Engelbert Dollfuß

(4.10.1892 - 25.7.1934)

[Engelbert Dollfuß]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros*

1892
4. Oktober: Engelbert Dollfuß wird als unehelicher Sohn der Bäuerin Josefa Dollfuß in Texing** (Niederösterreich) geboren.

1904-1913
Dollfuß besucht ein Priesterseminar.

1914
Dollfuß beginnt in Wien Rechtswissenschaften und Nationalökonomie (Volkswirtschaftslehre) zu studieren.

[Dollfuß als Student]

1914-1918
Im Ersten Weltkrieg dient Dollfuß als Freiwilliger in der K.u.K. Armee, zuletzt im Range eines Oberleutnants der Reserve.
Die Erfahrungen der Kriegszeit lassen bei den Deutsch-Österreichern den Wunsch nach einer "großdeutschen" Wiedervereinigung wachsen; die "kleindeutsche Lösung" Bismarcks, der 1866 Österreich, Böhmen und Mähren aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen und diesen damit zerstört hatte, wird als historischer Irrtum erkannt.

1918
November: Nach dem Sturz der Habsburger und der Hohenzollern erklärt die Provisorische Nationalversammlung Deutsch-Österreich zur Republik und zum Bestandteil der deutschen Republik, die sich gerade konstitutiert hat.

1919
10. November: Im Diktatfrieden von St. Germain werden die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" und der "Anschluß" an das Deutsche Reich verboten.
Dollfuß setzt sein Studium in Berlin und Wien fort. Er engagiert sich in der katholischen Studentenbewegung (Cartellverband, CV) und wird Mitglied des Christlich-Sozialen Niederösterreichischen Bauernbundes.


1920
"Österreich" tritt dem Völkerbund bei, der das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" auf seine Fahnen geschrieben hat. Entgegen dem Diktat von St. Germain wird eine Volksabstimmung über den "Anschluß" an Deutschland angesetzt. Nachdem diese in Tirol 98,8% und in Salzburg 99,3% Ja-Stimmen gebracht hat, droht Frankreich mit einer Wiederaufnahme der Lebensmittel-Blockade (in Deutsch-Österreich sind nach dem Ersten Weltkrieg bereits über eine Million Menschen verhungert; in den Randprovinzen, vor allem in Galizien und Siebenbürgen, liegen die Zahlen noch höher) und erzwingt damit den Verzicht auf Abstimmung und "Anschluß".

1921
Dollfuß heiratet Alwine, geb. Glienke {1897-1973}. {Aus der Ehe gehen zwei Töchter hervor.}

1922
Nach seiner Promotion wird Dollfuß Sekretär der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer (bis 1930, seit 1927 Direktor). Er nimmt an internationalen Kongressen und Fachtagungen des Völkerbunds teil und steigt in den Vorstand der regierenden Christlich-Sozialen Partei auf.


1927
15./16. Juli: Ein Putschversuch der Sozialisten - bei dem der Wiener Justizpalast abgefackelt wird*** - scheitert.


1930
Oktober: Dollfuß wird Präsident der Österreichischen Bundesbahn.


1931
18. März: Dollfuß wird Bundesminister für Landwirtschaft und Forsten.
11. Mai: Die Österreichische Creditanstalt erklärt ihre Zahlungsunfähigkeit.**** Durch den Zusammenbruch seiner größten Bank wird auch Österreich von der seit 1929 schwelende Weltwirtschaftskrise voll erfaßt. Die zur Linderung ihrer Auswirkungen geplante Zollunion mit dem Deutschen Reich wird von Frankreich verhindert.
September: Ein Putschversuch der "Heimatwehren" in der Steiermark scheitert.


1932
20. Mai: Dollfuß wird an der Spitze einer konservativen Regierungskoalition österreichischer Bundeskanzler.
15. Juli: Im Abkommen von Lausanne verzichtet Dollfuß gegen eine Völkerbund-Anleihe von 300 Mio Schillingen auf einen "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich und bringt damit weite Teile des Volkes gegen sich auf, zumal die Anleihe in keiner Weise ausreicht, um auch nur die schlimmsten Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu beheben: Die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst müssen gekürzt werden, ebenso die Unterstützung für die 400.000 Arbeitslosen.

1933
30. Januar: Nachdem im deutschen Reich eine Koalition mit dem Führer der NSDAP, Adolf Hitler, als Kanzler an die Macht gekommen ist, deren offen verkündetes Ziel der "Anschluß" ist, lehnt sich Dollfuß, um diesen zu verhindern, eng an das fascistische Italien unter seinem "Duce" Benito Mussolini an; Auch innenpolitisch folgt er mehr und mehr dessen Vorbild ("Austrofaschismus").

