NORODOM  SIHANOUK

(31.10.1922 - 15.10.2012)

Schatten über Angkor

oder: Der alte König in seinem Exil


Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1922
31. Oktober: Norodom Sihanouk* wird als Sohn des Marionetten-Königs von Kambodiyā, Norodom Suramarit, in Phnom Penh geboren.
(Kambodiyā ["Cambodge"] ist Bestandteil des französischen Protektorats "Indochine", unter dem die Eingeborenen zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Frieden und bescheidenem Wohlstand leben.)

[Cambodge]

1925/26
Im fernen Deutschland erscheint ein Buch mit dem Titel "Mein Kampf". Darin schreibt ein gewisser Adolf Hitler - der wahrscheinlich noch nie von Kambodiyā gehört hat -, daß es ein schwerer Fehler sei, wenn Kolonialmächte den Eingeborenen Zugang zu westlicher Bildung ermöglichen; damit schaufelten sie sich ihr eigenes Grab und brächten auch über die Eingeborenen nur Unglück.

[Mein Kampf] [Mon combat]

Das Buch wird von kaum jemandem gelesen, geschweige denn ernst genommen.
(Eine französische Übersetzung erscheint erst 1934 unter dem Titel "Mon combat" und bleibt so gut wie unverkauft. Erst Jahrzehnte später, als es - nicht nur für Kambodiyā - schon zu spät ist, avanciert "Mein Kampf" - in diversen neuen Übersetzungen - zum meist gelesenen ausländischen Buch in allen Ländern Südostasiens.)

1928-32
Sihanouk besucht in Phnom Penh die französische François-Baudoin-Schule.

1932-41
Sihanouk besucht in Saigon das französische Chasseloup-Laubat-Lyzeum.

1941
April: Nach dem Tode seines Großvaters wird Sihanouk von Frankreich zum neuen Marionetten-König bestimmt.


September: Sihanouk wird zum König gekrönt. Frankreich räumt Japan militärische Stützpunkte in Indochina ein. Die USA treten durch die von Präsident Roosevelt erteilte Shoot-on-sight-Order in den Zweiten Weltkrieg ein.

1942-52
Sihanouk legt sich einen Harem aus sieben Haupt- und mehreren hundert Nebenfrauen zu. (Die genaue Zahl seiner Kinder ist nicht feststellbar; Sihanouk gilt als einer der größten Hurenböcke der Neuzeit - seinen Spitznamen "rammelndes Kaninchen" soll er selber geprägt haben.)

1945
März: Die Japaner entwaffnen die französischen Truppen und erklären Kambodiyā und Vietnam für unabhängig.
August: Nach der Kapitulation Japans kehren die französischen Kolonialherren zurück; sie verweigern Kombodiyā die volle Unabhängigkeit, räumen ihm lediglich eine beschränkte Selbstverwaltung ein.

1946-54
1. Indochina-Krieg.

1949
Kommunistische Truppen unter Mao Tse-tung erobern nach vier Jahren Bürgerkrieg ganz China und vertreiben die letzten "National-Chinesen" unter Tschiang Kai-shek nach Taiwan (Formosa).

1950-53
Koreakrieg.

1953
Mai: Sihanouk löst das Parlament auf, erklärt Kambodiyā für unabhängig und sich selbst zum Regierungchef. Als die Franzosen das nicht anerkennen, geht er ins Exil nach Thailand.
November: Unter dem Eindruck schwerer militärischer Rückschläge in Vietnam entläßt Frankreich Kambodiyā in die Unabhängigkeit; Sihanouk kehrt zurück.

1954
Frankreich gibt sein Kolonialreich in Indochina auf.

1955
März: Sihanouk dankt zugunsten seines Vaters (!) als König ab, wird Premierminister und reduziert seinen Harem auf zwei Hauptfrauen: Dewi Nara Lakshmi ("Norleak") und Monique Izzi ("Monineath").

1956-59
Sihanouk betreibt eine rigorose Verstaatlichungs-Politik. Sein "buddhistischer Sozialismus" wirft Kambodiyā wirtschaftlich auf vor-koloniales Niveau zurück.

1957-73
2. Indochina-("Vietnam"-)Krieg.

1960
Nach dem Tode seines Vaters wird Sihanouk Staatsoberhaupt mit dem Titel "Prince [Fürst]".

1963
Sihanouk läßt sich zum Staatsoberhaupt auf Lebenszeit wählen.


1965
März: Sihanouk räumt Rotchina und Nord-Vietnam Militärbasen im Osten Kambodiyās ein und bringt damit die USA gegen sich auf.


1966
Maos "Kultur-Revolution" zerstört die letzten Reste der alten chinesischen Kultur auf dem Festland.

1970
März: Während einer Auslandsreise nach Paris und Moskau wird Sihanouk von der National-Versammlung abgesetzt, die General Lon Nol zu seinem Nachfolger macht.**
Sihanouk geht ins Exil nach Peking.

