Gabriele d'Annunzio

(12.03.1863 - 01.03.1938)

[Gabriele d'Annunzio]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

Familienwappen

1863
12. März: Gabriele d'Annunzio wird als drittes von fünf Kindern des wohlhabenden Bauern Francesco Paolo d'Annunzio (geb. Rapagnetta, Namensänderung 1851 durch Adoption) und dessen Frau Luisa (geb. de Benedictis) in Pescara geboren. [Das Geburtshaus ist heute ein Museum.]

1874
D'Annunzio besucht das Collegio Cicognini in Prato (bis 1881) und entwickelt früh dichterische Neigungen.


1879
D'Annunzio veröffentlicht eine Ode an König Umberto.

1880
D'Annunzio besteht die Reifeprüfung mit Auszeichnung.

1881
D'Annunzio nimmt ein Filologie-Studium in Rom auf.

1882
D'Annunzio veröffentlicht eine Gedicht- und eine Novellensammlung.

1883
Juli: D'Annunzio heiratet Maria Hardouin, Herzogin di Gallese (1864-1954).
Aus der Ehe - die 1899 von Tisch und Bett getrennt wird (eine Scheidung gibt es in Italien noch nicht) - gehen drei Söhne hervor.
D'Annunzio und seine Frau beziehen die luxuriöse Villa Mammarella in Francavilla bei Pescara.

[Mammarella]

1884
D'Annunzio wird Redakteur der Zeitschrift "Tribuna" in Rom.


1885
D'Annunzio behält von einem Duell eine Narbe auf dem Kopf zurück, die sein persönliches Markenzeichen wird.

1889
D'Annunzio veröffentlicht den Roman "Lust", der seinerzeit als patriotisch und heute als "chauvinistisch" angesehen wird.

1889/90
D'Annunzio leistet verspätet seinen Militärdienst ab. Letzter Dienstgrad: Sottotenente (Secondelieutenant).

1891
D'Annunzio wird Redakteur der Tageszeitung "Il Mattino" in Neapel.


1895
D'Annunzio lernt auf einer Reise nach Griechenland die Schauspielerin Eleonora Duse kennen.

1896
D'Annunzio veröffentlicht den Roman "Die Jungfrauen vom Felsen", der unter dem Einfluß der Filosofie Friedrich Nietzsches steht (Idee des "Übermenschen").

1897
D'Annunzio wird als Kandidat der Konservativen Partei in die italienische Abgeordnetenkammer gewählt. Er beginnt, sich selber als einen geistigen Führer Italiens zu sehen.

1898
D'Annunzio übersiedelt nach La Capponcina in der Nähe von Florenz.

[La Capponcina]

1901-1904
D'Annunzio besetzt die Hauptrollen seiner Dramen mit Eleonora Duse, was zu beiderseitigem Erfolg führt.

1903/04
D'Annunzio veröffentlich die "Gesänge"; er wird als großer Lyriker gefeiert.

1910
D'Annunzio verläßt La Capponcina und Italien, um in die französische Hauptstadt Paris überzusiedeln.

1911
Italien besetzt Tripolitanien und die Cyrenaica (später 'Libyen'), die bis dahin zum Osmanischen Reich gehörten. D'Annunzio nimmt das zum Anlaß für die nationalistischen "Gesänge der Taten jenseits der Meere".

1914
Nach Ausbruch des Ersten Weltriegs besucht d'Annunzio französische Fronttruppen und schreibt darüber in Berichten für den Figaro und das Pariser Journal, später auch für den Mailänder Corriere della sera.

1915
Mai: D'Annunzio kehrt nach Rom zurück und hetzt zum Kriegseintritt auf Seiten der Entente, obwohl Italien offiziell mit den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet ist. Berühmt-berüchtigt wird seine "Orazione per la sagra dei Mille", in der er die 1.000-köpfige Räuberbande Garibaldis verherrlicht, die für ein "größeres Italien" gekämpft habe. [Es ist offensichtlich, daß d'Annunzio in Garibaldi so etwas wie ein Vorbild sieht, dessen Heroïsierung nicht zuletzt sein "Verdienst" ist.]
24. Mai: Nachdem Italien den Mittelmächten den Krieg erklärt hat, meldet sich d'Annunzio, obwohl mit 52 nicht mehr wehrdienstpflichtig, freiwillig und wird als tenente [Oberleutnant] der Reserve Kampfflieger.
August: D'Annunzio überfliegt erstmals Triest.


1916
Januar: Bei einer Notlandung rammt sich d'Annunzio ungeschickt das eigene Maschinengewehr ins rechte Auge und ist seitdem nicht mehr nur im übertragenen Sinne halbblind; er wird dafür mit der silbernen Kriegsmedaille ausgezeichnet.
September: D'Annunzio kehrt nach 9 Monaten Lazarettaufenthalt in Venedig an die Front zurück.
Oktober/November: D'Annunzio nimmt an der 8. und 9. Isonzo-Schlacht teil und wird zum capitano [Hauptmann] der Reserve befördert.

