Léopold Senghor

(1906 - 2001)

[Léopold Senghor]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

17. Jahrhundert
Franzosen beginnen, sich - neben und gegen Portugiesen, Niederländer und Briten - an der Westküste Afrikas festzusetzen.

ab 1840
Die Franzosen erobern zunehmend auch das Landesinnere.

1857
Die Franzosen gründen an der äußersten Westspitze Afrikas (von ihren portugiesischen Entdeckern "Cabo Verde [Grünes Kap]" genannt) ein Fort, das sie "Dakar" nennen, und das als Handelshafen, Marinestützpunkt und Ausgangspunkt einer Eisenbahnlinie nach Nordosten rasch an Bedeutung gewinnt.

1887
Die Bewohner von Dakar - einschließlich der schwarzen Eingeborenen - erhalten das französische Bürgerrecht.

1895
Die Franzosen erheben die von ihnen besetzten afrikanischen Gebiete offiziell in den Rang einer Kolonie; Dakar wird die Hauptstadt von "Französisch Westafrika".


1906
09. Oktober: Léopold Sédar Senghor wird geboren als Sohn der Händler Basile Diogoye und Gnilane Ndiémé Senghor in Joal (heute Joal-Fadiout), einem Küstenort knapp 100 km südöstlich von Dakar.


1906-1913
Senghor wächst in Djilor bei der Familie seiner Mutter auf. (Nach anderen Quellen ist er dort auch geboren.) Senghors Eltern gehören zur Minderheit der Serer, die matriarchalisch organisiert sind, und bilden als getaufte Katholiken eine Minderheit in der Minderheit.

1913-14
Senghor lernt bei einem katholischen Missionar in Joal Französisch, Lesen und Schreiben.

1914-22
Senghor besucht die Missionsschule der "Pères spiritains" in Ngazobil.

1922-28
Senghor besucht das Priesterseminar "François Libermann" in Dakar. Er legt das baccalauréat [Abitur] mit den Hauptfächern Französisch und Lateinisch ab.

1928
Senghor geht mit einem Stipendium des Gouverneurs nach Frankreich, um seine Studien an der Sorbonne fortzusetzen, die er jedoch bald aufgibt, um sich am Lyceum "Louis le Grand" für die Aufnahmeprüfung zur "École Normale Supérieure [ENS]" vorzubereiten, der Kaderschmiede für künftige Universitäts-Professoren. Er fällt jedoch durch und studiert statt dessen auf Lehramt an Gymnasien.

1932
Senghor erwirbt die französische Staatsbürgerschaft.

1935
Senghor besteht - angeblich als erster Neger - im zweiten Anlauf die Prüfung zum Gymnasial-Professor ("professeur agrégé") und beginnt Klassische Filologie am Descartes-Lyceum in Tours zu unterrichten.

1938
Senghor wechselt ans Lyceum "Marcelin Berthelot" in Saint-Maurdes-Fossés.

1939
September: Großbritannien und Frankreich erklären dem Deutschen Reich den Krieg. Senghor wird eingezogen und ungeachtet seiner französischen Staatsbürgerschaft - wie jeder andere NegerSenegalese auch - als Schütze Arsch Infanterist 2. Klasse in ein Kolonial-Regiment gesteckt.


1940
Juni: Senghor gerät in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er zwei Jahre später entlassen wird.

1945
Senghor wird Professor für Linguistik an der "Nationalen [Hoch-]Schule für das überseeische Frankreich [ENFO]" (wie die Kolonien jetzt beschönigend genannt werden :-). Während dieser Zeit verfaßt er zahlreiche Gedichte.


1946
Frankreich gewährt allen Bewohnern des Senegal das Wahlrecht.
Senghor wird als Kandidat der Sozialistischen Arbeiterpartei (SFIO) für die Überseeprovinz Senegal in die französische National-Versammlung gewählt.
September: Senghor heiratet in erster Ehe Ginette, die Tochter von Félix Éboué [Glücklich Ausgeschissen], dem NegerhäuptlingGouverneur des Tschad, einem persönlichen Freund von Charles de Gaulle. (Aus der Ehe gehen zwei Söhne hervor; sie wird 1956 geschieden.)

1948
Senghor verläßt die SFIO und gründet - zusammen mit Mamadou Dia - die Partei "Demokratischer senegalischer Block [BDS]".

