HUGO BANZER SUÁREZ
(10.05.1926-05.05.2002)
Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros
- 1926
- 10. Mai: Carlos Hugo Banzer Suárez wird als ältester von drei Söhnen eines Farmers in Concepción (Provinz Santa Cruz, Bolivien) geboren.
- Sein Vater César Banzer stammt in mehreren Generationen von deutschen Kavallerie-Offizieren ab; seine Mutter Luisa Suárez ist eine waschechte
"Chiquitana" [Bewohnerin des östlichen Tieflands].
- Bolivien ist trotz reicher Bodenschätze das ärmste Land Südamerikas mit der kleinsten - überwiegend indianischen - Bevölkerung und seit dem verlorenen
"Salpeter-Krieg" gegen Chile ohne Zugang zum Meer. Seit seiner Unabhängigkeit 1825 hat es 31 Präsidenten "verbraucht".
- 1932-35
- Im
"Chaco-Krieg"
gegen Paraguay schrumpft Boliviens Bevölkerung weiter.
- 1932-39
- Banzer besucht zunächst die Volksschule in Concepción, dann die Oberschule in
Santa Cruz de la Sierra.
- 1938
- Im Frieden von Buenos Aires verliert Bolivien über ein Viertel seines Staatsgebiets an Paraguay.
- 1939
- Auf Empfehlung des mit seiner Familie befreundeten Präsidenten Germán Busch* beschließt Banzer, Berufssoldat zu werden; er wird an der Kadettenanstalt
(colegio militar) in La Paz aufgenommen.
- 1943
- 7. April: Nachdem Bolivien im Zweiten Weltkrieg zunächst neutral geblieben ist, erklärt es unter Druck der USA dem Deutschen Reich den Krieg.
- Major Gualberto Villaroel putscht sich an die Macht.
- 1946
- Juli: Villaroel wird von einer "Nationalrevolutionären Bewegung" (MNR) ermordet, der sich viele jüngere Offiziere angeschlossen haben, während Banzer
ihr fern geblieben ist; sie kann sich zunächst nicht dauerhaft an der Macht halten.
- 1948
- Banzer heiratet Yolanda Prada. Aus der Ehe gehen zwei Söhne und drei Töchter hervor.**
- 1952
- April: Der National-Bolschewik Víctor Paz Estenssoro (1907-2001) putscht sich an die Macht. Er verstaatlicht Bergwerke und Industrie und enteignet den
Grundbesitz, löst die Armee auf und gründet statt dessen "Arbeiter- und Bauern-Milizen". Binnen kurzem bricht die bolivianische Wirtschaft zusammen.
- 1956
- August: Paz wird von Hernán Siles Zuazo abgelöst.
- 1960
- August: Paz wird erneut Präsident.
- 1961
- Banzer wird zum Oberstleutnant*** befördert.
- 1963
- Banzer wird Militär-Attaché in Washington.
- 1964
- November: Paz wird erneut gestürzt. Neuer Präsident wird René Barrientos Ortuño, der Banzer zum Kulturminister macht.
- 1965
- Mai: Neuer Präsident wird Alfredo Ovando Candia.
- 1966
- August: Ovando wird gestürzt; Barrientos wird erneut Präsident.
- 1967
- August: Der Argentinier Ernesto ("Che") Guevara, der versucht, mit Hilfe kommunistischer Guerilleros aus Kuba - von wo ihn
Fidel Castro
"weg gelobt" hat - Bolivien zu erobern, wird gestellt und erschossen.
- Banzer wird Militär-Attaché in Buenos Aires.
- 1969
- April: Barrientos wird gestürzt. Sein Nachfolger wird Adolfo Siles Salinas.
- September: Ovando putscht sich erneut an die Macht. Er macht Banzer zum Leiter der Militär-Akademie in La Paz.
- 1970
- Oktober: Ovando wird durch den Putsch einer "rechten"**** Militärjunta gestürzt, die ihrerseits durch einen "linken"**** Gegenputsch unter General Juan
Torres Gonzáles gestürzt wird.
- 1971
- Januar: Banzer unternimmt mit anderen Angehörigen der Militär-Akademie einen Putschversuch gegen Torres, der blutig scheitert. Banzer flieht in die
argentinische Botschaft und von dort nach Argentinien, wo man ihm politisches Asyl gewährt.
- August: Banzer versucht, heimlich nach Bolivien zurück zu kehren, wird jedoch entdeckt und verhaftet. Seine Festnahme ist das Signal für einen
neuerlichen Putsch der "rechten" gegen die "linken" Offiziere, der nach dreitägigen Kämpfen in La Paz und Santa Cruz mit dem Sieg der ersteren endet. Eine
Militärjunta ernennt ihn zum Präsidenten.