1917
Januar: D'Annunzio wird mit dem Kriegsverdienstkreuz (dem deutschen Eisernen Kreuz entsprechend) ausgezeichnet.
August: Bei mehreren Bombenangriffen auf den österreichischen Hafen Pola führt d'Annunzio als großartige Neuerung den Schlachtruf "Eia, eia, alalà" ein; er wird dafür zum maggiore [Major] der Reserve befördert und mit dem Ritterorden von Savoyen augezeichnet.
Da es in Italien für jeden längeren Feindflug, von dem man heil zurück kehrt, eine Kriegsmedaille gibt, hat d'Annunzio bald eine Unmenge davon angesammelt; er wird zum höchstdekorierten italienischen Flieger des Ersten Weltkriegs, ohne einen einzigen Feindabschuß geschafft zu haben.
Oktober: Nach der Schlacht von Caporetto (Karfreit, heute Kobarid) bricht die italienische Isonzo-Front zusammen; die italienischen Truppen ziehen sich an die Piave zurück.
Dezember: Gegen die Bestrebungen der italienischen Regierung, einen Separatfrieden mit Österreich-Ungarn zu schließen, wird von Abgeordneten aller Parteien der "Fascio parlamentare di difesa nazionale [Palamentarische Bund zur nationalen Verteidigung]", kurz "Fascio nazi", gegründet, der sich die Weiterführung des Krieges zum Ziel setzt - und dies auch erreicht.


1918
August: Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelingt es d'Annunzio, bis nach Wien zu fliegen. Dort wirft er einen Nachttopf mit Exkrementen und 40.000 Flugblätter ab - mit einem selbst verfaßten italienischen Text, von dem er offenbar glaubt, daß ihn die Österreicher verstehen. In Wien trägt ihm das eine Lachnummer ein, in Italien einen weiteren Ritterorden und eine goldene Kriegsmedaille.
24. Oktober: Drei Tage nach der Auflösung Österreich-Ungarns beginnt die tapfere italienische Armee eine Offensive gegen dessen nunmehr unverteidigte Grenze. D'Annunzio ist dabei und wird mit weiteren Kriegsmedaillen und der Beförderung zum tenente colonello [Oberstleutnant] der Reserve belohnt.
4. November: Österreich-Ungarn kapituliert (italienischer Nationalfeiertag - "anniversio della vittoria" - bis 1977). Wiewohl im Lager der Sieger stehend, ist Italien wirtschaftlich ruiniert.


1919
Januar-August: D'Annunzio verkündet in zahlreichen blutrünstigen Reden und Zeitungsartikeln (berühmt-berüchtigt wird vor allem sein Gedicht "Geruch des Blutes") seine Annexionswünsche: Das Trentino, Süd-Tirol, Julisch-Venetien, Istrien mit Triest und Fiume (heute Rijeka) - dem wichtigsten Mittelmeerhafen Österreich-Ungarns, der eine italienische Bevölkerungsmehrheit hatte - und ganz Dalmatien (das bis heute stark italienisch geprägt ist) müssen an Italien fallen, ferner als "Protektorate" Albanien und Süd-Anatolien ("türkische Riviera").


10. September: Im Diktatfrieden von St. Germain werden Italien auf Betreiben des US-Präsidenten Wilson Fiume, Teile Dalmatiens, Albanien und Süd-Anatolien vorenthalten, während England, Frankreich, Japan und die USA die deutschen Kolonien unter sich aufteilen. D'Annunzio spricht daher von einem "verstümmelten Sieg [vittorila mutilata]".
11./12. September: D'Annunzio besetzt mit einer Freischärlertruppe ("Gli arditi [die Kühnen]" - den deutschen Freikorps zu vergleichen) von 2.000 Mann Fiume.
[Damals gilt, aller Propaganda und allen "Abstimmungen" zum Trotz, das Gesetz des Stärkeren: Auch in Schlesien und im Baltikum entscheiden damals die Waffen der Freischärler über die künftige Staatszugehörigkeit weiter Gebiete.]
Die italienische Regierung tut offiziell nichts, um den selbst ernannten Stadtkommandanten zu unterstützen, unternimmt aber auch nichts gegen ihn, angeblich weil sie es nicht wagt, ihrem populärsten Kriegshelden in den Rücken zu fallen, tatsächlich, weil sie Fiume schon gerne annektieren würde.


