William Tubman

(1895 - 1971)

[William Tubman]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1818-21
Dezember: Die "American Colonization Society [ACS]" - eine US-Gesellschaft zur Umsiedlung befreiter Negersklaven in ihren Heimat-Kontinent - erwirbt Land an der "Pfefferküste" von Guinea, das sie "Liberia" nennt, und siedelt dort in den folgenden Jahrzehnten frei gelassene Ex-Sklaven an.*


1839-1845
Liberia wird zum "Commonwealth" erklärt und erhält eine Verfassung nach dem Muster der US-Bundesstaaten mit einem eigenen Kongreß.

1847
Juli: Der Kongreß Liberias erklärt das Territorium zur unabhängigen "Republik", den Gouverneur zum "Präsidenten" und die Hafenstadt Monrovia zur "Hauptstadt".


1862
Die USA erkennen die Unabhängigkeit Liberias an.

seit 1862
Die Umsiedlung amerikanischer Neger nach Afrika kommt allmählich zum erliegen: Während des Sezessionskrieges (1861-65) will keine Seite auf ihre "Buffalo Soldiers" verzichten; und danach mangelt es der ACS an den notwendigen Geldern - dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als infolge der allgemeinen Sklavenbefreiung eine große Nachfrage bestanden hätte. So werden die ethnischen Probleme diesseits und jenseits des Atlantiks nicht nur nicht gelöst, sondern sogar noch verschärft: In den USA verlieren die "frei" gesetzten Neger ihre soziale Sicherheit; in Liberia bleiben die "Americo-Liberians" genannten "Rückkehrer" - die in den wenigsten Fällen von der Pfefferküste stammen** - in der Minderheit, umso mehr, als Liberia seine Grenzen immer weiter ins Landesinnere ("Negroland [Negerland]") ausdehnt und dabei die eingeborenen Stämme (Bassa, Gola, Grebo, Kpelle, Kru u.a.) unterwirft. Die politische Macht bleibt jedoch durch die "Whig Party" (1869 als "True Whig Party [TWP]" neu gegründet) fest in den Händen der Amerika-Liberianer.***

* * * * *

1895
29. November: William Vacanarat Shadrach Tubman wird als Sohn von Alexander und Elizabeth Tubman in Harper (Liberia) geboren. Die Eltern seines Vaters stammmen aus Kentucky, seine Mutter ist noch in Georgia geboren.

1900-1910
Tubman besucht die Grundschule, die High School und ein Methodisten-Seminar.

1910-1917
Tubman wird Soldat; nebenbei betätigt er sich als methodistischer Laien-Prediger und "studiert" bei einem Repetitor Jura; damit folgt er exakt der Karriere seines Vaters.

1917
Tubman besteht die Anwaltsprüfung und geht zunächst in die Lokalpolitik. Wie sein Vater gehört er der TWP an.

1923
Tubman wird zum Senator gewählt.

1929
Tubman wird erneut zum Senator gewählt.

1930/31
Der Präsident und der Vizepräsident von Liberia stolpern über einen Sklaverei-Skandal (in Liberia besonders pikant :-) und müssen zurück treten; auch die politische Karriere von Tubman - der als Anwalt des Vizepräsidenten fungiert - erleidet vorübergehend einen Knick; er muß sein Senatorenamt niederlegen.

1934
Tubman wird erneut in den Senat gewählt.

1937
Tubman wird stellvertretender Präsident des Obersten Gerichtshofs von Liberia.

1939
September: Beginn des Zweiten Weltkriegs.

1941
September: Die USA treten treten durch die Shoot-on-sight-order des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt in den Zweiten Weltkrieg ein; Libera wird eine ihrer wichtigsten Nachschubbasen im Südost-Atlantik.

1944
Januar: Tubman wird Präsident von Liberia. Seine erste Amtshandlung besteht darin, dem Deutschen Reich und Japan den Krieg zu erklären, alle deutschen Kaufleute und Ärzte zu enteignen und des Landes zu verweisen (woraufhin die Gesundheitsversorgung vorübergehend zusammen bricht).

1951
Tubman beseitigt - wie Roosevelt in den USA - das Verfassungsverbot einer mehr als zweimaligen Wahl zum Präsidenten.