1951
Senghor wird erneut in die National-Versammlung gewählt.

1955
März: Senghor wird für einige Monate Staatssekretär in der Regierung Faure.

1957
Oktober: Senghor heiratet in zweiter Ehe die Französin Colette Hubert. (Aus der Ehe geht ein Sohn hervor.)

1959
Januar: Aus den französischen Kolonien Senegal, Sudan (heute "Mali"), Togo-Dahomey (heute "Benin") und Obervolta (heute "Burkina Faso") wird die halb-autonome "Konföderation von Mali" gebildet. (Die beiden letzteren treten schon im folgenden Monat wieder aus :-)


Juli: Senghor wird Minister ohne Portefeuille in der Regierung Debré.

1960
Juni: Frankreich entläßt seine westafrikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit. (Sie bleiben gleichwohl der EWG assoziiert und genießen durch sie sämtliche Vorteile - vor allem umfassende Subventionierung ihrer landwirtschaftlichen Produkte durch deutsche Steuergelder - ohne wechselseitige Verpflichtungen.)


August: Auch der Senegal verläßt die "Konföderation von Mali".
(Wenn man die folgende Karte betrachtet, scheint das kein großer Verlust zu sein; wer mal vor Ort war weiß indes, daß die Franzosen seinerzeit eine Straße und eine Eisenbahnlinie von Dakar nach Bamako am Niger gebaut hatten, die beide wichtige Verkehrsadern waren. Auf diese zu verzichten bzw. sie verkommen zu lassen war unklug.)


September: Senghor ernennt sich zum Präsidenten der "Republik Senegal" (Mamadou Dia wird Premierminister) und schreibt eine Nationalhymne, "Der rote KaterLöwe".


1961
November: Senghor besucht Bonn am Rhein, die provisorische Hauptstadt der BRD, wo er von Bundespräsident Lübke empfangen wird. Senghor, der weiß, daß Lübke ein großer Negerfreund ist (er ist das erste deutsche Staatsoberhaupt, das jemals Afrika besucht hat), versichert ihm, daß er während seiner Kriegsgefangenschaft das deutsche Gedankengut zu verstehen und zu bejahen gelernt habe, daß er eine tiefe Seelenverwandtschaft zwischen Deutschen und Negern sehe, daß die politische Atmosfäre in der BRD ganz und gar den Idealen des Senegal entspreche, und verleiht ihm - und seiner Frau Wilhelmine - den senegalesischen Nationalorden ["Ordre National"].* Zur Belohnung erhält der Senegal umfangreiche Entwicklungshilfe aus bundesdeutschen Steuergeldern.


1962
Senghor veröffentlicht eine Biografie des französischen Komikers Filosofen Theologen Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin.
Dezember: Senghor läßt Mamadou Dia unter dem Vorwurf, er habe einen Putsch vorbereitet, absetzen und einkerkern.

1963
Nach einer Verfassungsänderung übernimmt Senghor auch das Amt des Ministerpräsidenten.
Ihm wird dafür der Große Preis für internationale Poesie der Gesellschaft der Poeten und Künstler Frankreichs verliehen.
Juni: Senghor weiht die damals größte Moschee Schwarzafrikas in Touba ein.


In den folgenden Jahren baut Senghor seine Herrschaft zur Einparteiendiktatur aus, die er alle fünf Jahre durch Scheinwahlen - bei denen seine "Progressistische senegalesische Union [UPS]" stets die absolute Mehrheit gewinnt - "legitimieren" läßt.

1964
Senghor veröffentlicht "Négritude et humanisme". Das Schlagwort "négritude" wurde bereits 1935 geprägt von Aimé Césaire, dessen Vorfahren als Sklaven auf die französischen Antillen gekommen waren und den Senghor in seiner Pariser Studentenzeit kennen gelernt hatte. Senghor füllt den Begriff jedoch - angeblich unter dem Einfluß des deutschen Ethnologen Leo Frobenius - mit anderen Inhalten: Während er von Césaire die Grundidee übernimmt, sich gegen die Versuche der einstigen Kolonialherren zu wenden, "ihre" Neger entgegen deren natürlicher Veranlagung zu "zivilisieren", zu "integrieren" oder sonstwie [um] zu "erziehen", hat er vom schwarzen "Anderssein" abweichende Vorstellungen. Senghor setzt dem primitiven Rassismus "der" Weißen einen ebenso primitiven Rassismus "der" Schwarzen entgegen; Césaire betont dagegen, daß es unter den schwarzen Rassen - wie unter allen anderen Rassen auch - beträchtliche Unterschiede kultureller und sonstiger Art gebe, von der "négritude" somit nicht die Rede sein könne. (Beide Theorien sind zunächst sowohl innerhalb als auch außerhalb Afrikas sehr populär; je weiter die "Dekolonisierung" des schwarzen Kontinents fortschreitet, desto deutlicher wird indes, daß Afrika keine eigene - geschweige denn eine einheitliche - "Kultur" im herkömmlichen Sinne hat; heute wird über die "négritude" meist der barmherzige Mantel des Schweigens gehüllt.)


