächst eine englischsprachige Grundschule, dann das St. Xavier's College.

1939
September: Großbritannien nimmt den Beginn des Polenfeldzugs zum Vorwand Anlaß, dem Deutschen Reich den Krieg zu erklären, der sich in den folgenden Jahren durch den Eintritt der USA und Japans zum Zweiten Weltkrieg ausweitet.
Während die Muslim-Liga unter Jinnāh die Briten unterstützt, nehmen führende Politiker des Congress dies zum Anlaß, die Briten zum Verlassen des Landes aufzufordern ("Quit India!").
Die Briten reagieren mit einer Auflösung der Congress-Verwaltung; während sein Führer Nehrū verhaftet wird, kann sein Stellvertreter und Nachfolger, der Bengale Subhas Chandr Bosh [im Westen auch "Bose"], ins Ausland fliehen.

1942/43
Japanische Truppen erobern - mit Unterstützung einer von Bosh aufgestellten "Indischen National-Armee" [I.N.A.] - den Ostteil von Britisch-Indien (Barmā, heute "Myānmār").
Die Briten reagieren mit verstärkter Ausplünderung Indiens. Bei einer Hungersnot, die nur mit der zu vergleichen ist, die zehn Jahre zuvor ihr Verbündeter Stalin in der Ukraïne künstlich herbei gefüht hat, sterben mehrere Millionen Inder.
Bhutto wird - wie das im indischen Raum auch bei nicht-hindūuistischen Familien üblich ist - mit seiner Cousine Shirīn Amīr verheiratet. (Die Ehe bleibt kinderlos.)

1944
Wiederholte Verhandlungen zwischen Jinnāh und Gāndhī über eine Teilung oder Nichtteilung Indiens scheitern.

1945
August: Nach dem Abwurf zweier US-amerikanischer Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki endet der Zweite Weltkrieg. Bosh wird von den Briten ermordetverunfallt, die gar nicht daran denken, Indien in die Unabhängigkeit zu entlassen.

1946
Februar: Nachdem die Briten versucht haben, die 11.000 gefangen genommenen Angehörigen der I.N.A. pauschal zu "Kriegsverbrechern" zu stempeln und ihren höheren Offizieren vor einem Tribunal in Delhi den Schauprozeß zu machen - als Probelauf für Nürnberg und die Behandlung der Waffen-SS -, meutern die Besatzungen aller Flotteneinheiten in Britisch-Indien, ausgehend von Bombay, Kārāchī und Kalkattā, geschlossen und erklären sich zur "I.N.N. [Indischen National-Marine]". Binnen weniger Tage greift die Meuterei auf die Luftwaffe und die Polizei in ganz Indien über, ferner auf Armeeeinheiten in Punä und Madrās; in den größeren Städten brechen Generalstreiks aus. Das Andenken des toten Bosh bewirkt, was alle Politiker Indiens zusammen in Jahrzehnten nicht vermocht hatten: die spontane Verbrüderung der Inder über alle Religionsgrenzen hinweg. Auf den meuternden Schiffen werden die Flaggen der Muslim-Liga und des Congress neben einander aufgezogen.
Die Briten begreifen urplötzlich, daß sie die Herrschaft über Indien nicht länger behaupten können und bitten die Führer der Muslim-Liga und des Congress, den nationalen Aufstand zu beenden, unter Zusicherung der Unabhängigkeit noch im selben Jahr. Jinnāh und Patel bewegen daraufhin die Anführer der Meuterei und der Streiks zum Einlenken.3
Mai: Die Briten legen ein Plan vor, nach dem Indien ungeteilt in die Unabhängigkeit entlassen werden soll, mit mehr oder weniger "autonomen" Bundesstaaten ("Provinzen"), deren Grenzen nach der Religionszugehörigkeit der Bevölkerungsmehrheit gezogen werden.4 Jinnāhs Muslim-Liga akzeptiert den Plan, der Congress lehnt ihn ab.
Juni: Die Briten legen eine neuen Plan vor, nach dem die indischen Fürstentümer entscheiden können, ob sie unabhängig werden oder sich einem hinduistischen oder muslimischen Bundesstaat ("Dominion") anschließen wollen. Auch dieser Plan wird von Jinnāhs Muslim-Liga akzeptiert, aber vom Congress ablehnt, der nun den Mai-Plan befürwortet, allerdings unter Ablehnung einer Neuziehung der Provinzgrenzen nach Religionszugehörigkeit. Als die Briten dies akzeptieren, kommt es zum Bruch mit Jinnāh, der im
August zu "Aktionen" gegen die Briten aufruft, die in Mord und Totschlag ausarten. (Die Opfer sind überwiegend Hindūs.)
Dezember: Auf einer Konferenz in London akzeptieren Muslim-Liga und Congress eine Teilung Indiens mitten durch die beiden reichsten - und gemischt besiedelten - Provinzen, Panjāb und Bengalen.