- 1971-78
- Unter Banzer erlebt Bolivien eine nie zuvor oder danach gekannte Periode politischer und wirtschaftlicher Stabilität ("Ordnung - Frieden - Arbeit" wird
zum Staatsmotto.) Innenpolitisch sorgt er für Ruhe, indem er linke Parteien und Gewerkschaften verbietet. Außenpolitisch bemüht er sich um ein gutes
Einvernehmen mit den USA sowie um eine Normalisierung der Beziehungen zu Boliviens "Erbfeinden" Brasilien, Chile und Paraguay - wobei ihm zugute kommt, daß
auch dort halbwegs vernünftige Militärs an der Macht sind, die kein Interesse an kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarländern haben, wie
Ernesto Geisel,
Augusto Pinochet und
Alfredo Stroessner.
- 1975
- Beim 150. Jahrestag der Unabhängigkeit Boliviens sieht sich Banzer zurecht in einer Reihe mit dem Namensgeber Simón Bolívar.
- 1977
- In den USA kommt der Erdnußfarmer
James ('Jimmy') Carter
("Peanuts") an die Macht. Er tut alles in seiner Macht stehende, um weltweit mit den USA bisher verbündete Regierungen zu destabilisieren, damit sich an
ihrer Stelle sozialistische Regimes etablieren können. Dies bekommen besonders die Länder Lateinamerikas zu spüren.
- November: Unter dem Druck der Carter-Administration schreibt Banzer Wahlen für den Sommer 1978 aus.
- 1978
- Juli: Bei den Wahlen - für die Banzer nicht kandidiert - siegt die "Nationale Volks-Union" (UNP) von General Juan Pereda Asbún. Nachdem die
Wahlkommission die Wahlen wegen angeblichen Wahlbetrugs anulliert hat, führt Pereda nach guter alter Tradition einen Militärputsch durch und wird so neuer
Präsident.
- Banzer wird als Botschafter nach Buenos Aires abgeschoben.
- Von seinen acht Nachfolger[inne]n in den nächsten vier Jahren kann sich nur einer länger als ein Jahr an der Macht halten; die "Demokratie" führt sich
in Bolivien selbst ad absurdum.
- 1979-82
- Nach seiner Rückkehr gründet Banzer die "Demokratisch-Nationalisische Aktion" (ADN), mit der er wiederholt erfolglos an Präsidentschaftswahlen teilnimmt.
Im übrigen widmet er sich der Viehzucht auf seiner Ranch in San Javier.
- 1982
- Oktober: Nach neuerlichen Wahlen wird Siles 22 Jahre nach seinem Rücktritt zum zweiten Mal Präsident. Damit beginnt eine Periode der "Comebacks"
ehemaliger Politiker, die zeigt, daß auch nach Wahlen keine anderen Leute an die Macht kommen als nach Militär-Revolten. Unterdessen geht es mit Bolivien
immer weiter bergab; Streiks legen die Wirtschaft lahm; in den Städten sind gewaltsame Demonstrationen und Straßenschlachten an der Tagesordnung.
- 1985
- Juli: Bei neuerlichen Wahlen gewinnt Banzer die relative Mehrheit, findet jedoch keine Koalitionspartner.
- August: Paz wird 21 Jahre nach seinem Sturz erneut Präsident; er zieht den bolivianischen Karren noch tiefer in den Dreck - bald sind alle Bolivianer
Millionäre. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung wächst das Nominalvermögen der Bolivianer jährlich um 24.000% (vierundzwanzigtausend Prozent).
- 1989
- August: Paz wird abgewählt. Sein Nachfolger wird Jaime Paz Zamora.
- 1993
- Gonzalo Sánchez de Lozada wird neuer Präsident.
- 1997
- Juni: Bei Parlamentswahlen gewinnt die ADN die relative Mehrheit.
- August: Banzer bringt eine "große Koalition" zustande und wird mit den Stimmen auch des MNR und der UCS erneut zum Präsidenten gewählt. Ihm gelingt eine
kurzfristige Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage.
- 1999
- Alfonso Crespo veröffentlicht "Banzer, el destino de un soldado [Das Schicksal eines Soldaten]".
- 2001
- August: Banzer erkrankt an Lungenkrebs; er legt sein Amt nieder. Sein Nachfolger wird Jorge Quiroga Ramírez, der erneut eine Periode von Präsidenten einleitet, die sich im Schnitt gerade mal ein Jahr an der Macht halten können.
- 11. September: Linke "Menschenrechts"-Organisationen wollen Banzer u.a. südamerikanische Ex-Präsidenten sowie den ehemaligen US-Außenminister
Kissinger
wegen "Beihilfe" zu angeblichen Verbrechen des chilenischen Ex-Präsidenten Pinochet vor US-Gerichten belangen. Sie reichen ihre Klagen, wie sie meinen besonders medienwirksam, am Jahrestag des chilenischen Putsches von 1973 ein - nicht ahnend, daß dieser Coup in anderen Ereignissen des Tages völlig untergeht und unbeachtet bleibt.
- 2002
- 5. Mai: Hugo Banzer Suárez stirbt in Santa Cruz de la Sierra. Er erhält ein Staatsbegräbnis; sein Haus wird in ein Museum umgewandelt.
- Martín Sivak veröffentlicht eine "nicht-autorisierte" Banzer-Biografie unter dem Titel "El dictador elegido [Der gewählte Diktator]".