[Sihanouk in Paris] [Sihanouk in Moskau] [Sihanouk in Peking]

1971
Oktober: Die UNO erkennt die "Volksrepublik China" offiziell an und überträgt ihr den Sitz im "Sicherheitsrat", den bisher Taiwan inne hatte, das nunmehr von der UNO ausgeschlossen wird.

1972
Februar: US-Präsident Richard Nixon besucht Mao in Peking; auch die USA schwenken nun auf einen pro-maoistischen Kurs ein. Japan und andere "kapitalistische" Länder folgen bald darauf.***

1973
Januar: Die USA ziehen ihre Truppen aus Vietnam ab und geben Indochina verloren.

1975
April: Truppen der "Roten Khmer" unter dem Ex-Mönch Pol Pot erobern Phnom Penh. Sie machen Sihanouk erneut zum Staatsoberhaupt.
Die alte, buddhistisch geprägte Kultur Kambodiyās wird ebenso ausgerottet wie die Chinas während der "Kultur-Revolution" und durch eine Art Steinzeit-Kommunismus ersetzt.

[Pol Pot]

1976
April: Sihanouk wird von den "Roten Khmer" abgesetzt, die Kambodiyā zur "Volksrepublik" erklären.


1978
Dezember: Vietnamesische Truppen beginnen mit der Eroberung Kambodiyās.

1979
Januar: Die Vietnamesen erobern Phnom Penh. Sihanouk flieht erst nach Peking - wo er freilich seit Maos Tod (1976) nur mehr gelitten ist -, dann nach Pjöngjang.


Während seines Exils knüpft er erneut Verbindungen zu den "Roten Khmer".

1984
Der britische Spielfilm The Killing Fields [dts.: "Schreiendes Land"] schildert anhand wahrer Begebenheiten eindringlich die Schrecken der "Rote-Khmer"-Herrschaft in Kambodiyā.


Obwohl - oder gerade weil - der Film an den Kinokassen keinen allzu großen Erfolg hat (er spielt nicht viel mehr als die Produktionskosten wieder ein) hat er einen kaum zu unterschätzenden Einfluß Impact (wir wollen es doch auf gut Neudeutsch formulieren :-) auf die Medienlandschaft: [Bürger-]Kriegs-Reporter beginnen sich zu fragen, warum sie ihr Leben auf's Spiel setzen sollen, wenn ihre Berichte ohnehin unterdrückt, zensiert oder sonstwie verfälscht bzw. kaum zur Kenntnis genommen werden. Im Folgejahr wird Claas Relotius geboren, Star-Reporter in spe des roten Wochenblatts Der Lügel Spiegel. Er wird zur Fratze zum Gesicht der Lügenpresse - und zum Vorbild für seine Kollegen: Künftig residieren sie, statt sich in Gefahr zu begeben, fernab des Kampfgeschehens in 5*-Hotels der nächsten größeren Städte und schreiben ihre "Reportagen" entweder aus den Pressedesinformationen der Gastländer ab oder saugen sie sich einfach - frei erfunden - aus den Fingern.

1988
August: Sihanouk trifft sich in Thailand mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die ihm und seinen "roten Khmer" finanzielle Unterstützung im Kampf gegen die Vietnamesen zusagt.
(Großbritannien "schenkt" ihm insgesamt 20 Millionen Pfund, die er für Waffenkäufe verwenden darf - eine indirekte Subventionierung der britischen Rüstungsindustrie.)

1989
Die Vietnamesen räumen Kambodiyā, wo sie ein Marionetten-Regime ("Volksrepublik Kampuchea [PRK]") unter Hun Sen zurück lassen.

1989-91
Auf einer Konferenz in Paris einigen sich die "Roten Khmer", die pro-vietnamesischen und die pro-chinesischen Kommunisten auf eine gemeinsame Regierung - unter Sihanouk.

1991
Sihanouk kehrt nach Kambodiyā zurück und wird erneut Staatsoberhaupt.


1993
Sihanouk nimmt erneut den Titel "König" an.


2004
Januar: Angesichts eines drohenden "Rote-Khmer-Tribunals" geht Sihanouk - der fürchtet, an Stelle des bereits 1998 gestorbenen Pol Pot zum Hauptangeklagten zu werden, wiewohl er angeblich nur als Zeuge vorgesehen ist - erneut ins Exil, zunächst nach Nordkorea, dann nach Rotchina.
Oktober: Sihanouk erklärt in Peking seine Abdankung als König. Da alle anderen potentiellen Nachfolger auf den wackeligen Thron verzichten, wird sein Sohn ZiehharmoniSihamoni - ein schwulergelernter Ballett-Tänzer, der den größten Teil seines Lebens in der Tschecho-Slowakei und Frankreich verbracht hat - auf der Spitze von Bajonetten zum neuen König ernannt.

[Sihamoni]

Sihanouk bleibt jedoch politisch aktiv, auch über die modernen Medien: Die Verfilmung seiner Biografie erscheint auf YouTube; seine Memoiren ("Schatten über Angkor") werden - in der englischen Übersetzung von Julio A. Jeldres - auf seiner Webseite veröffentlicht.