1947
14./15. August: Großbritannien gibt seine Herrschaft über Indien auf. Das hindūistische Bhārat und das muslimische Pākistān (die beide als "Dominions" dem "British Commonwealth of Nations" beitreten) sowie das ebenfalls muslimische Bälutschistān werden unabhängig. (Die buddhistischen Länder Nepāl, Bhūtān und Shrī Lankā werden erst später unabhängig.)
Jinnāh wird "General-Gouverneur" des in "West-Pakistan" (entlang des Sindh) und "Ost-Pakistan" (Bengalen) geteilten Muslim-Staates.
(Das Verhältnis zwischen beiden Staatshälften ist von Anfang an gespannt, zumal Jinnāh aus unerfindlichen Gründen darauf besteht, Urdu - das er selber nur bruchstückhaft beherrscht - zur alleinigen Verwaltungssprache zu machen und die alte Kultursprache Bãgalī hintan zu setzen.)
Unmittelbar nach Ausrufung der Unabhängigkeit beginnt ein mörderischer Bürgerkrieg zwischen Hindus und Muslimen in allen gemischt besiedelten Gebieten, vor allem im Panjāb und in Bengalen. Beide Provinzen werden nachhaltig ruiniert - Bengalen auf Dauer, der westliche Teil des Panjāb für mehrere Jahrzehnte (der östliche erholt sich etwas früher). In weniger als zwei Monaten werden ca. 11 Millionen Menschen vertrieben oder ermordet.5


Dezember: Pākistān und Bhārat beginnen einen ersten Bruderkrieg, der - vor allem in der Wahrnehmung des Auslands - um Kashmīr geführt wird.
Tatsächlich geht es aber auch um Junāgadh, das Bhuttos Vater vergeblich Pākistān zuzuschlagen versucht - Nehrūs Bataillone sind stärker.
(Nehrū legte Wert auf die Feststellung, daß es nicht daran lag, sondern vielmehr am Ausgang einer so genannten "Volksabstimmung" - die freilich erst statt fand, nachdem die meisten Muslime - auch Familie Bhutto - bereits mit den Fußen abgestimmt hatten, d.h. nach Pākistān geflohen emigriert waren.)

1947-1950
Bhutto studiert in Kalifornien Politologie, zunächst an der Universität von Südkalifornien, dann an der Universität Berkeley, wo er den Grad eines Bachelor of Arts (B.A.) erwirbt und sich gründlich mit marxistischem Gedankengut infiziert.
(In Europa und Asien galt Berkeley lange als "Elite-Universität", die erst Mitte der 1960er Jahre zu einer Brutstätte dessen mutierte, was im Rückblick etwas ungenau als "'68er"-Bewegung bezeichnet wurde. Aber diese Entwicklung setzte bereits viel früher ein, einhergehend mit einem drastischen Verfall des akademischen Niveaus. Wie niedrig die Anforderungen schon damals gewesen sein müssen, erkennt man auch daran, daß Bhutto - der weder besonders intelligent noch besonders fleißig war - sein Studium mit Auszeichnung abschloß.)

1950-53
Bhutto studiert Jura und Politologie in Oxford und wird zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.

1951
Bhutto nimmt sich nicht etwa eine Zweitfrau, sondern läßt sich von seiner Cousine scheiden (das kann auch nur einem Murxisten einfallen - ein guter Muslim täte das nicht!) und heiratet die Iranerin Nusrāt Isfahanī - nicht etwa eine Balūchī, sondern eine Kurdin, deren Familie freilich schon seit einiger Zeit in Britisch-Indien ansässig war. (Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor, die alle englischsprachig aufwachsen.)

1958
Bhutto kehrt - zehn Jahre nach Jinnāhs Tod - nach Pākistān zurück und wird Handelsminister unter Präsident Iskandar Mirza.
Oktober: Das Militär unter General Ayub Khan übernimmt die Macht.
Entgegen späteren Darstellungen handelte es sich nicht um einen "Putsch"; vielmehr hatte Mirza das Militär selber gerufen, um der Unruhen im Lande Herr zu werden. Bhutto bleibt im Amt.

