Didier RATSIRAKA

(04.11.1936 - 28.03.2021)


Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1936
04. November: Didier Ignace Ratsiraka wird als Sohn des halb-französischen Kolonialbeamten Albert Ratsiraka und einer Angehörigen des Betsimisaraka-Stammes in Vatomandry auf Madagaskar geboren.


Frankreich, das bereits im 17. Jahrhundert Stützpunkte im Südosten der Insel (Fort Dauphin) und auf der vorgelagerten Île Sainte Marie errichtet hatte, hat in den 1890er Jahren ganz Madagaskar erobert und es nach Scheitern des Plans, die letzte "Königin" Ranavalona III als Marionette beizubehalten, zum "Protektorat" gemacht, in dem ca. zwei Dutzend Stämme afrikanischer, malaiischer u.a. Abstammung durcheinandernebeneinander leben, die meistenteils nichts von einander wissen wollen.

[Der Eroberungskrieg auf Madagaskar - zeitgenössische Propagandapostkarte] [Die Stämme von Madagaskar - Übersichtskarte] [Notenheft]

(In Deutschland "kennt" man die Insel nur aus dem 1934 von Just Scheu verbrochenenverfaßten Seemannslied "Wir lagen vor Madagaskar [und hatten die Pest an Bord]".)

1942
Britische Truppen überfallen Madagaskar und errichten ein Besatzungsregime.

1943
Die Briten reichen Madagaskar an den Rebellen-General de Gaulle weiter.

1943-58
Ratsiraka besucht zunächst die Volksschule in Tamatave, dann das Lyzeum in Tananarive.

1947
Die Franzosen schlagen einen Eingeborenenaufstand blutig nieder - unter Kosten, die die wertlose Kolonie niemals wieder "einspielen" kann.


1958
Oktober: Frankreich gewährt Madagaskar Autonomie innerhalb der "Communauté française".
(So wie die Briten ihr bröckelndes "Empire" in "Commonwealth" umbenannt haben, haben die Franzosen ihr Kolonialreich erst in "Union française", dann in "Communauté française" umbenannt.)

1958-60
Nach dem Abitur (Baccalauréat) besucht Ratsiraka die wissenschaftlichen Vorsemester (classes préparatoires) am Lyzeum Henri IV in Paris.

1959
Unterdessen wird der künftige Präsident von Madagaskar gewählt, dessen Amt analog dem des Präsidenten von Frankreich seit der Machtergreifung de Gaulles mit großer Machtfülle ausgestattet ist. Es gewinnt der ehemalige Cowboy Ochsenknecht Bouvier, zwischenzeitliche Lehrer und amtierende Präsident des Regierungsrats des autonomen Madagaskar, AlibertPhilibert Tsiranana, der die "Sozial-demokratische Partei" (vormals "Partei der Enterbten", später "Sozialistische Partei" genannt) anführt.
(T. hat mit dem Wahlversprechen gewonnen, die Strafen für Viehdiebe zu verschärfen, das er auch einlöst - womit er in der Geschichte der "demokratischen" Wahlkämpfe nicht nur in Afrika ziemlich allein stehen dürfte.)

1960
Juni: Frankreich entläßt Madagaskar in die vollständige Unabhängigkeit, hält jedoch die militärischen "Bindungen" aufrecht.
Ratsiraka tritt als Kadett in die Offiziersschule der französischen Marine (Ècole navale) in Lanvéoc bei Brest ein.

[Der Kreuzer Jeanne d'Arc]

1962
Nach der obligatorischen Weltumseglungrundung auf dem Kreuzer Jeanne d'Arc wird Ratsiraka zum Oberfähnrich z.S. befördert und erhält sein erstes Kommando auf dem ehemals französischen Patrouillenboot "Marjolaine" (als "Tanamasoandro" in madegassische Dienste übernommen).

[Das Patrouillenboot Tanamasoandro]

Nachdem er dieses auf Grund gesetzt hat, wird er als Marineattaché an die madegassische Botschaft in Paris abgeschobenversetzt.


1962-1972
Während Madagaskar als "Insel der Glückseligen [Île heureuse]" vor sich hin dämmert (es produziert kaum genug, um seine rapide wachsende Bevölkerung zu ernähren, exportiert nur etwas minderwertigen Kaffee, Vanilleschoten und Fischmehl und lebt im übrigen von Entwicklungshilfe aus Frankreich und der BRD*) klettert Ratsiraka die militärische Karriereleiter stetig nach oben. Nach zehn Jahren ist er Fregattenkapitän.