1920
10. August: Im Frieden von Sèvres erhält Italien einen kleinen Streifen Süd-Anatoliens an der "türkischen Riviera" um Antalya, während England und Frankreich die arabischen Gebiete des zerschlagenen Osmanischen Reiches unter sich aufteilen und Griechenland und Armenien große Gebiete Kleinasiens erhalten.
11./12. November: Im Vertrag von Rapallo mit dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen verzichtet Italien vorläufig auf Fiume, das - ähnlich wie Danzig - eine "Freie Stadt" wird. D'Annunzio wird aufgefordert, dieselbe zu räumen, was er indes ablehnt.
16. November: Italienische Truppen greifen d'Annunzios Freischärler an, um sie aus Fiume zu vertreiben.
28. Dezember: Nach letzten Kämpfen während der "Natale di sangue [Blutweihnacht]" kapituliert d'Annunzio.*

[d'Annunzio 1920]

1921
Januar: D'Annunzio zieht sich unbehelligt nach Italien zurück. Er bezieht die "beschlagnahmte" Villa "Vittoriale" des deutschen Künstlers Heinrich ("Henry") Thode, eines der vielen Narren, die ihr Geld im Ausland investiert haben und sich nun wundern, entschädigungslos enteignet zu werden.

[Vittoriale]

5. April: D'Annunzio empfängt erstmals Benito Mussolini, einen anderen Journalisten und "Hardliner", den er bisher als Konkurrenten betrachtet hatte, und verabredet mit ihm ein gemeinsames Vorgehen gegen das dekadente und korrupte parlamentarische System.

[Mussolini und d'Annunzio]

1922
August: Die Türkei unter ihrem neuen Führer Mustafa Kemal (später "Atatürk") vertreibt nach den griechischen und armenischen auch die italienischen Truppen aus Anatolien, was die Unzufriedenheit in Italien weiter schürt. (Nachdem die USA im Mai den "Emergency Quota Act" erlassen haben, ist das Ventil der Auswanderung - seit Kriegsende waren über eine Million Italiener in die USA emigriert - verstopft.)
D'Annunzio und Mussolini agitieren als Paar ("Il Duce ed il Vate [Der Führer und der Dichter-Profet]") für eine Machtergreifung der Fascisten.
Oktober: D'Annunzio verletzt sich, als er besoffen aus dem Fenster seiner Villa stürzt, und kann daher am "Marsch auf Rom" nicht teilnehmen.

[Der 'Marsch' auf Rom - der in Wahrheit eine friedliche Spazierfahrt war]

1924
15. März: D'Annunzio wird nachträglich von König Viktor Emanuel III offiziell für die Besetzung Fiumes belobigt und mit dem erblichen Titel eines "Fürsten von Nevoso" in den Adelsstand erhoben.

1925
D'Annunzio wird zum Brigade-General h.c. der italienischen Luftwaffe ernannt.


1926/27
D'Annunzio wird durch die Gründung je eines National-Instituts für seine Schrift- und seine Theaterwerke geehrt.

1927
21. April: D'Annunzios Idee eines korporativen Ständestaates findet Eingang in die "Carta del Lavoro [Arbeits-Charta]", das erste italienische Betriebsverfassungsgesetz.

1935
D'Annunzio verfaßt für den Abessinien-Feldzug eine letzte patriotische Gedichtesammlung.

1937
D'Annunzio wird Präsident der Accademia d'Italia.

1938
1. März: Gabriele d'Annunzio stirbt an einer Gehirnblutung.
D'Annunzio erhält ein Staatsbegräbnis. Mussolini persönlich hält die Trauerrede.


* * * * *

1947
Das im Zweiten Weltkrieg durch Terror-Bombardements der Alliierten weitgehend zerstörte Fiume fällt unter dem Namen "Rijeka" an Titos "Volksrepublik Jugo-Slawien". 300.000 Italiener werden vertrieben oder - wenn sie sich widersetzen - ermordet.

1991
Nach dem Auseinanderbrechen "Jugo-Slawiens" fällt Rijeka an Kroatien.

2000/2001
Österreich und Ungarn werden - um Valuta-Investoren ins Land zu holen - Freihäfen in Rijeka eingeräumt.

2013
Nachdem Mussolini bereits anno 2003 durch eine Ehrenerklärung des Ministerpräsidenten rehabilitiert worden ist, entdecken die Italiener auch d'Annunzio - der nie offiziell geächtet, aber amtlicherseits mehr als ein halbes Jahrhundert lang mit vornehmem Schweigen übergangen wurde - wieder als Nationalhelden.
Anläßlich seines 150. Geburtstags widmen sie ihm eine Gedenkmünze zu 5.- TEuro.


Man beachte zum einen das verstümmelte "E" in "Euro", zum anderen den Wahlspruch d'Annunzios über der barbusigen Engel*in: "Io ho quel che ho donato [Ich habe, was ich gegeben habe]".


*Das Foto zeigt d'Annunzio 1920 in Fiume. Es wurde später zu Museumszwecken idealisiert und so zu seinem berühmtesten Bild: Der Maler hat nicht nur den romantischen Hintergrund erfunden, sondern d'Annunzio auch ein paar schöne Orden verliehen - und das alles in Farbe.


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