1960
Bhutto wird Industrieminister.

1961
Bhutto handelt ein Wirtschaftsabkommen mit der Sowjet-Union aus.

1963
Bhutto wird Außenminister. Als solcher versucht er, "neutral" zwischen Ost und West zu lavieren.
Seine Entscheidung, sich der Volksrepublik China anzunähern, bringt Pākistān in ein Dilemma, als es

1964
zum Bruch zwischen der UdSSR und der VRC kommt. Bhutto entscheidet sich für letztere, Bhārat für erstere.

1965
Auf Bhuttos Drängen beginnt Ayub Khan einen zweiten Krieg zwischen Bhārat und Pākistān um Kashmīr und Junāgadh.

1966
Entgegen Bhuttos Erwartungen leistet ihm die VRC - die gerade mit ihrer "Kultur-Revolution" beschäftigt ist - keine wirksame Hilfe, während sich die UdSSR unter kräftigem Säbelrasseln einmischt und den Frieden von Taschkent erzwingt vermittelt, mit einer Rückkehr zum status quo ante bellum.
Bhutto - der nicht wahr haben will, daß Pākistān keine Chance hatte, den Krieg mit Aussicht auf Erfolg weiter zu führen - bricht mit Ayub Khan, dem er "Verzichtspolitik" vorwirft, und scheidet aus der Regierung aus.

1967
November: Bhutto gründet die PPP (Pākistānische Pöbel-Volks-Partei), eine marxistische Organisation, die im Rückblick von Gleichgesinnten im Westen gerne als "sozial-demokratisch" bezeichnet wird, und läßt sich zu ihrem Vorsitzenden wählen.
(Den wirtschaftlichen Einbruch infolge des Krieges gegen den großen Bruder Nachbarn lastet er unter Verdrehung der Tatsachen "dem Kapitalismus" an und schlachtet ihn für seine Partei-Propaganda aus.)

1969
Ayub Khan tritt zugunsten von General Yahya Khan zurück, der für das folgende Jahr Wahlen ausschreibt.

1970
Die PPP siegt bei den Parlamentswahlen in West-Pākistān, während sie in Ost-Pākistān kein einziges Mandat gewinnt.
(Dort siegt die "Awami-Liga" von Mujibur Rahmān, die ihrerseits im Westen kein einziges Mandat gewinnt. Eine Spaltung der künstlich verbundenen Landesteile zeichnet sich ab.)

1971
Im dritten Krieg gegen Bhārat verliert Pākistān Ost-Bengalen, das als "Bānglādesh" unabhängig wird.
Dezember: Bhutto nutzt die Gelegenheit, anstelle der völlig diskreditierten Militärs die Macht zu ergreifen.

1972
Bhutto zieht ein kommunistisches "Reform"-Programm durch: Er verstaatlicht alle Industrie-Unternehmen, das Bildungs- und Gesundheitswesen, enteignet den Großgrundbesitz und stärkt die Gewerkschaften (was diese sogleich zu umfangreichen Streiks nutzen). Als wichtigstes Projekt schiebt er die atomare Aufrüstung im Hinblick auf den nächsten Krieg an.

1973
Das Parlament nickt die von Bhutto ausgearbeitete neue Verfassung brav ab; er wird zum ersten Premierminister des neuen - nur noch aus dem westlichen Provinzen bestehenden - Staates Pākistān.
Bhuttos geniales Reformprogramm zeitigt schnelle Erfolge: Inflation, Kapitalflucht, Zusammenbruch der Wirtschaft (die diesmal nicht alleine auf den verlorenen Krieg geschoben werden kann) und Zurückweisung jeglicher Staatsanleihen an den internationalen Finanzmärkten.
(Lediglich Rotchina ist bereit zu helfen, kann aber nur ein paar Tropfen auf dem heißen Stein abdrücken, da es selber noch immer unter den wirtschaftlichen Folgen von Maos ebenso genialen "Reformen" leidet.)
Nach Streitigkeiten in der eigenen Partei muß Bhutto einen Teil seiner "Reformen" zurück nehmen.

1974
Februar: Auf einem Gipfeltreffen der islamischen Umma in Lāhaur versucht Bhutto vergeblich, neue Geldgeber zu finden.
(Die Scheichs am Arabischen Golf - die nach dem "Yom-Kippur-Krieg" im Vorjahr die Ölpreise kräftig erhöht haben - könnten sich das zwar leisten; aber so weit, Geld in ein Faß ohne Boden wie Pākistān zu versenken, geht die Solidarität unter islamischen Brüdern denn doch nicht.)

