ALBERT  SPEER

(1905 - 1981)

[Albert Speer]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1905
19. März: Albert Speer wird als Sohn des Architekten Albert Speer sen. und dessen Ehefrau Luise, geb. Hommel, in Mannheim geboren.
(Er bezeichnet seine Kindheit später als unglücklich und das Verhältnis zu seinen Eltern als gestört.)

1918
Speers Familie zieht nach Heidelberg um. Speer rebelliert gegen seine Eltern, geht Rudern statt Tennis spielen und freundet sich mit der Schreinerstochter Margret Weber an.

1923
Speer, der sich auf der Schule als brillanter Mathematiker ausgezeichnet hat, nimmt auf Wunsch seines Vaters ein Architekturstudium in Karlsruhe auf.

1924
Speer wechselt an die Technische Hochschule in München.

1925
Speer wechselt an die Technische Hochschule in Berlin, wo er bei Professor Heinrich Tessenow studiert.

1927
Speer besteht die Diplomprüfung als Architekt und wird Assistent bei Tessenow, dessen Motto lautet: monumental, aber einfach und natürlich bauen.

1928
28. August: Speer heiratet gegen den Willen seiner Eltern seine Jugendliebe Margret Weber.

1930
4. Dezember: Speer hört an der TH Berlin - einer Hochburg des Nationalsozialistischen Studentenbundes - erstmals eine Rede von Adolf Hitler. Speer, der sich zuvor politisch nicht betätigt hat, ist beeindruckt von dessen Persönlichkeit und läßt sich von seinen Zukunftsvisionen überzeugen.

1931
1. März: Speer wird Mitglied der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)" und der "SA".
Speer läßt sich als selbständiger Architekt in Mannheim nieder.

1932
Speer erhält erste Bauaufträge von der NSDAP.

1933
30. Januar: Reichspräsident Hindenburg beruft Hitler als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Kanzler.
März: Speer wird von Joseph Goebbels mit dem Umbau des Propaganda-Ministeriums beauftragt.
Hitler ist von Speers Organisationstalent beeindruckt. Er macht ihn zum technischen Assistenten seines bevorzugten Architekten Paul Ludwig Troost (1878-1934) und beauftragt ihn mit dem Umbau der Reichskanzlei.


Speer übernimmt die Planung und Gestaltung von Großkundgebungen der NSDAP. Mit dem Einsatz geschickter Lichteffekte inszeniert er die Reichsparteitage in Nürnberg.


1934
Januar: Nach Troosts Tod wird Speer Hitlers wichtigster Architekt. Er entwirft zahlreiche monumentale Repräsentationsbauten klassizistischer Prägung.
In der "Deutschen Arbeitsfront (DAF)" leitet er das Amt "Schönheit der Arbeit". Er wird Unterabteilungsleiter der Reichspropagandaleitung und Beauftragter für Städtebau im Stab von Rudolf Hess.

1937
Speer konzipiert für die Weltausstellung in Paris den Deutschen Pavillon und erhält dafür den "Grand Prix".

[Pavillon]

Speer wird zum Generalbauinspekteur für die Neugestaltung Berlins u.a. deutscher Städte ernannt.


1938
Speer wird in den Preußischen Staatsrat berufen; ihm wird das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP verliehen.

[Plan für 'Germania']

1938/39
Speer entwickelt einen Generalplan für den Umbau Berlins zur Hauptstadt des "Großgermanischen Reiches", die den Namen "Germania" erhalten soll. Er gestaltet eine neue Reichskanzlei und entwirft Modelle für zahlreiche weitere Monumentalbauten und NS-Kultstätten.

1939
Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs ist Speer zunehmend mit Wehrbauten befaßt, für die er seine eigene Organisation, den "Baustab Speer", aufbaut.

1940
Juni: Nach dem siegreichen Frankreich-Feldzug besucht Speer zusammen mit Hitler Paris, um die dortige Architektur zu studieren.