[Führer Hitler] [Il Duce] [Führer Dollfuß]

Im In- und Ausland gilt der ob seiner Kleinwüchsigkeit ohnehin als "Pipifax" verlachte Dollfuß zunehmend als Witzfigur. Er wird u.a. karikiert als Zwerg zwischen seinen übermächtigen Nachbarn und - in Anspielung auf das Kinderbuch "Der Struwwelpeter" - als Suppenkasper, der die ihm von Hitler servierte "Wiedervereinigungssuppe" nicht essen will, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat und die Uhr der Geschichte anhalten will.

[Dollfuß als Gernegroß zwischen den übermächtigen Nachbarn Mussolini und Hitler] [Karikatur aus 'Die Brennessel' vom Mai 1933] [Dollfuß will die ihm von Hitler servierte 'Union Broth (Wiedervereinigungs-Suppe)' nicht essen - Karikatur aus dem 'Punch', Juni 1936] [Karikatur aus dem 'Kladderadatsch', Juni 1933]
************************************************************************************** "Oh, take the nazi soup away, ******** "Und wenn du noch so doll den Fuß dagegen stemmst,
*************************************************************************************** I won't have any soup today!" ********* glaub nicht, daß du die Zeit in ihrem Laufe hemmst!"

4. März: Dollfuß setzt das "Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz" vom 24.07.1917 (!) wieder in Kraft, suspendiert die parlamentarische Verfassung, zwingt den Nationalrat zum Rücktritt und verbietet zunächst die Kommunistische Partei (KPÖ).
11. September: Erster "General-Appell" der von Dollfuß im Mai gegründeten "Vaterländischen Front". Mit seiner "Operetten-Uniform" (er trägt - mit selbst verliehener Sondergenehmigung - die Uniform der "Kaiserjäger", einer Elite-Truppe, obwohl er selber nur den "Kaiserschützen" angehörte, einer Landwehr-Einheit), den - u.a. auf Saufabenden seiner Studentenverbindung (er ist "Philistersenior" der "Franco-Bavaria") erworbenen - Orden, dem an Hitler erinnernden Schnauzbart und dem "Birkhahnstoß" (aus Federn des armen Verwandten des Auerhahns, wie ihn usprünglich nur die Angehörigen der Tiroler Schützenvereine trugen) am Hut wirkt Dollfuß auf viele wie ein verkleideter Circus-Clown.


1934
12. Februar: Die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ)" unternimmt einen Aufstandsversuch. Da die para-militärischen Einheiten ihres "Republikanischen Schutzbundes" jedoch schlecht geführt werden und die Arbeiterschaft gar nicht daran denkt, ihren Aufruf zum Generalstreik zu befolgen, bricht der Putsch binnen drei Tagen zusammen. Dollfuß verbietet die SDAPÖ; die (meist jüdischen) Funktionäre, die den Aufstand angezettelt hatten, fliehen in die Tschecho-Slowakei.
17. März: Dollfuß reist nach Rom, wo er die "Römischen Protokolle" unterzeichnet, die "Österreich" auf Gedeih und Verderb an Italien und Ungarn binden, die ihm im Gegenzug militärischen Beistand im Falle eines deutschen, tschecho-slowakischen oder jugo-slawischen Angriffs zusagen.
1. Mai: Dollfuß verkündet eine neue, "ständische" Verfassung für Österreich, mit der die parlamentarische Demokratie beseitigt und die Vaterländische Front zur Staatspartei erklärt wird. Von da an hat der Diktator alle anderen politischen Kräfte gegen sich.


