*Anm. Dikigoros (nur für linguistische interessierte Leser): Humboldts Sprachlehre ist schwierig zu verstehen, aber leicht zu mißverstehen, zumal man bei aller Bewunderung für sein Genie feststellen muß, daß auch ihm Fehler unterlaufen sind. So mag seine Annahme einer "gemeinsamen Ursprache der Menschheit" Chomsky in seiner These bestärkt haben, daß es eine universelle "Tiefenstruktur" der Syntax geben müsse. Beide haben übersehen, daß eine feste Syntax in den meisten Sprachen gar keine grammatikalische Notwendigkeit ist. Humboldt hatte den Schwerpunkt seiner Sprachstudien nicht auf die Syntax, sondern auf die Morfologie gelegt; seine Einteilung der Sprachen in drei Haupttypen - [wurzel-]isolierende, agglutinierende und flektierende (denen seine Epigonen Sapir und Wendt rund 100 Jahre später noch eine überflüssige vierte, die "inkorporierende-polysynthetische" hinzu fügten) - war zu Dikigoros' Schulzeiten herrschende Lehre. Bei den letzten beiden Typen ist die Wortfolge weitgehend frei, da der Sinn morfologisch bestimmt werden kann: Die Sätze "Das Pferd frißt den Hafer" und "Den Hafer frißt das Pferd" sind gleichbedeutend. (Denkbare Ausnahmen, wie "Die Schlange frißt die Maus" oder "Das Schaf frißt das Kleeblatt" sind nur grammatikalisch, nicht aber tatsächlich mehrdeutig.) Allein bei den "isolierenden" Sprachen, die nach Humboldts Vorstellung aus einsilbigen, morfologisch nicht modifizierbaren Wörtern bestehen, kommt es auf die Wortfolge, also den Satzbau an. Humboldt nennt als Beispiele das Chinesische, das Vietnamesische und - irrtümlich - das Malayische. [Die malayische Sprache ("Bahasa Indonesia", "Bahasa Malaysia") ist - wie alle austronesischen Sprachen - agglutinierend, und zwar in reinster Form (das Deutsche ist dagegen ein Mischtyp aus flektierender und agglutinierender Sprache). Kaum eine Wortwurzel bleibt "isoliert", vielmehr wird durch Vorsilben und/oder Endungen ausgedrückt, ob ein Wort als Substantiv, Adjektiv oder Verb zu verstehen ist. Dieser Irrtum wurde vermutlich durch eine Eigenart des Malayischen verursacht, die Westlern noch heute Probleme bereitet und von der jetzt herrschenden Lehre ungenau "Subjekt/Objekt-focus" genannt wird. Tatsächlich handelt es sich um eine Entsprechung unseres Aktivs/Passivs, die in der Regel durch Agglutinierung ausgedrückt wird, aber auch - unter Weglassung der Vorsilbe - durch Inversion ausgedrückt werden kann; und letzteres dürfte Humboldt veranlaßt haben, das Malayische den Sprachen mit bedeutungsentscheidender Wortfolge, d.h. den "isolierenden", zuzuordnen.] Viel schwerer wog aber ein anderer Irrtum Humboldts: Er übersah, daß ein ganz anderes Idiom sich mit Riesenschritten zur "isolierenden" Sprache entwickelte, nämlich das Englische (das diese Stufe heute schon fast erreicht hat - man kann praktisch jedes Wort wahlweise als "Substantiv", als "Adjektiv" oder als "Verb" gebrauchen, letzteres, indem man ihm ein "to" voran stellt), und das war nun mal die Sprache, in der Chomsky dachte. [Humboldt konnte oder wollte diese Entwicklung wohl deshalb nicht sehen, weil er das Englische ja als maßgeblichen Baustein für seine These der indo-germanischen (oder, wie man heute sagt, indo-europäischen) Ursprache brauchte, die unzweifelhaft nicht "isolierend" war, weshalb