- 2006
- Januar: Der Drogenbaron Evo Morales - ein Aymará - wird als erster Indio Präsident von Bolivien. Er leitet eine zugleich sozialistische und rassistische Politik ein, die die Ausrottung der weißen Minderheit in Bolivien - und darüber hinaus in ganz Latein-Amerika - zum Ziel hat. Banzers Lebenswerk wird binnen weniger Jahre zerstört.
*Germán Busch putschte sich 1937 als 33-jähriger Major an die Macht und wurde von der National-Versammlung als Präsident bestätigt. Zwei Jahre später beging er Selbstmord.
Die Tätigkeit deutscher Militärs in Bolivien hat eine lange Tradition:
Ohne die Dienste des - heute vergessenen und in Deutschland ohnehin nie richtig bekannten - hessischen Söldners Otto Philipp Braun hätten es Simón Bolívar und Antonio de Sucre in den 1820er Jahren schwerlich geschafft, Südamerika von der spanischen Kolonialherrschaft zu "befreien"; wäre er nicht in den 1830er Jahren General und Kriegsminister gewesen, wäre der Staat "Bolivia" (der eigentlich "Braunia" heißen müßte :-) spätestens 1838 im Krieg gegen die Argentinier untergegangen, die er trotz scheinbar hoffnungsloser personeller und materieller Unterlegenheit in der entscheidenden Schlacht am Monte Negro vernichtend schlug (wofür er den Fantasie-Rang eines "Großmarschalls" erhielt). Und hätte der damalige Präsident Santa Cruz (nach dem Banzers Heimat-Provinz
benannt ist) nicht in dem unnötig vom Zaun gebrochenen Krieg gegen die Chilenen aus persönlicher Eitelkeit das Oberkommando an sich gerissen, statt es Braun zu überlassen, wäre dieser Krieg wohl nicht 1839 mit Pauken und Trompeten verloren gegangen, und die Wiedervereinigung mit Perú (zu dem damals auch noch halb Ecuador gehörte), die gerade erst drei Jahre zuvor geglückt war, wäre wohl nicht rückgängig gemacht worden, und Bolivien wäre wohl nicht im Chaos versunken. So aber hieß es für Braun, nachdem Santa Cruz gestürzt war: Ab nach Kassel, pardon, zurück nach Cassel, wo er 30 Jahre später sang- und klanglos im Bett starb.
1911-14 baute eine "Deutsche Militär-Mission" unter Major Hans Kundt das bolivianische Heer völlig neu auf. 1920 kehrte Kundt nach Bolivien zurück; 1922 wurde er zum General befördert und Chef der Heeresleitung. 1930 floh er vor einem Putsch, den u.a. der bayrische Hauptmann a.D. (und spätere SA-Chef)
Ernst Röhm
(den er selber 1928 als Militärberater der Regierung nach Bolivien geholt hatte) anzettelte, zurück nach Deutschland. 1934-36 war er wieder in Bolivien, um den verlorenen Chaco-Krieg "abzuwickeln".
Germán Buschs Neffe Alberto Natusch Busch - 1973-1978 Landwirtschaftsminister - versuchte 1979 vergeblich, es seinem Onkel gleich zu tun und den nach Banzers Sturz einreißenden Niedergang Boliviens aufzuhalten. Er scheiterte am Widerstand der Gewerkschaften, die einen - von Carter finanzierten - Generalstreik inszenierten.
**Hartnäckige, aber schwer nachprüfbare Gerüchte sehen in Banzers Ehefrau die "graue Eminenz" hinter seiner Diktatur in den 1970er Jahren. Nachdem seine beiden ehelichen Söhne relativ früh verunfallt waren, erkannte Banzer die Vaterschaft zu einem weiteren Sohn aus einer nicht-ehelichen Beziehung mit María Isabel Donoso an.
***Teniente coronel. Da in den USA auch der Oberstleutnant als "Colonel" angesprochen wird, hat sich durch Übersetzungen aus dem Amerikanischen in Deutschland das Gerücht verbreitet, Banzer sei Oberst gewesen. Diesen Dienstgrad hatte er jedoch nie inne, da er sich als Präsident direkt zum General sprungbeförderte.
****Die Begriffe "links" und "rechts" sind in Bezug auf die bolivianische Politik oft irreführend. Ovanda galt als "links", weil er Handelsbeziehungen mit der UdSSR aufnahm. Auch Torres galt als "links", obwohl er eher ein Nationalist war und als solcher "rechts" einsortiert werden müßte. Als "rechts" wurden früher auch die "Drogenbarone" angesehen, die vom Koka-Anbau leben. Spätestens seit der Machtergreifung ihres Anführers Evo Morales im Januar 2006 weiß man jedoch, daß diese durchaus auch "linke" Politik machen können. Für diese Kategorie lateinamerikanischer Politiker hat man in jüngster Zeit - um den Begriff "National-Sozialisten" zu vermeiden - den Terminus "Links-Nationalisten" geprägt.
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