KONSTANTIN PÄTS

(23.02.1874 - 18.01.1956)


Tabellarischer Lebenslauf
zusammen gestellt von
Nikolas Dikigoros*

1874
23. Februar:** Konstantin Päts*** wird als zweites von sechs Kindern der Eheleute Jaagup [Jakob] und Olga Päts in Tahkuranna (Gouvernement Ästonija, Tsarenreich) geboren. Seine Mutter, geb. Tumanowa, ist Russin; sein Vater, ein (schwedisch-lutherisch) getaufter Jude aus Livland, ist anläßlich seiner Heirat zum russisch-orthodoxen Glauben konvertiert. Ihre Kinder werden in diesem Glauben und zum Haß auf den deutschen Adel im Baltikum erzogen.****

1880-1893
Päts besucht die orthodoxe Pfarrschule in Tahkuranna, das Priesterseminar in Rīga und die Oberschule in Pärnu, wo er die Hochschulreife erwirbt.

1894-1898
Päts absolviert ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Dorpat {heute "Tartu"}.


1898-1900
Päts leistet seinen Wehrdienst im 96. Infanterie-Regiment in Pleskau, den er als Unterleutnant der Reserve beendet.

[Reval - Stadtansicht um 1900]

1900
Päts wird Rechtsanwaltsassessor in der Kanzlei von Jaan Poska in Reval (Tallin[n])***** und beschließt, Politiker zu werden.

1901
Päts heiratet [Wil]Helma, geb. Peedi (1878-1910). Aus der Ehe gehen zwei Söhne hervor.


Päts gründet zusammen mit seinen Freunden, den Nationalisten und Sozialisten Eduard Vilde und Anton Hansen Tammsaare, die Zeitung "Teataja".

1904
In Reval gewinnt eine von Päts geschmiedete Koalition aus Esten und Russen erstmals die Kommunalwahlen gegen die verhaßten Deutschen.
Eine aus persönlichem Haß gespeiste Dummheit sondergleichen. Päts begriff nicht, daß Deutsche und Esten angesichts der zunehmenden Russifizierungspolitik im selben Boot saßen und zusammen halten mußten, statt einander zu bekämpfen. Für ihn waren die deutschen "Junker" und "Barone" jedoch "Reaktionäre", mit denen ein "progressiver" Nationalist wie er nicht zusammen arbeiten konnte.
Päts wird Stadtrat von Reval.

1905
Januar: In Sankt Peterburg bricht angesichts der Niederlagen im russisch-japanischen Krieg eine sozialistische Revolution aus.
April: Päts wird stellvertretender Bürgermeister von Reval.
16. Oktober: Während sich Tsar Nikolaj tolerant gibt und ein Manifest vorbereitet, das allen Untertanen - auch den ethnischen Minderheiten - das Recht auf Rede-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit gewährt sowie das Recht, politische Parteien zu gründen, kommt es am Vorabend zu dessen Verkündung in Reval zu einer illegalen, gewalttätigen Demonstration, die vom Militär zusammen geschossen wird.
Die "Teataja" - die zur Revolution gehetzt hatte - wird verboten, ihre Redakteure verhaftet; Päts flieht rechtzeitig in die Schweiz.

1906
Päts wagt sich zurück ins Tsarenreich, zunächst nach Finnland (Helsinki, später Ollila), wo er im Untergrund weiter "journalistische" Wühlarbeit leistet.

1909
Päts stellt sich der russischen Justiz. Er wird zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, das er

1910-1911
im offenen Vollzug verbringt - er darf sogar weiter Zeitungsartikel veröffentlichen.
(Eine überdies verhängte 6-jährige Verbannung aus Estland und Livland nach Verbüßung der Freiheitsstrafe wird nicht vollstreckt.)

1911
Päts kehrt nach Reval zurück und gründet seine Zeitung unter dem Namen "Tallinna Teataja" neu.

1914
August: Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

1916
Päts wird als Reservist eingezogen, leistet jedoch nur Etappendienst als Presseoffizier.


1917
März: Die so genannte "Februar"-Revolution (der russische Kalender ist noch nicht umgestellt) bricht aus; der Tsar dankt ab. [Er wird später ermordet.]
Die neue "provisorische" Regierung Rußlands deklariert zwar großzügig die Unabhängigkeit Polens - das schon seit zwei Jahren von Truppen der Mittelmächte besetzt ist -, nicht aber die Unabhängigkeit Estlands oder anderer Minderheits-Nationen, die noch von russischen Truppen gehalten werden. Den im Sommer gewählten "provisorischen Landtag" Estlands erkennt sie nicht an.
November: Die "Oktober-Revolution" bringt Lenin und die Bolschewiki an die Macht.