es auch das Englische nicht sein durfte. Und weil nicht sein kann was nicht sein darf... so entstehen "wissenschaftliche" Irrtümer!] Da das Englische aber ursprünglich wie das Deutsche zum Mischtyp der agglutinierenden und flektierenden Sprachen gehörte (und als solche sah sie auch Chomsky an), hat es - als einzige "isolierende" Sprache - auch noch die alten Satzbestandteile "Subjekt", "Prädikat" und "Objekt" bewahrt. (In den sino-tibetischen Sprachen gibt es das nicht, auch wenn einige westliche Lehrbücher versuchen, den Lernenden Eselsbrücken zu bauen, indem sie so etwas Ähnliches an den Haaren herbei ziehen.) Daher ist es tatsächlich möglich, englische Sätze in eine Art "Tiefenstruktur" zu transformieren. Aus dieser einmaligen Konstellation des Englischen zog nun Chomsky - der keine anderen Sprachen beherrschte - den Trugschluß, daß man das verallgemeinern könne, und so gelangte er zu der These, daß jede Sprache sich in ihrer "Tiefenstruktur" auf Sätze aus Subjekt-Prädikat-Objekt zurück führen lassen müsse. Nichts weiter will die "Generative Transformations-Grammatik" beweisen - auch wenn Chomsky den einzelnen Satzbestandteilen neu erfundene Namen gibt -, aber dieser Beweis ist nicht möglich, da die zugrunde liegende Annahme schlicht falsch ist. **Unbestritten ist mittlerweile zwar, daß der Mensch - wie jedes andere Tier auch - eine angeborene Neigung zum Ausstoßen von Lauten bzw. Lautfolgen ("Wörtern", "Sätzen") hat, die auch mit einer bestimmten Bedeutung versehen sind, die sich bei höheren Säugetieren zur Begrifflichkeit verdichten kann; allerdings lehnen selbst Linguïsten, die früher als Anhänger von Chomskys Thesen galten, wie z.B. Derek Bickerton, das Konzept einer angeborenen Fähigkeit zur Syntaxbildung letztlich ab; es kann folglich auch keine für jede Syntax gleiche "Tiefenstruktur" geben, die allen Menschen gleichermaßen angeboren wäre. Es handelte sich lediglich um eine aus Gründen der "politischen Korrektheit" propagierte Chimäre, mit der versucht wurde, angeborene Unterschiede der Menschen zu verschleiern, indem man sie für - jedenfalls "in der Tiefe" - nicht vorhanden erklärte. Die gerade in den USA offenkundigen Unterschiede etwa zwischen "English" und "Ebonics" hätten Chomsky erkennen lassen müssen, daß sprachliche Fähigkeiten, wenn sie denn tatsächlich auf Vererbung beruhen und nicht lediglich erworben sein sollten, nicht bei allen Menschen gleich sind. Im übrigen wollen Dikigoros' Leser seinen Gebrauch des Wortes "seriös" nicht mißverstehen, insbesondere nicht mit "berühmt" verwechseln. Auch einstmals renommierte Institutionen wie das MIT sind mittlerweile zu Witzkabinetten verkommen. Wann genau? Dikigoros würde es noch nicht an Chomskys Berufung zum Professor fest machen - auch eine Universität kann sich in ihrer Personal-Politik ja mal irren. Hätte man z.B. die hervorragende jüdische Sprachforscherin Lera Boroditsky zu Chomskys Nachfolgerin gemacht, wäre der Schaden reparabel gewesen. Aber sie kam dort nie über eine Assistentenstelle hinaus; und als sie anno 2004 weg gelobt wurde, war klar - nicht nur für Dikigoros -, daß das MIT nicht mehr zu retten war. weiter zu Martin Luther King zurück zu Ernesto Cardenal heim zu Komische Heilige heim zu Von der Wiege bis zur Bahre |