19. Juni: Dollfuß verbietet den österreichischen Ableger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).
25. Juli: Dollfuß wird bei einem Putschversuch österreichischer National-Sozialisten im Wiener Bundeskanzleramt angeschossen. Da sich kein Arzt findet, der ihn behandeln will, verblutet er.
[Die offizielle Darstellung ist eine andere. Danach holten die Putschisten keinen Arzt und ließen Dollfuß verbluten. Richtig - und unbestritten - ist aber, daß vor dem Kanzleramt lautstark nach einem Arzt für Dollfuß gerufen wurde, daß sich jedoch niemand meldete außer zwei Polizisten mit Erste-Hilfe-Ausbildung, die ihn nicht mehr retten konnten. Auch über den Täter und den Hergang der Tat herrscht bis heute Unklarheit. Den Putschisten, die das Regierungsgebäude besetzt hatten, war zunächst im Falle ihrer Kapitulation freier Abzug nach Deutschland zugesichert worden. Nachdem sie die Waffen nieder gelegt hatten, brach der neue starke Mann, Kurt v. Schuschnigg, diese Zusage, setzte die Putschisten gefangen und drohte, sie allesamt umzubringen, wenn sie den Täter nicht nannten. Daraufhin nahm ein gewisser Otto Planetta die Tat auf sich. Aus dessen Waffe hatte sich aber wohl nur versehentlich ein - nicht tödlicher - Schuß gelöst. Wer den tödlichen zweiten Schuß abgab, der aus nächster Nähe auf den am Boden liegenden Dollfuß abgegeben wurde und unstreitig nicht aus Planettas Waffe stammte, wurde nie geklärt. Planetta und 12 weitere Aufständische wurde nach einem summarischen Verfahren erschossen; der Rest - ca. 4.000 Menschen - kam ins Konzentrationslager Wöllersdorf.*****]


* * * * *

seit 1934
Dollfuß' Nachfolger versuchen, ihn von Staats wegen zum "Martyrer" aufzubauen.


Alle diese Versuche scheitern mehr oder weniger kläglich. Auf das eigens von einem gewissen "Austriacus" für das Katholische Jungvolk geschriebene "Dollfuß-Lied" ("Ihr Jungen schließt die Reihen gut - ein Toter führt uns an. Er gab für Österreich sein Blut, ein wahrer deutscher Mann...") antwortet der Volksmund nur: "Wir lassen uns nicht anführen!"

1935
Johannes Messner veröffentlich eine erste - qualitativ und quantativ (160 Seiten) äußerst dünne - Dollfuß-Biografie, die vor allem betont, daß er ein frommer Katholik gewesen sei und nichts weiter gewollt habe als einen wahrhaft christlichen Staat. Die englische Übersetzung erscheint mit dem Untertitel "An Austrian Patriot [ein österreichischer Patriot]".


1994
Das von Dollfuß' Tochter Eva {1928-1993} verfaßte Buch "Mein Vater - Hitlers erstes Opfer" erscheint posthum. Aus dem Erlös wird ein schöner neuer Grabstein für das Familiengrab finanziert.


2004
Zu Dollfuß' 70. Todestag will die ÖVP (Österreichische Volkspartei) ihn mit Gedenkfeiern wieder etwas populärer machen, fordert damit aber nur Gegen-Demonstrationen heraus.
Gudula Walterskirchen veröffentlicht eine Dollfuß-Biografie mit dem Untertitel "Arbeitermörder oder Heldenkanzler" - ohne Fragezeichen und ohne schlüssige Antwort.


2014
Lucile Dreidemy veröffentlicht "Der Dollfuß-Mythos. Eine Biographie des Posthumen". Sie versucht, das zu tun, was Dikigoros auf seinen biografischen Webseiten schon lange praktiziert, nämlich das Nach-Leben und -Wirken einer Person über ihren fysischen Tod hinaus zu verfolgen.


(Ein Versuch, der als durchaus gelungen bezeichnet werden kann. Sie hatte ja auch viel mehr Platz - 364 Seiten - als Dikigoros auf dieser Webseite, die überdies für Leser gratis ist, während ihr Buch knapp 30.- Teuro kostet :-)


*Es kommt nur selten vor, daß Dikigoros nach Jahren ein Titelbild austauscht, denn das wählt er immer als erstes und meist sehr sorgfältig aus. Aber hier liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, denn er hat eine besonders interessante Propagandakarte gefunden, die auf anderen "einschlägigen" Webseiten offenbar niemand abbilden will. Warum nicht? Nun, Dollfuß' Gegner stört vielleicht, daß er ausnahmsweise mal ein freundliches Gesicht macht. (Das ist wirklich eine Ausnahme - Dikigoros kennt sonst kein einziges Foto von ihm, auf dem er auch nur halbwegs sympathisch lächelt!) Seine Anhänger dürften sich dagegen an der Signatur stören: Man muß kein Psychologe und auch kein Schriftsachverständiger sein, um zu sehen, daß das die [Unter-]Schrift eines geistig total minderbemittelten ist (IQ unter 80), der im übrigen mehr schlechte Eigenschaften in sich vereint, als man sich - selbst bei einem Politiker - vorstellen kann.

**Die Orte im Tal der Texing wurden inzwischen zu einer Gemeinde "Texingtal" zusammen gelegt, ähnlich wie die Orte im Tal der Wupper zu einer Stadt "Wuppertal" zusammen gelegt wurden. In Dollfuß' Geburtshaus befindet sich heute ein "Dr. Dollfuß Museum", das ihn als großen Patrioten, Martyrer und Vorkämpfer gegen den National-Sozialismus darstellt.