[Speer mit Hitler in Paris]

1941
Speer wird als Vertreter des Wahlbezirks Berlin-West in den Reichstag gewählt.
Nach Beginn des Rußlandfeldzugs wird Speer von Rüstungsminister Fritz Todt mit dem Wiederaufbau der Fabriken und des Eisenbahnnetzes in der Ukraine beauftragt, die von den Sowjets bei ihrem Rückzug nach dem Prinzip "verbrannte Erde" vollständig zerstört worden waren.


1942
15. Februar: Nachdem Todt bei einem Flugzeugabsturz umgekommen ist, wird Speer als dessen Nachfolger Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Generalinspekteur für das Straßenwesen sowie Generalinspekteur für Wasser und Energie.
Speer stellt die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Rüstungsindustrie, die in blauäugiger Siegeszuversicht im dritten Kriegsjahr immer noch wie im tiefsten Frieden vor sich hin wurstelt, endlich auf eine echte Kriegswirtschaft um, wie dies bei den Alliierten schon längst geschehen ist.
Trotz Beschädigung der deutschen Infrastruktur und Beeinträchtigung der Rohstoffversorgung durch alliierte Bombenangriffe gelingt es Speer, die Rüstungsproduktion bis 1944 auf einen Höchststand zu steigern. Er legt damit auch den Grundstein zu dem, was nach dem Krieg ungenau als "deutsches Wirtschaftswunder" bezeichnet wird.

[Albert Speer, der geistige Vater des bundesdeutschen 'Wirtschaftswunders']

Unsachliche Kritiker werfen Speer nach dem Krieg vor, zu diesem Zweck auch Zwangsarbeiter und Häftlinge aus Konzentrationslagern beschäftigt zu haben. Ihm legt man dies als "Kriegsverbrechen" aus; Anderen, die nichts Anderes getan haben - z.B. Oscar Schindler - hält man zugute, den Betroffenen dadurch das Leben gerettet zu haben, und ernennt sie posthum zu "Helden der [Gut-]Menschlichkeit" und "Gerechten".

1943
2. September: Speers verschiedene Verwaltungsapparate werden zum "Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion" zusammengefaßt.

1944
Speer erkrankt schwer und kann über das Frühjahr sein Amt nicht ausüben.
Angesichts zunehmenden Mangels an Rohstoffen und Arbeitskräften zeichnet sich der Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft ab. Speer plädiert für eine Beendigung des Krieges; Hitler kann ihn jedoch überzeugen, im Amt zu bleiben.
Juli: Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli tauchen Dokumente auf, in denen Speer als Minister für eine neue Regierung vorgesehen ist. Speer kann jedoch glaubhaft machen, darüber nicht informiert gewesen zu sein und keine Kontakte zu den Verschwörern gehabt zu haben.

1945
Speer widersetzt sich nach eigenen Angaben Hitlers "Politik der verbrannten Erde", indem er Befehle, die auf die Zerstörung der deutschen Industrie und Landwirtschaft zielen, sabotiert. (Einzige Quelle hierfür sind seine eigenen Memoiren.)
April: Speer plant nach eigenen Angaben einen Giftanschlag auf Hitler (dto).
23. Mai: Speer wird zwei Wochen nach Kriegsende verhaftet und in Nürnberg inhaftiert.


Speer wird im vor dem Interalliierten Kriegsverbrecher-Tribunal [IMT] in Nürnberg wegen Kriegsverbrechen und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (einem unter Verstoß gegen alle rechtsstaatlichen Gepflogenheiten rückwirkend geschaffenen neuen Straftatbestand) angeklagt. Während des Prozesses verteidigt er sich äußerst geschickt, indem er sich von den meisten Tatvorwürfen reinzuwaschen sucht, aber in den Punkten, die er nicht mit Aussicht auf Erfolg leugnen kann, als einziger der als "Hauptkriegsverbrecher" Angeklagten seine Schuld eingesteht und Reue zeigt.*

1946
1. Oktober: Speer wird schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Speer wird mit sechs weiteren "Hauptkriegsverbrechern" in das ehemalige Militärgefängnis Berlin-Spandau überführt, das unter der Kontrolle der vier Besatzungsmächte steht.
Zahlreiche Gnadengesuche der Familie und verschiedener Politiker scheitern vor allem am Einspruch der UdSSR.