1977
Januar: Bhutto schreibt Neuwahlen aus, die er im
März mit dem Versprechen gewinnt, Pākistān ganz auf den Weg des Sozialismus zu bringen.
Die oppositionelle PNA ("Pākistānische Nationale Allianz") bezichtigt ihn des Wahlbetrugs; im ganzen Land brechen bürgerkriegsähnliche Unruhen aus.
Die Armee unter General Zia ul-Haq macht dem Spuk ein Ende, verhängt das Kriegsrecht und nimmt Bhutto fest.
(Ja, wieder mal die bösen Militärs, die putschen. Aber wenn es nur die Alternativen Islamismus, Kommunismus oder Militarismus gibt, dann kann Euch Dikigoros zuverlässig sagen, welches das geringste Übel ist, zumal das Militär auf seine Art noch die demokratischte Institution ist - auch wenn nicht jeder Soldat "den Marschallstab im Tornister" tragen mag.)

1979
Februar: Nach einem langwierigen Prozeß durch alle Instanzen wird Bhutto wegen Wahlbetrugs und versuchten Mordes zum Tode durch den Strang verurteilt.
(Wie so viele Politiker wird er nicht wegen seiner schwersten Verbrechen belangt, sondern wegen vergleichsweise harmloser. Auf Wahlbetrug steht - leider - nicht die Todesstrafe, und der Vorwurf des versuchten Mordes auf äußerst wackeligen Beinen. Das hätte man einfacher - und fundierter - haben können.)
04. April: Zulfikār Alī Bhutto wird in Rawalpĩdī gehenkt.


* * * * *

Sein politisches Erbe als Vorsitzende der PPP übernehmen erst seine Witwe Nusrāt, dann seine älteste Tochter Benazīr.6

1988
Benazīr wird Ministerpräsidentin. Sie führt die politische Agenda ihres Vaters unverändert fort. Unter ihr wird Pākistān zu einem der ärmsten und korruptesten Staaten der Welt: Das Volk hungert, Familie Bhutto scheffelt Milliarden (US-$, nicht Rp.).
(Die Masche solcher sozialistischen Politiker-Kasten ist immer und überall gleich: Alle Privatvermögen - außer denen der eigenen Klientele - werden enteignet "zum Wohle des Volkes" verstaatlicht, und das Staatsvermögen - incl. der vom Ausland gezahlten Entwicklungshilfe - wird dann in die eigenen Taschen gesteckt auf eigenen Konten - oder "Staatskonten", auf die nur die Regierenden und ihre Familien Zugriff haben - "in Sicherheit gebracht".)

1996
Benazīr wird gestürzt, aber leider nicht hingerichtet. Sie geht zwei Jahre später ins Exil nach London, wo bereits hunderttausende ihrer Landsleute leben.

2007
Auf massiven ausländischen Druck darf Benazīr nach Pākistān zurück kehren mit dem Ziel, nach so genannten Wahlen erneut die Macht zu ergreifen; sie wird jedoch während eines Wahlkampfauftritts in Rawalpĩdī von einem Selbstmord-Attentäter getötet.

2016
Mai: Knapp 69 Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens wird erstmals ein Muslim aus Pākistān Oberbürgermeister von London. England wird zur pākistānischen Kolonie.7


(v.l.n.r.: Sultān Sādiq Khān, Begam Eli die letzte, zwei Bankster, ein Terrorist, Sheikh Sharli der allerletzte)

2024
März: Nach einem Wiederaufnahmeverfahren wird Bhutto durch den Obersten Gerichtshof Pākistānas posthum rehabilitiert.