1972
Mai: Angesichts bürgerkriegsähnlicher Krawalle in Tananarive zwingt nötigt überredet General Gabriel Ramanantsoa - Absolvent der französischen Militär-Akademie St. Cyr, Veteran des Indochinakrieges und Chef des madegassischen Generalstabs - Tsiranana, ihn zum Premierminister zu ernennen. Er schlägt die Unruhen nieder, läßt sich im
Oktober per "Referendum" zum neuen Präsidenten wählen und beginnt, Madagaskar außenpolitisch dem von der Sowjet-Union geführten Ostblock anzunähern.**
Zum Außenminister ernennt er Ratsiraka, der diese Neuorientierung aus voller Überzeugung mit trägt.
Die meisten der wenigen Weißen, die nach der Unabhängigkeit von 1960 noch im Lande geblieben waren und die Infrastruktur einigermaßen aufrecht erhalten hatten, kehren ihm nun den Rücken.***

1975
Februar: Angesichts erneuter Unruhen tritt Ramanatsoa zurück. Nach kurzen Intermezzi unter den Obersten Richard Ratsimandrava (der bald ermordet wird) und Gilles Andriamahazo putscht sich Ratsiraka an die Macht, die er sich im
Dezember ebenfalls per Referendum bestätigen läßt. (Er wird für 7 Jahre zum "Präsidenten" gewählt.) Nebenbei läßt er über eine neue Verfassung abstimmen, die Madagaskar zur Volksrepublik nach sowjetischem Muster macht. Er nennt die Regierung in "Oberster Revolutionsrat" um und befördert sich um einige Ränge. Bald wird er nur noch "der rote Admiral [l'Amiral rouge]" genannt. Der belgische Comic-Zeichner Marcel Remacle widmet ihm im selben Jahr einen Band seiner populären Serie "Barbe-Noire [Schwarzbart der Pirat]" mit dem Titel "Sous la griffe de Lucifer [Im Griff Satans]".

[Comic]

1976
Ratsiraka gründet eine sozialistische Einheitspartei, die er "AREMA" (Avantgarde der madegassischen Revolution) nennt.

1982
Dezember: Nach 7 mageren Jahren sozialistischer Mißwirtschaft (Madagaskar ist de facto bankrott und lebt überwiegend von der Welthungerhilfe) läßt sich Ratsiraka erneut zum Präsidenten wählen, kommende 7 fette Jahre in einem "sozialistischen Paradies" versprechend.

[Moses, der schwarze Rabe] [Picknick am Sugarcandy mountain] [Das Wahlvieh lauscht andächtig]

1989
März: Da die eigentlich erst für Dezember anstehende Präsidentschaftswahl um 9 Monate vorgezogen wird, zeichnet sich der Untergang des Sowjet-Imperiums - der das Ende aller Hilfszahlungen vom großen Bruder bedeutet - noch nicht ab. Die tumpen Wähler geben erneut Rastiraka ihren Segen,**** obwohl Madagaskar inzwischen zu einem der ärmsten Länder der Welt geworden ist. Die sozialistische Regierung verteilt die wenigen vorhandenen Ressourcen auf lauter unproduktive Zweige um: Verwaltung (40%), Militär (30%) und VolksverblödungBildung (20%).***** Produziert wird dagegen so gut wie gar nichts mehr. Das Volk hungert, die Beulenpest grassiert. (Später kommt auch noch AIDS dazu.)

[Wasserversorgung auf Madagaskar] [Idyllische Siedlung auf Madagaskar]

1991
August: Regierungsgegner organisieren einen "Marsch der 100.000" auf den Regierungssitz in Tananarive; Rastiraka läßt ihn von seiner Palastwache zusammen schießen.
(Im Nachhinein unterlag und unterliegt dieses Ereignis zunehmender Legendenbildung. Inzwischen ist die Zahl der Teilnehmer auf "400.000" gestiegen und die der Getöten von ein paar Dutzend auf ein mehrere Tausend.)
Oktober: Ratsiraka muß Kredite vom IWF in Anspruch nehmen und sich im Gegenzug verpflichten, im folgenden Jahr freie Wahlen abzuhalten.

1992/1993
Nach wiederholten Wahlgängen verliert Ratsiraka die Präsidentschaft an Albert Zafy.

1993
März: Ratsiraka geht nach Frankreich, das seinem alten Freund politisches Asyl gewährt. In Madagaskar geht es derweil auch unter seinem Nachfolger weiter bergab - wie überall in Schwarzafrika, wo die Eingeborenen die Macht ergriffen haben.


1996/97
Ratsiraka kehrt nach Madagaskar zurück und wird nach mehreren Wahlgängen erneut zum Präsidenten gewählt.

2001
Juni: Neuerliche Präsidentschaftswahlen enden in einem Patt; das Land versinkt im Bürgerkrieg.

2002
Juli: Als sich das Bürgerkriegsglück gegen Ratsirakas Anhänger wendet, geht er erneut ins Exil nach Frankreich. (Die Staatskasse - in der sich gerade noch 8 Mio US-$ befinden - nimmt er höchstvorsorglich mit, damit sie niemand veruntreuen kann :-) Er residiert im [fast] negerfreienvornehmen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine.******


2003
August: In Madagaskar hat man nichts wichtigeres zu tun als Ratsiraka in absentia den Prozeß zu machen. Er wird zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt - wobei jeder weiß, daß er diese Strafe nie antreten wird.