1966
30. September: Speer wird aus der Haft entlassen.

[Albert Speer]

1969
Speer veröffentlicht seine "Erinnerungen", die er während der Haft verfaßt hat. Er beschreibt darin seinen Aufstieg als Architekt und Politiker und berichtet über Rivalitäten innerhalb der nationalsozialistischen Hierarchie. Sich selber schildert er als unpolitischen Technokraten, der Hitlers Anziehungskraft erlegen sei. Das Buch wird zu einem der größten Memoirenerfolge der Bundesrepublik, wiewohl am Wahrheitsgehalt seiner Aussagen bald fundierte Zweifel laut werden.


1975
Speers Aufzeichnungen aus der Haft, die "Spandauer Tagebücher", erscheinen.


1981
Adelbert Reif veröffentlicht "Technik und Macht" in Form eines längeren Interviews mit Speer.


Speer spricht darin von "der Megalomanie [Größenwahn] der national-sozialistischen Bauten und Bauvorhaben", beklagt aber auch die Manipulation des Hitler-Bildes in der deutschen "Forschung", die Hitler - den er selber als "mauvais génie [böses Genie]" bezeichnet - lediglich diabolisiere, während man im Ausland - wo kaum noch jemand die deutschen "Historiker" ernst nehme - längst versuche, Hitler menschlich und psychologisch zu analysieren. [Die Affäre um die im Stern abgedruckten "Hitler-Tagebücher" bestätigt zwei Jahre später diese Kritik.] U.a. sagt Speer: "Wenn wir zurück gehen bis zu der Zeit, die dem Sturz Napoleons folgte, dann können wir feststellen, daß auch sein Bild in der damaligen zeitgenössischen Geschichtsschreibung zunächst ein ebenso negatives war wie das Adolf Hitlers heute. Auch Napoleon wurde als eine Art Monster angesehen (...) Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte machte die Rehabilitierung des Korsen allgemein große Fortschritte, und schließlich wurde er im Invalidendom in Paris beigesetzt." Hinsichtlich der Falschaussagen in seinen "Erinnerungen" räumt er ein, sich dabei die Erinnerungen Winston Churchills zum Vorbild genommen zu haben. Er rechtfertigt dessen (und damit indirekt auch seine eigenen) Taten mit dem Satz: "Außergewöhnliche Umstände eines Krieges erfordern oft außergewöhnliche Maßnahmen." Das Buch ist heute zwar nicht offiziell verboten, aber Anathema.


Speer veröffentlicht "Der Sklavenstaat", eine Analyse der Strukturen des NS-Regimes aus Sicht der Beteiligten.

[Albert Speer]

1. September: Albert Speer stirbt während eines Besuchs in London. Er wird auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt.


* * * * *

1982
Der Historiker Matthias Schmidt (FU Berlin) veröffentlicht "Albert Speer. Das Ende eines Mythos". Er legt schlüssig dar, daß Speer nicht nur in vielen Punkten gelogen hat, sondern sogar schon vor 1945 so weit gegangen ist, die Akten seines Ministeriums systematisch zu fälschen, um sich selber in ein besseres Licht zu rücken. Dem Buch haftet allerdings der Beigeschmack an, erst nach Speers Tod veröffentlicht worden zu sein, so daß sich dieser gegen die von Schmidt erhobenen Vorwürfe nicht mehr verteidigen konnte.


1995
In New York erscheint die Speer-Biografie der von Ungarn nach England geflüchteten Jüdin Gitta Sereny, die bis heute als Standardwerk gilt.