1953
Tubman macht William Tolbert zu seinem Vize-Präsidenten.

1955
Tubman verbietet alle Parteien außer der TWP.
Mai: Tubman nimmt an der Gründungskonferenz des Blocks der "Blockfreien" in Bandung teil (als wohl einziger Verbündeter der USA - alle anderen Mitgliedsstaaten sind zumindest heimliche Verbündete der Sowjet-Union und/oder Rot-Chinas).

1956
Oktober: Tubman wird in Bonn, der provisorischen Hauptstadt der BRD, von Bundespräsident Theodor Heuss empfangen.
Als zweitem Afrikaner (nach Haile Selassie) wird ihm die Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der BRD verliehen.


1957
Tubman läßt den 100. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung (mit 10 Jahren Verspätung**** :-) groß feiern - ein Vorgang, der nur eine Generation später, als sich die Migrationsströme der Afrikaner wieder umgekehrt haben, undenkbar wäre.


1958
Tubman nimmt in Accra an einer von Kwame Nkrumah organisierten "Konferenz unabhängiger afrikanischer Staaten" teil.
Das sind damals noch nicht viele. In Schwarzafrika zählen dazu neben Liberia und Äthiopien nur das Gastgeberland Ghana (seit 1957) und Guinea (seit 1958). Die große "Dekolonialisierungswelle" setzt erst 1960 ein.

1961
Mai: Tubman organisiert eine "Panafrikanische Konferenz" in Monrovia, auf der er versucht, die Führer der neuen, unabhängigen Staaten Afrikas auf eine moderate Politik festzulegen; die "Monrovia-Gruppe" gerät jedoch bald gegenüber den Vertretern radikaler Strömungen ("Casablanca-Gruppe") ins Hintertreffen.

1963
Tubman nimmt in Addis Abeba an der Gründungskonferenz der "Organisation für die Einheit Afrikas" [auf Englisch "Organisation for African Unity", kurz "OAU", im Volksmund bald nur noch "Club der Diktatoren" genannt]" teil. Zusammen mit deren Ausrichter, dem abessinischen äthiopischen Negus Haile Selassie, setzt er sich für einen Boykott der seit 1961 unabhängigen Republik Südafrika ein, die er als Hauptkonkurrentin auf dem Exportmarkt für Rohstoffe ausgemacht hat. Als Vorwand dient ihm die bereits zu britischen Kolonialzeiten bestehende und von Ministerpräsident H. F. Verwoerd fortgeführte "Apartheid [Rassentrennung]".*****

1965-70
Die späten 1960er Jahre werden zum Goldenen Zeitalter Liberias; allerdings können auch groß-angelegte Geburtstagsfeiern für Tubman nicht darüber hinweg täuschen, daß weder das Erstere noch der Letztere für die Ewigkeit sind.


1971
23. Juli: William Tubman stirbt in London. Neuer Präsident Liberias - das bei seinem Tode Dank ausländischer Investitionen und Dumping-Preisen die größte Handelsflotte der Welt (vor Panama), die größte Kautschuk-Industrie der Welt (vor Malaysia) und den drittgrößten Eisenerz-Export der Welt hat - wird William Tolbert.

* * * * *

1980
Tolbert wird durch einen Militärputsch gestürzt und getötet; damit endet nach 160 Jahren die Vorherrschaft der Amerika-Liberianer.

seit 1989
Liberia versinkt im Bürgerkrieg******, der sich auch auf die Nachbarländer Sierra Leone und Elfenbeinküste ausweitet.
Liberia gilt bald als das ärmste Land der Welt; seine 3,5 Millionen Einwohner werden nur noch durch westliche Finanz- und Lebensmittelhilfen - vor allem aus der BRD - am Leben erhalten.
Tubmans Lebenswerk ist zerstört.


*Vorbild ist ein ähnliches Projekt der Briten in Freetown/Sierra Leone.

**Die Sklaven kamen in der Regel von der "Elfenbeinküste", der "Goldküste" und der "Sklavenküste".

***Die Eingeborenen erhalten zwar 1907 das Wahlrecht; dessen Ausübung ist jedoch an die Entrichtung einer Grundsteuer gebunden, die kaum einer der Eingeborenen zahlen kann, da sie überwiegend keine Geld-, sondern Subsistenz-Wirtschaft und Tauschhandel betreiben.