2009
August: Ratsiraka trifft sich heimlich in Mozambique mit anderen - z.T. ebenfalls exilierten, z.T. offiziell an einer kaum noch existierenden "Macht" befindlichen - madegassischen Politikern. Danach wird er offiziell amnestiert.

2011
November: Ratsiraka kehrt nach Madagaskar zurück.

2013
April: Ratsiraka bewirbt sich erneut um die Präsidentschaft. Das Verfassungsgericht erklärt seine Wahlkandidatur jedoch für unzulässig; damit ist seine politische Karriere - vorerst - beendet.

2018
November: Nachdem Madagaskar seit 2002 ein halbes Dutzend Häuptlinge verbraten Präsidenten verbraucht hat, darf sich Ratsiraka doch noch einmal zur Wahl stellen. Er bringt es auf immerhin fast ein halbes Prozent der Stimmen. (Das ist gar nicht so wenig wie es auf den ersten Blick scheint, wenn man bedenkt, daß drei Dutzend Kandidaten zur Wahl standen :-)

2021
28. März: Didiere Ratsiraka stirbt in Antananarivo und wird dort auch begraben.


*Präsident Tsiranana besucht 1962 den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt; 1966 empfängt er den Afrika-Freund Heinrich Lübke zu seinem legendären Gegenbesuch in Tananarive. Der BRD-Präsident ist äußerst spendabel und sorgt dafür, daß sich ein Füllhorn deutscher Steuergelder über Madagaskar ergießt.

[Germania mit Füllhorn]

**Man darf im Rückblick nicht vergessen, daß Madagaskar damit nicht alleine stand. Auch das BRD-Regime hatte sich unter B-Kanzer Brandt und seinem Minipli-star des Äußer[st]en Tünnes Scheel der SU angenähert; die USA näherten sich unter Präsident Nixon und seinem üblennobelpreisgekrönten Außenminister Kissinger sogar Rotchina an.

***Anders als auf dem afrikanischen Festland sahen die meisten Weißen auf Madagaskar, was kommen mußte, und verließen die unwirtliche Insel rechtzeitig. Dies gilt jedenfalls für die Franzosen. Einige "Idealisten" - vor allem Deutsche - waren dumm genug, länger zu bleiben. Einer der letzten, die gingen, war Dikigoros' Ex-Mitschüler R. Dikigoros kann nicht schreiben, daß er sein Ex-Schul-"Freund" war, denn sie verstanden einander damals gar nicht. Heute tut ihm das leid, denn R. war eigentlich kein schlechter Kerl. Nachdem er Madagaskar verlassen hatte, ging er mit seiner Frau nach Südwest-Afrika, wo sie ein Touristen-Hotel aufmachten. Aber er kam vom Regen in die Traufe: Auch dort ergriffen eingeborene Marxisten - mit US-amerikanischer und br-deutscher Hilfe - die Macht, ruinierten die Wirtschaft des Landes und am Ende auch ihn. Heute lebt er... nein, nicht in der BRDDR. "Von dem Berliner Drecksregime, das aus Deutschland einen Nigger- und Kanakenstaat gemacht hat, will ich nichts mehr wissen," verriet er Dikigoros (mit dem er sich schon lange versöhnt hatte, am Rande der 25-Jahrfeier ihres gemeinsamen Abiturs, als sie entdeckten, daß sie beide begeisterte Senioren-Sportler geworden waren - das verbindet :-) Heute lebt R. in Ungarn, ganz am Westrand, wo man mit Deutsch einigermaßen über die Runden kommt, denn mit Fremdsprachen steht er nach wie vor auf Kriegsfuß. "Das ist das einzige Land in Europa, das noch eine vernünftige Ausländerpolitik macht," meinte er. Und aus dem Munde von jemandem, der Jahrzehnte lang aufrichtig bemüht war, im fernsten Ausland mit Menschen unterschiedlichster Rassen friedlich zusammen zu leben, hat eine solche Aussage für Dikigoros hohes Gewicht. Er wird die Geburtsurkunde seiner ungarischen Urgroßmutter gut aufheben - vielleicht kann er sie eines unschönen Tages noch brauchen...

****1989 gab es sogar zwei Gegenkandidaten, die anschließend von Wahlbetrug sprachen und einen schlecht organisierten Aufstand anzettelten, den Ratsiraka vom Militär problemlos nieder schlagen ließ.

*****Kaum ein anderes afrikanisches Land verschwendet einen so hohen Anteil des Bruttosozialprodukts für "Bildung" wie Madagaskar - die Insel hat 6 "Universitäten" und unzählige Schulen. Dennoch lag und liegt die Analfabetenrate konstant bei ca. 70%.

******Neuilly-sur-Seine ist die offizielle Partnerstadt des Brüsseler Vororts Uccle, wo Ratsirakas Ex-Kollege Mobutu Schloß Fond'Roy - die ehemalige Residenz des belgischen Königs Léopold II - besaß.

[Schloß Fond'Roy in Uccle bei Brüssel]


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