2011
April: Nachdem das "Rote-Khmer-Tribunal" mit der Verurteilung einiger Mitläufer zu Ende gegangen ist, traut sich Sihanouk wieder nach Kambodiyā - wenngleich nur für ein paar Tage zur Feier des Neujahrsfestes.

2012
15. Oktober: Sihanouk stirbt kurz vor Vollendung seines 90. Lebensjahrs in seinem pekinesischen Exil. Sein Erbe ist unvergessen, zumal inzwischen fast alle Kambodiyāner Millionäre sind.

[Sihanouks Erbe]

Lediglich einige Miesmacher behaupten, daß Kambodiyā zum zweitärmsten Land [Süd-]Ostasiens abgesunken sei (dahinter liegt nur noch Nordkorea) und daß die "Befreiung vom Kolonialismus" allzu teuer erkauft worden sei. Sie weisen darauf hin, daß französische Produzenten u.a. Textilien im Billiglohnland Kambodiyā herstellen lassen zu "ausbeuterischen" Konditionen, die in einer französischen Überseeprovinz wegen der Arbeits- und Sozialgesetzgebung unmöglich wären: Arbeiter in Frankreich erhalten einen Mindestlohn von 9,53 Euro/h (+50% Zuschlag für Wochenendarbeit und Überstunden von mehr als 35 h/Woche); dagegen erhalten Arbeiter[innen] in Kambodiyā z.B. von der französischen Firma Zara umgerechnet 2.- Euro für einen 10-Stunden-Tag, d.h. 0,20 Euro/h.****


*Sihanouks offizieller Name als Herrscher ist wesentlich länger und bedeutet in etwa: "Der heilige, erbarmungswürdige Fürst Löwenzahn aus dem Hause Norodom"; er selber unterzeichnete aber in der Regel nur mit "N. Sihanouk".

**2020 bezeichnet eine vom Berliner BRDDR-Regime kontrollierte Verblödungs-Plattform, die sich rühmt, ein "Lexikon" zu sein, mit der einem solchen angemessenen "Neutralität" Lon Nol als "unpopulär, inkompetent und korrupt". 1971 beschrieb die (sozial-liberale) Bonner Bundesregierung in der 144. Ausgabe ihrer Reihe Informationen zur politischen Bildung ("Südostasien: Geschichte und Gegenwart") das Land unter Lon Nol dagegen wie folgt: "Von allen südostasiatischen Staaten bietet Kambodscha dem Kommunismus die geringsten Angriffspunkte für eine Sozialrevolution, denn Kambodscha ist ein vom Buddhismus geprägtes Bauernland, in dem über 90% der Bauern auf eigenem Grund und Boden sitzen und in dem es keine krassen Unterschiede in Hinsicht auf Bildung und Einkommen gibt." 1975 schrieb Dikigoros an den Rand seines Exemplars: "So kann man sich täuschen!" Dann strich er aus der eine Seite zuvor abgedruckten Liste der "selbständigen Staaten Südostasiens" die Republik [Süd-]Vietnam, so wie er irgendwann nach dem 1990 erfolgten Anschluß der BRD an die DDR die erstere Staatsbezeichnung aus seinem Wortschatz strich.

***Dikigoros schreibt das für all diejenigen, die Sihanouk - der sich gewiß in einer weitaus schwierigeren Lage befand - vorwerfen, ein gleiches getan zu haben. Wie kontrovers Sihanouks Verhältnis zu den roten Khmer diskutiert wurde, zeigt ein Blick in die zeitgenössische Literatur: Während z.B. John Barron und Anthony Paul in "Murder of a Gentle Land. The Untold Story of Communist Genocide in Cambodia [Die Ermordung eines sanften Landes. Die verschwiegene Geschichte des kommunistischen Völkermordes in Kambodiyā]" und François Ponchaud in "Cambodia year zero [Kambodiyā im Jahre null]" die Verbrechen der Regierung schonungslos anprangern, verharmlosen relativieren Autoren wie der Möchtegern-Lingust Noam Chomsky und der Mutter-Teresa-Hasser Christopher Hitchens - die freilich im Gegensatz zu ersteren nie dort waren, weder vor noch während noch nach den streitgegenständlichen Ereignissen - jene Verbrechen und behaupten, die anti-kommunistischen Mainstream-Medien hätten die Zahl der Opfer maßlos übertrieben.

****Dies sind Zahlen aus dem Jahre 2014. Anzumerken ist, daß sich deutsche Firmen großzügiger verhalten. So zahlt z.B. die Firma Adidas - die ihre Schuhproduktion aus Indonesien, wo die Lohnkosten zu stark angestiegen sind, weitgehend nach Kambodiyā verlagert hat - 25% mehr, d.h. 0,25 Euro/h. Die Lohnkosten für Laufschuhe, die in Europa ab 100.- Euro kosten, liegen also bei bis zu 0,50 Euro.


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