****Das hat Dikigoros mal so flapsig dahin geschrieben; aber ein US-amerikanischer Kollege - der sich in schwarzafrikanischer Geschichte des 19. Jahrhunderts besser auskennt als er - hat ihn darauf hingewiesen, daß man das auch anders sehen kann: Es gab ja neben der ACS und "Liberia" noch andere Gesellschaften, die sich um die Rückführung der Negersklaven nach Afrika bemühten und dort Niederlassungen zu diesem Behuf gründeten. Eine davon war die MSCS, die - ebenfalls an der Küste von Guinea - die Kolonie "Maryland" gegründet hatte. Und letztere vereinigte sich anno 1857 mit Liberia, d.h. sie schloß sich ihm an. Aber so genau konnte Dikigoros das oben nicht referieren. (Zur Erinnerung: Es geht hier um Politiker des 20. Jahrhunderts!) Er erwähnt das überhaupt nur, weil es eine Besonderheit ist: Jeder Sportverein, der aus einer Fusion entsteht, feiert den Gründungstag seines ältesten Bestandteils als "seinen" Gründungstag - nicht etwa den Tag der Fusion -; jede Stadt, die auf sich hält, feiert das Datum ihrer ersten Erwähnung - selbst wenn die damals vielleicht nur ein Kuhdorf oder ein einsames Kloster gleichen Namens bezeichnete - usw. Aber ein Staat ist eben kein Verein und keine Stadt - oder liegt es einfach nur daran, daß geltungssüchtige Politiker solche Jubiläen an den Haaren herbei ziehen, wie es ihnen gerade paßt? Nein, das kann es in diesem Fall nicht gewesen sein; denn Tubman war auch 1947 schon an der Macht, hätte also damals schon die 200-Jahrfeier ansetzen können. Offenbar betrachtete er tatsächlich erst den Zusammenschluß von "Liberia" und "Maryland" als Gründungsdatum "seines" Staates!

*****Dikigoros war versucht zu schreiben: "Dagegen unterhält er zu Taiwan und Israel gute politische und wirtschaftliche Beziehungen". Aber das war damals noch völlig unverfänglich und somit keiner besonderen Erwähnung wert. Es wäre interessant zu wissen, wie Tubman, hätte er noch etwas länger gelebt, auf die ab 1972 (seit Nixons "Ping-Pong"-Politik mit Rot-China) bzw. 1973 (seit dem Yom-Kippur-Krieg und dem arabischen Öl-Boykott) einsetzende Diskriminierung auch jener beiden Staaten reagiert hätte. Dikigoros erinnert sich noch, daß man damals beim Grenzübertritt gefragt wurde: "Wollen Sie den Einreisestempel nicht lieber auf ein Extrablatt haben? Wenn wir ihn in den Paß setzen, dann dürfen Sie damit in manche Länder nicht mehr einreisen." Worauf er zu antworten pflegte: "Auf den Besuch solcher Länder verzichte ich." (Er war denn auch nie in Liberia :-)

******Tatsächlich handelte es sich um Stammeskriege, d.h. die unterschiedlichen "Ethnien" bekämpften einander. Der "Bürgerkrieg" wurde zunächst 1996 für "beendet" erklärt; als daraufhin 1997 Charles Taylor mit überwältigender Mehrheit (75%) zum neuen Präsidenten gewählt wurde, nahmen dessen Gegner mit Hilfe von Truppen aus Guinea den Krieg wieder auf. Als Taylor zurück trat, um dem Blutvergießen ein Ende zu machen, und Asyl in Nigeria suchte, lieferte ihn dessen Regierung an das Tribunal der KriegsverbrecherMenschenrechtler in Den Haag aus. Liberia wurde sodann von BesatzungstruppenFriedenstruppen der UNO besetztbefreit und der Krieg 2003 erneut für "beendet" erklärt. (Tatsächlich erlahmte lediglich das Interesse der Medien.) Die BesatzerBefreier setzten einen MarionettenÜbergangs-Präsidenten ein, später - den Frauenrechtlerinnen zum Gefallen - ließen sie sogar eine Präsidentin "wählen", Ellen Johnson-Sirleaf. Allem Gewäsch von "Versöhnung zwischen den Volksgruppen" zum Trotz flüchteten die überlebenden "Amerika-Liberianer" in die USA, wo ihnen ohne weiteres politisches Asyl gewährt wurde - damit war das Experiment der ACS nach knapp 200 Jahren endgültig gescheitert. 2011 entblödete sich das Friedensnobelpreis-Komitee in Oslo nicht, E.J.-S. ihren Preis zuzuerkennen mit der Begründung, sie habe "mit der Abhaltung von Friedenskongressen der Menschheit den größten Nutzen gebracht".


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