1965
Senghor wird für seine "poetischen Verdienste" der Dag-Hammarskjöld-Preis in Gold verliehen.

1968
Mai: Die gewalttätigen Demonstrationen Pariser Studenten greifen auf die ehemaligen Kolonien über. Senghor stellt Ruhe und Ordnung wieder her, indem er die senegalesischen Studenten von französischen Fallschirmjägern zusammen schießen läßt.
September: Ihm wird dafür vom Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V. in Frankfurt/Main der "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels" verliehen.

[Arsch mit Senghoren]
Der Arsch mit SenghorenOhren

1969
Senghor wird der Literaturpreis der Internationalen Akademie der schönen Künste in Rom verliehen.

1970
Senghor wird auf dem Festival von Knokke-le-Zoute der "Große Preis der internationalen Poesie" verliehen.
Aus unerfindlichen Gründen gilt der Senegal in Europa, insbesondere in Frankreich, lange Zeit als das (einzige) Beispiel für die gelungene, d.h. friedliche Entlassung einer afrikanischen Kolonie in die Unabhängigkeit; und das Verdienst daran wird allgemein Senghor zugeschrieben. Tatsächlich ruiniert er - ebenso wie alle anderen afrikanischen Diktatoren - das Land im Laufe der Jahre politisch, wirtschaftlich und kulturell von Grund auf.

1971
Senghor überlaßt das Amt des Ministerpräsidenten seinem Spezi Parteigenossenfreund Abdou Diouf.
Senghor veröffentlicht "Die Nation und der afrikanische Weg zum Sozialismus".

1974
Senghor wird der renommierte Guillaume-Apollinaire-Preis verliehen.

1977
Mai: Da der Weg in den Sozialismus die Nation des Senegals an den Rand des Staatsbankrotts geführt hat, reist Senghor erneut nach Bonn, wo ihm wiederum umfangreiche Entwicklungshilfe aus deutschen Steuergeldern gewährt wird.


1978
Senghor läßt sich von dem als "Nazi-Künstler" diffamierten Bildhauer Arno Breker porträtieren.


1980
31. Dezember: Senghor tritt zum Jahresende aus Altersgründen vom Präsidentenamt zurück; er verbringt seinen Ruhestand in Verson (Normandie). Neuer Präsident des Senegal wird Abdou Diouf.

1983
Senghor veröffentlicht "Sozialismus und Planwirtschaft". Er wird dafür - als erster Neger - zum Mitglied der Académie française ernannt.


1981
Senghor wird der Alfred-de-Vigny-Preis verliehen.

1986
Senghor wird in Venedig der "Goldene Löwe" verliehen.

[Dies ist nur ein Platzhalter, bis Dikigoros das richtige Bild aufgetrieben hat ;-)]

1987
Senghor wird in Rom der Intercultura-Preis verliehen.

1993
Senghor veröffentlicht sein letztes Buch: "Der Dialog der Kulturen".

1996
Senghor wird der "Große Literaturpreis Schwarzafrikas" verliehen. (Auf einem Kontinent, wo eine Generation nach Beendigung der europäischen Kolonialherrschaft wieder Analfabetismus vorherrscht, hat er kaum Konkurrenz :-)

2001
20. Dezember: Léopold Senghor stirbt in einem Pariser Krankenhaus, wird eine Woche später nach Dakar überführt und auf dem Friedhof Bel Air beerdigt.

* * * * *

2003
Juni: In einem Park von Québec wird eine Gedenktafel für Senghor und seine großen Verdienste um die französische Sprache in Kanada aufgestellt. Zur feierlichen Einweihung erscheinen der Premierminister und der Bürgermeister persönlich.


2004
Die Leser des ghanaïschen Nachrichten-Magazins New African wählen den "größen Afrikaner aller Zeiten". Senghor landet auf einem geteilten 26. Platz - zusammen mit dem Terroristen und Diktator Ahmäd Sekou Touré (Guinea).