Ihm wohlgesonnene Kommentatoren betonen, daß er mit 9:0 Richterstimmen rehabilitiert wurde, während er seinerzeit nur mit 4:3 Richterstimmen zum Tode verurteilt worden war. Böse Zungen sagen, daß er davon auch nicht wieder lebendig werde, noch bösere, daß er inzwischen wohl ohnehin eines natürlichen Todes gestorben wäre. Interessiert irgend jemanden Dikigoros' persönliche Meinung dazu? Bitte sehr: Man kann Geschichte nicht nachträglich per Gerichtsurteil ändern! Er könnte auch noch anmerken, daß ein Gerichtsverfahren kein Fußballmatch ist, bei dem es auf das addierte Torverhältnis nach Hin- und Rückspiel ankommt.
Nur der guten Ordnung halber trägt Dikigoros nach, daß es 2011/12 schon mal ein Wiederaufnahmeverfahren gegeben hatte, in dem Bhutto nicht rehabilitiert wurde. Nachdem die damaligen Richter allesamt geschasst in den Ruhestand versetzt oder weggelobt worden waren (u.a. an jenes Kasperle-Theater in Den Haag, das sich selber "Internationaler Strafgerichtshof" nennt, aber von keinem ernst zu nehmenden Staat der Welt als solcher anerkannt wird :-) hatten die neuen Richter ihre Lektion gelernt und stimmten allesamt brav so ab, wie sie sollten. Eine Justiz, die sich dermaßen als Lakai der jeweils herrschenden Politikerkaste geriert, macht nicht nur ihre Urteile im Einzelfall zur Makulatur, sondern untergräbt auch das ohnehin schwindende Vertrauen der Untertanen in die Fiktion "Rechtsstaat" im allgemeinen. (Aber wem sagt Dikigoros das? Seine deutschen Leser wissen das ja spätestens seit der "Corona"-Krise und den von ihren eigenen Gerichten in diesem Zusammenhang gefällten Skandal-"Urteilen", mit denen der "Rechtsstaat" und die "Grundrechte" abgeschafft wurden - nein, nicht bloß "vorübergehend suspendiert", sondern endgültig aufgehoben -, auch aus eigener bitterer Erfahrung.)


1Wie immer bei "exotischen" Namen widmet Dikigoros die erste Fußnote der korrekten Aussprache: Das "Z" spricht sich wie ein weiches (stimmhaftes) deutsches "S". Alle drei Namensbestandteile werden auf der jeweils letzten, langen Silbe betont. Das "o" am Ende ist geschlossen. (Das offene "o" wird in der Regel - auch von Dikigoros - "au" transkribiert; er schreibt also "Lāhaur", nicht "Lahore".) Das "tt" wird ungefähr wie ein italienisches "tt" gesprochen, d.h. deutlich länger als ein deutsches und nicht aspiriert. Und, um das vorweg zu nehmen: Den Dienstort von Bhuttos Vater - den Dikigoros in seinen Reiseberichten über Indien auf Hindī mit langem "ū" schreibt, schreibt er hier auf Marāthī mit kurzem "u". Warum? Weil das die Sprache des Bundesstaates Bombay war, zu dem J. damals gehörte. (Der Bundesstaat Gujrāt wurde erst 1960 geschaffen. Möglich, daß man es dort wieder anders schreibt; aber Dikigoros kann kein Gujrātī :-) À propos Reisen: Er meint den Ausdruck "Duodezfürstentum" nicht abwertend - der Süden der Halbinsel Saurashtra gehört zu den interessantesten Ecken von Gujrāt und lohnt allemal einen Besuch -; es widerstrebt ihm bloß, dessen Herrscher mit dem selben Titel - "Nawāb" - zu bezeichnen wie z.B. den einst so mächtigen Herrscher von Bengalen.

2Urdu für "Volksverführer". Die im Westen - und neuerdings sogar in Pākistān - eingerissene Transskription "Quaid" ist irreführend (das "q" wird als dumpfes "k" gesprochen, nicht als "kv"), ebenso die bisweilen anzutreffende Schreibung "Q[u]aid-i-Awam" (die wohl daher rührt, daß die Briten das "e" fälschlich wie "i" aussprachen, was dann einige Nicht-Briten auch so schrieben); das "ai" wird nicht als "aj" ausgesprochen, sondern als langes "ä".

3In den staatlichen Geschichts- und Märchenbüchern werden als Grund für die "Royal Indian Navy Mutiny" läppische Erklärungen wie "schlechte Verpflegung" oder "arrogantes Verhalten der britischen Offiziere" genannt; marxistische Historiker[innen] wollen ihnen gar klassenkämpferische Ursachen zuschreiben. Den "Meuterern" wird ihre Tat schlecht gedankt: Trotz Zusicherung von Straffreiheit werden ihre Anführer verhaftet und bei Lebzeiten nie rehabilitiert; zu tief sitzt die Angst der indischen Politiker vor einer Verbrüderung von Hindus und Muslimen zum Kampf gegen ihre Herrscher. Jinnāh hat richtig kalkuliert: Das Ende der Meuterei hat die Entstehung Pākistānas gesichert. Die Führer des Congress haben dagegen die nie wieder kehrende Gelegenheit verpaßt, den von ihnen angestrebten Gesamtstaat Indien zu schaffen.