1999
In Deutschland erscheint die Speer-Biografie von Joachim Fest (1926-2006), die sich weitgehend auf Speers eigene Memoiren stützt und schon kurz nach ihrem Erscheinen als überholt gilt.


2004
Bernd Eichinger stellt in dem Film "Der Untergang" (basierend auf Joachim Fest) das Ende des "Dritten Reichs" weitgehend aus der - fragwürdigen - Sicht Speers dar.


2005
Zu Speers 100. Geburtstag wird "Das Ende eines Mythos" neu aufgelegt.


Heinrich Breloer dreht den pseudo-dokumentarischen** Film "Speer und er" [mit "er" ist Hitler gemeint].
(Der viel zu breit angelegte und schlecht besetzte Langweiler erscheint auch in einer englischen Fassung mit dem Titel "Speer & Hitler" und dem unvermeidlichen Untertitel "The Devil's Architect [Des Teufels Architekt]", stellt sich jedoch dem Kinopublikum nicht, sondern wird nur im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Er wird in den gleichgeschalteten Monopolmedien über den braunengrünen Klee gelobt und erhält mehrere staatliche und halbstaatliche Preise, um den Verkauf der DVD anzukurbeln.)


2006
26. Mai 2006: Nach zehn Jahren Bauzeit wird der neue Hauptbahnhof Berlin eingeweiht, der in puncto Megalomanie (450x450 m Areal, Hauptgebäude 321x160x46 m L/B/H, zwei Bürotürme mit Laser-Leuchten im FlAK-Scheinwerfer-look) und Kosten (ca. 1 Mrd. Euro) alles in den Schatten stellt, was sich Hitler und Speer jemals für die Hauptstadt des "Großgermanischen Reichs" ausgedacht hatten.

[Berlin - der neue Hauptbahnhof]


*Ursprünglich hatte sich auch Hans Frank schuldig bekannt mit dem im Nachhinein oft und gerne zitierten Satz: "Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen." Weniger oft und gerne wird dagegen sein Schlußwort zitiert, mit dem er dieses "Geständnis" am Ende des Prozesses widerrief: "Ich muß noch ein Wort von mir berichtigen. Ich sprach von tausend Jahren, die die Schuld von unserem Volk wegen des Verhaltens Hitlers in diesem Krieg nicht nehmen könnten. Nicht nur das sorgsam aus diesem Prozeß ferngehaltene Verhalten unserer Kriegsfeinde unserem Volke und seinen Soldaten gegenüber, sondern die riesigen Massenverbrechen entsetzlichster Art, die, wie ich erst jetzt erfahren habe, vor allem in Ostpreußen, Schlesien, Pommern und Sudetenland verübt wurden und noch verübt werden, haben jede nur mögliche Schuld unseres Volkes schon heute restlos getilgt. Wer wird diese Verbrechen gegen das deutsche Volk einmal richten?" Für diese Worte wurde Frank - dem sich sonst keine Verbrechen im Sinne der Anklage nachweisen ließen - zum Tode verurteilt und hingerichtet. Das Zueigenmachen ihres Inhalts ist auf dem Gebiet der alliierten Besatzungszonen - BRDDR und RÖ - noch heute als "Relativierung des Holocaust" strafbar.

**Der zwielichtige Literatur-Wissenschaftler selber - der sich schon an ähnlichen Filmen über die SPD-Politiker Willy Brandt, Herbert Wehner und Björn Engholm (zweimal - einmal unter besonderer Berücksichtigung der Ermordung von Uwe Barschel) versucht hat, spricht von "Doku-Drama"; er bezeichnet diese Mischung von aus dem Zusammenhang gerissenen Fakten und um des "dramatischen" Effekts willen frei erfundenen Szenen als "neues Filmgenre". 2006 schiebt er ein Buch mit dem Titel "Die Akte Speer" und dem Untertitel "Spuren eines Kriegsverbrechers" nach.

[Buch]


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