[Büste des unsterblichen Dr. Dollfuß im Museum Texingtal]

***Moderne Geschichts-Klitterer versuchen den Eindruck zu erwecken, es handelte sich um den "gut-demokratischen" Protest "braver Demonstranten" gegen einen "skandalösen" Freispruch dreier "rechtsradikaler Mörder" durch die auf dem rechten Augen blinde österreichische Justiz, auf den die Wiener Polizei "überreagiert" habe, wodurch es erst zu Straßenkämpfen und Todesopfern gekommen sei. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Das angebliche "Skandalurteil" betraf eine der damals üblichen Auseinandersetzungen zwischen "linken" und "rechten" Militanten in Schattendorf (Burgenland), bei der die Sozialisten zu dem bewährten Mittel gegriffen hatten, sich hinter Frauen und Kindern zu verschanzen, wobei ein Kind und ein jugo-slawischer Gastarbeiter getötet wurden. Drei "Rechte" wurden angeklagt, jedoch frei gesprochen - wohlgemerkt von Laien-Geschworenen, nicht von einem beamteten Richter. Die Sozialisten nahmen dieses Urteil lediglich zum Vorwand, um einen lang geplanten Putsch zu unternehmen. Federführend waren dabei der "Republikanische Schutzbund" der SDAPÖ und die Gewerkschaften, von denen die Arbeiter aufgehetzt wurden, Wien zu "erobern". Sie griffen die Universität, die "Wiener neuesten Nachrichten", ein Polizeirevier und das Parlament an - ohne Erfolg. Daß es ihnen gelang, ausgerechnet den Justizpalast abzufackeln, war eher Zufall, genauer gesagt die Schuld das Verdienst des Gerichtspräsidenten Theodor Körner (SDAPÖ), der die Gerichtswachen zuvor gezwungen hatte, ihre Waffen abzugeben, um niemanden zu "provozieren" (was die Aufständischen indes nicht davon abhielt, vier von ihnen zu ermorden). Die "Demonstranten" hinderten auch die Feuerwehr erfolgreich daran, das Feuer zu löschen, indem sie ihr die Wasserschläuche zerschnitten. Sowohl der Bürgermeister von Wien als auch der Heeresminister weigerten sich, der völlig überforderten Wiener Polizei die von deren Präsidenten angeforderte Hilfe zu schicken. Am Ende gab es knapp 100 Tote und über 1.000 Verletzte - wobei die Zahl der verletzten Polizisten etwas höher war als die der verletzten Demonstranten. Man muß diese Ereignisse im Hinterkopf behalten, wenn man sich fragt, warum Dollfuß im Februar 1934 den neuerlichen Aufstand der Sozialisten mit so konsequenter Härte - diesmal unter Einsatz des Bundesheeres - nieder schlagen ließ. Körner wurde nicht etwa wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht gestellt, sondern nach dem Krieg Präsident der zweiten "Republik Österreich".

[Theo Körner - ein Mordgeselle wird Präsident]

Einer seiner Nachfolger, der Sozialist Heinz Fischer, ließ 80 Jahre später im neu erbauten Justizpalast eine Gedenktafel aufstellen, auf welcher der "unschuldigen" sozialistischen Opfer des Wiener Polizei-Einsatzes gedacht wird. Die von den "Demonstranten" ermordeten Gerichtswachen werden mit keinem Wort erwähnt.