2006
Janos Riesz veröffentlicht die lobhudelnde Biografie "Léopold Sédar Senghor und der afrikanische Aufbruch im 20. Jahrhundert". (Daß das Ganze eher ein Einbruch war sieht er nicht :-)


2007
Juli: Der vom Judentum abgefallene Muslimfreund Nicolas Sarkozy reist in seiner Eigenschaft als ungarischerfranzösischer Präsident in den Senegal (wo sich inzwischen 90% der Bevölkerung zum Islam bekennt und nur noch 2% zum Christentum). In Dakar hält er eine viel beachtete Rede, in der er die Politiker Afrikas aufruft, dem Beispiel des großen Léopold Senghor nachzueifern.

[Sarko grüßt die Muslime des Senegal]

November: Im Pariser Vorort Clamart - der Dank der genialen "Multikulturalismus"-Politik der französischen Regierung fast nur noch von Senegalesen bewohnt ist - wird eine Grundschule nach Senghor benannt, was mit einem zünftigen Spektakel ausgiebig gefeiert wird.


2010
April: Der Senegal feiert - datumsmäßig nicht ganz korrekt - den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit mit der Einweihung eines großkotzigenimposanten Denkmals in Dakar, das aus Mitteln der Entwicklungshilfe finanziert wurde und den offiziellen Titel "Monument der afrikanischen Renaissance" trägt.**

[Dort entlang geht's nach Europa - nichts wie weg von hier!]

Im Volksmund wird es jedoch bald "Flucht aus Afrika" genannt - nicht ohne Anlaß: Die Auswanderungsrate ist die höchste Afrikas; Senegalesen stellen den größten Teil der nach Europa - insbesondere nach Frankreich - einwandernden Illegalen mit der höchsten Kriminalitätsrate aller Immigranten.***


Vernünftige Gründe, im Lande zu bleiben, gibt es kaum: Alle nennenswerten Wirtschaftszweige befinden sich wieder in ausländischer Hand - einschließlich des Fischfangs vor den Küsten und des Reisanbaus im Landesinneren (beides zu Exportzwecken). Fast 50% der Bevölkerung lebt in städtischen Slums. Die Analfabetenrate liegt über 50%. Die Grundnahrungsmittel muß der Senegal vollständig importieren. (An faulen Ausreden dafür fehlt es nicht; meist wird die zunehmende "Versteppung" oder "Desertifikation [Verwüstung]" der Sahelzone genannt, wobei meist verschwiegen wird, daß diese erst nach der Unabhängigkeit begonnen hat und hauptsächlich durch den rücksichtslosen Raubbau an der Natur verursacht wurde.) Der Senegal lebt zu 20% von Tourismus und zu 75% von Entwicklungshilfe und Auslandskrediten, deren Rückzahlung ihm als einem der ärmsten Länder der Welt regelmäßig erlassen wird; der Rest ist Schweigen sind Peanuts Cacahuètes Erdnüsse.


*Das hat sich Dikigoros nicht etwa ausgedacht; das rote Nachrichten-Magazin Der Spiegel berichtete seinerzeit ausgiebig über jenes für Deutschland und den Senegal so wichtige und erfreuliche Ereignis, unter besonderer Berücksichtigung der ausgetauschten Reden und Orden.

**Das - nach nordkoreanischen Vorbildern gefertigte - Denkmal soll nach inoffiziellen Schätzungen 30 Millionen US-$ gekostet haben.

***Nach Aussagen des "Künstlers" soll das Denkmal den Weg in die USA weisen, da die Dakar vorgelagerte Insel Gorée Jahrhunderte lang Umschlagplatz für den Sklavenhandel in die USA war. Tatsächlich stellen die Senegalesen auch heute noch den größten Teil der afrikanischen Einwanderer in die USA. Das New Yorker Negerviertel Harlem heißt - wie die zweistelligen Arrondissements im Norden von Paris - inoffiziell längst "Le petit Sénégal". (Dagegen heißt die holländische Stadt Haarlem, nach dem es einst benannt wurde, noch immer so, obwohl auch dort inzwischen nur noch 24% der Bevölkerung "Eingeborene" sind; der Rest sind Zugereiste, überwiegend aus der Türkei, Marokko, Niederländisch-IndienIndonesien, Surinam und den Antillen.)


weiter zu Kenneth Kaunda

zurück zu Politiker des 20. Jahrhunderts

heim zu Von der Wiege bis zur Bahre