4Diese neuen Grenzen hätten fast nirgends mit den bestehenden Grenzen der traditionellen indischen Fürstentümer überein gestimmt. Insbesondere Nehrū, dessen Familie aus dem mehrheitlich muslimischen Kashmīr stammte, widersetzte sich diesem Plan. Problematisch waren aber auch das überwiegend muslimische Haidarābād, das mitten in Indien lag, und mehrere Regionen entlag des Ganges.

5Die Emory-Universität in Atlanta/Georgia legte 2006 eine Untersuchung vor, wonach es sogar "15 Millionen" Opfer gewesen sein sollen. Dikigoros mißtraut solchen nachträglichen Berechnungen, die mal eben um ein paar Millionen nach oben oder unten von früheren Zählungen abweichen, will sie aber seinen Lesern nicht vorenthalten. Er persönlich hält es für möglich, daß - ähnlich wie bei den sowjetischen Statistiken über "20 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg" - die Millionen Opfer der voraus gegangenen Hungersnot mitgezählt wurden, um die letztere zu verharmlosen und schließlich ganz aus den amtlichen Geschichtsbüchern zu streichen.

6.Im indischen Raum ist es - unabhängig von der vorherrschenden Religion - ein weit verbreitetes Fänomen, daß Schwestern, Ehefrauen und/oder Töchter von Politikern deren "Erbe" antreten können. (Dikigoros setzt das in Anführungsstriche, da es sich ja nicht um Erb-Monarchien handelt, sondern durchweg um so genannte "Demokratien" - die er sich ebenfalls erlaubt, in Anführungsstriche zu setzen.)
Die bekanntesten Beispiele neben Bhutto, seiner Witwe und seiner Tochter sind Nehrūs Tochter Indirā Gāndhī und ihre Schwiegertochter Sonia in Bhārat, Sirimāwo Bhãdārnāyke und ihre Tochter Chandrika Bhãdārnāyke-Kumaratunga in Shrī Lankā, Mujibur Rahmāns Tochter Hasina Wajed in Bānglādesh sowie Aung Sans Tochter Suu Kyi in Barmā.
Dikigoros muß immer schmunzeln, wenn er auf gewissen Webseiten - vor allem einer bekannten Verblödungsplattform - weitschweifige, empörte Ausführungen liest, daß Frauen früher in vielen Regionen Südasiens kein Wahlrecht hatten. Manche Feministinnen im "Wertewesten kapieren einfach nicht, daß eine echte richtige kluge Frau dort unten viel bessere Möglichkeiten zur politischen Einflußnahme hat als alle paar Jahre ein Kreuzchen auf ein geduldiges Stück Papier zu machen, das - je nach Auszähler - ohnehin Gefahr läuft, in "Ablage P" zu landen (übrigens inzwischen auch in Westeuropa und Nordamerika).

7Zu allem Überfluß ist Sādiq Khān ein radikaler Fundamentalist, der mehr als nur lockere Kontakte zur islamischen Terrorszene hat; diese [Aus-]Richtung wird jedoch offenbar von der überwältigenden Mehrheit der in England lebenden Muslime geteilt (ähnlich wie in Belgien, Frankreich und der BRDDR). Die Masseneinwanderung ist übrigens keine "Retourkutsche", denn Indien war für die Briten nie eine Kolonie in dem Sinne, daß sich eine größere Zahl von ihnen dort angesiedelt hätte. Sie stellten überwiegend Offiziere, Richter, Verwaltungsbeamte und Geschäftsleute in zeitlich begrenzter Mission und machten nie auch nur 1 Promille der indischen Bevölkerung aus. Umgekehrt machen Muslime aus Pākistān in den Grenzen von 1947 - also incl. Ost-Bengalens - 2016 bereits rund 10% der Bevölkerung Englands aus. Sie haben eigene Stadtviertel ("No-go-zones"), die Nicht-Muslime nur unter Lebensgefahr betreten können, mit eigenen Gesetzen, deren Einhaltung von einer Shari'ah-Polizei und eigenen Shari'ah-Gerichten überwacht wird. (Auf Alkohol trinken, Rauchen, unziemliche Kleidung - z.B. hochhackige Schuhe - u.a. schwere Verbrechen steht die Todesstrafe durch Steinigung.)

[typische Londonerinnen 2016] [London 2016 - unweit der Großen Moschee] [Londoner Mode 2016]


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