****Meist wird der Zusammenbruch der "Creditanstalt" einerseits als Folge der Weltwirtschaftskrise, andererseits als Ursache für deren Übergreifen auch auf Deutschland dargestellt. Beides ist ebenso zweifelhaft wie die früher oft vertretene Auffassung, Frankreich habe den Zusammenbruch bewußt herbei geführt. Richtig ist vielmehr, daß die "Credit-Anstalt" des jüdischen Spekulanten Louis Nathaniel Rothschild schon in den frühen 1920er Jahren wiederholt durch Finanzspritzen anderer Wiener Banken (u.a. der "Österreichischen Postsparkasse") vor dem Konkurs gerettet werden mußte. Gleichwohl band sie sich 1926 die marode "Anglo-Österreichische Bank" und 1929 die ebenso marode "Bodenkreditanstalt" ans Bein, deren frisierte Bilanzen ein Kapital von 80 Millionen Schillingen auswiesen. (Der AS hatte damals eine höhere Kaufkraft als die Reichsmark, obwohl sein offizieller Wechselkurs nur um die 60 Pf schwankte; er dürfte in etwa 16.- Euro nach der Währungsreform von 2002 entsprochen haben.) Später stellte sich heraus, daß sie mit 140 Millionen AS in den Miesen lag - wohlgemerkt noch vor dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929. Mit eben diesen 140 Mio AS stand die CA Anfang Mai 1931 in den roten Zahlen und die Regierung vor der Frage, was sie tun sollte. Statt sich heraus zu halten und Rothschilds Bank in Konkurs gehen zu lassen - was lediglich seinen zumeist ausländischen Gläubigern geschadet hätte - peitschte man in Windeseile ein "Creditanstalt-Gesetz" durch, wonach der Staat "Österreich" die Haftung für zwei Drittel der CA-Schulden übernahm. (Das Haus Rothschild wollte sich lediglich mit 15% beteiligen; den Rest sollte die Österreichische Nationalbank tragen.) Erst diese Dummheit "Rettungsmaßnahme" löste den Run auf die CA aus, der zu ihrem endgültigen Zusammenbruch führte. Weit davon entfernt, aus diesem Fehler zu lernen, peitschte die Regierung ein zweites "Creditanstalt-Gesetz" durch, wonach der Staat "Österreich" für die gesamten Schulden der CA gerade stand, was sich als Faß ohne Boden erwies. (Bis zur de-facto-Verstaatlichung 1934 durch Dollfuß verschlang die Sanierung der CA fast 1 Milliarde AS an Hilfsgeldern.) Erst nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, nutzte Frankreich seine finanzielle Machtstellung, um internationale Kredite an "Österreich" - das nunmehr selber vor dem Staatsbankrott stand - zu verhindern, bevor die Regierung nicht auf einen "Anschluß" an das Deutsche Reich verzichtet hatte. (Als der "Anschluß" 1938 dann doch erfolgte, wurde der Bankrotteur Rothschild zwar zunächst verhaftet, aber dann nicht weiter behelligt; er durfte ungehindert ausreisen.) Mit der deutschen Bankenkrise - die im Juli 1931 mit der Zahlungsunfähgikeit der "Danat-Bank" begann - hatte die CA nichts zu tun; diese wurde vielmehr durch den Abzug ausländischer Gelder bzw. Kredite ausgelöst. Erschreckender Weise haben die Politiker unserer Tage aus dieser Geschichte nichts gelernt, wie die Weltfinanzkrise zeigt, die 2008 mit dem Zusammenbruch einiger ähnlich unsolider Banken (Lehmann Bros., Hypo Real Estate, Kaupthing, Landsbanki, Glitnir - die letzten drei am ehesten vergleichbar, da die Wirtschaft Islands ähnlich schwach ist wie es die "Österreichs" war) begann. Statt eines sauberen Konkurses mit vergleichsweise geringen Verlusten bei einigen Spekulanten wurden hunderte Milliarden an Steuergelder in die Rettung jener maroden Unternehmen gepumpt, was die betroffenen Staaten wiederum selber an den Rand des Bankrotts brachte.

*****Dieses rabiate Vorgehen - Justizmord an einem offenbar Unschuldigen - machte das Schuschnigg-Regime beim Volkbei der Bevölkerung auf einen Schlag ebenso unbeliebt, wie es das Dollfuß-Regime zuvor gewesen war. Es stand in auffallendem Gegensatz zum Verhalten österreichischer Behörden bei früheren politischen Attentaten. So hatte im Oktober 1916 Friedrich Adler, der Sohn des jüdischen Sozialistenführers Viktor Adler, den österreichischen Ministerpräsidenten Graf Stürgkh in einem Wiener Café erschossen. Wiewohl es weder an seiner Tat noch an seinen niederen Beweggründen die geringsten Zweifel gab (Adler huldigte der absurden Ansicht, der harmlose, fast erblindete Greis, den man lediglich als Marionette auf seinen Posten gehievt hatte, sei persönlich verantwortlich für den Ersten Weltkrieg im allgemeinen und das Verbot irgendeiner Arbeiter-Demonstration im besonderen), dauerte sein Prozeß ein halbes Jahr. Adler wurde zwar 1917 pro forma zum Tode verurteilt, aber vom Kaiser sofort zu "lebenslanger" Haft begnadigt. Bereits 1918 wurde er entlassen; im folgenden jubelten die linken Medien ihn zu einem "Martyrer" und "Friedenskämpfer" und seinen feigen Mord zu einer "Heldentat" hoch.


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