1918
Februar: Estland und Livland werden von deutschen Truppen befreit.


24. Februar: Noch am Tage des Einzugs deutscher Truppen in Reval/Tallin ruft Päts dortselbst im Namen eines so genannten "Rettungskomitees" (dem außer ihm noch zwei weitere "provisorische" Landtagsabgeordnete angehören) die Unabhängigkeit Estlands aus.
(Dazu gehört auch die nördliche Hälfte Livlands. Aus der südlichen Hälfte Livlands und Kurland entsteht der neue Staat "Lettland".)
Päts bildet eine "provisorische Regierung" mit sich selbst als Premierminister ("Vorsitzendem des Ministerrats"). Er stößt damit jedoch bei den Deutschen auf wenig Gegenliebe: Sie setzen ihn schon im
April ab und in Ostpreußen gefangen. (Seine "provisorischen" Minister tauchen unter oder werden auf der Flucht erschossen :-)
November: Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Abzug der deutschen Truppen bildet Päts eine zweite "provisorische" Regierung. Diese wird jedoch von den Bolschewiki nicht anerkannt. Die Rote Armee fällt in Estland ein. Im
Dezember steht sie nur noch einen Tagesmarsch von Tallin entfernt.

1919
Januar: Schwere Schiffsartillerie der in die Ostsee eingedrungenen Royal Navy hält den sowjetischen Vormarsch kurz vor der Küste auf.


Mit Unterstützung deutscher und skandinavischer Freikorps starten die estnischen Streitkräfte unter Major Johan Laidoner eine erfolgreiche Gegenoffensive.
(Die wenigen Überlebenden der rücksichtslos verheizten Freikorps - die man mit verbrieften Versprechungen von Siedlungsland geködert hat, erhalten später zum Dank einen Fußtritt.)

1920
Februar: Angesichts des Einfalls polnischer Freischärler in Weißrußland und die Ukraïne schließt die Sowjet-Union in Dorpat Frieden mit Estland, dessen Unabhängigkeit sie nunmehr anerkennt.
(Entgegen einem heute - vor allem in der BRDDR - verbreiteten Irrglauben war das durchaus keine Einbahnstraße: Nicht das Deutsche Reich war der erste Staat, der die Sowjet-Union diplomatisch anerkannte - das sollte erst 1922 im Vertrag von Rapallo geschehen -, sondern Estland. Über Dorpat verscherbelte die SU das Tafelsilber die Goldreserven des Tsarenreichs heimlich an jüdische Bankster in Großbritannien und den USA - welche die Sowjet-Union noch lange nicht anerkannten. Böse Zungen behaupten, Päts habe sich die millionenschwere Vermittlungsprovision für diese Geschäfte in die eigene Tasche gesteckt.)

1921
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1922
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1924
Dezember: Ein kommunistischer Umsturzversuch wird von Oberstleutnant Laidoner - der sich zwischenzeitlich als Zivilunke Politiker versucht hat und nun zurück an die Spitze der Streitkräfte berufen wird, nieder geschlagen.
(Ob hinter diesem Aufstand die Sowjet-Union stand, ist nicht sicher. Lenin war im selben Jahr gestorben, und seine Diadochen hatten wohl wichtigeres zu tun, als sich mit Aktionen ausgerechnet in Estland zu verzetteln.)

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1927-1936
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1931
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1932
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1933
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1934
12. März: Päts unternimmt - gestützt auf das Militär unter Oberst Laidoner - einen Staatsstreich, verbietet die Parteien und errichtet eine Präsidial-Diktatur.


1936
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1937
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1938
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[Päts mit General Laidoner]

1939
Nachdem Hitler und Stalin im
August einen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt geschlossen haben, schließen Päts und Stalin am
28. September einen estnisch-sowjetischen Beistandspakt. Die Rote Armee erhält Militärbasen in Estland, auf denen insgesamt 25.000 Mann stationiert werden, weit mehr, als die estnischen Streitkräfte zählen.
November: Nachdem Finnland ein ähnliches Ansinnen Stalins abgelehnt hat, marschiert die Rote Armee in Finnland ein.

1940
März: Finnland muß um Frieden bitten und Stalins Forderungen nachkommen. Der Ausgang des "Winterkriegs" macht Päts die Aussichtslosigkeit eines Widerstands gegen die Sowjet-Union - nicht nur aus militärischen, sondern auch aus diplomatischen Gründen - klar.
17.-21. Juni: Die Rote Armee besetzt Estland vollständig. Päts macht gute Miene zum bösen Spiel, heißt die Besatzer herzlich willkommen und setzt General Laidoner ab. (Die estnischen Streitkräfte werden in die Rote Armee übernommen - soweit sie nicht desertieren :-) Er selber bleibt zunächst im Amt.


21. Juli: Nachdem die Besatzer Estland zur Sowjet-Republik erklärt - und damit der UdSSR annektiert - haben, beantragt Päts in der US-Botschaft politisches Asyl.


30. Juli: Päts wird verhaftet.
August: Päts wird nach Sibirien deportiert und abwechselnd in Straflagern und Irrenanstalten untergebracht.
(Dikigoros folgt hier der offiziellen estnischen Geschichtsschreibung. Sowjetische Historiker behaupten dagegen, daß Päts nach seinem "freiwilligen Rücktritt" zunächst mit allen Annehmlichkeiten (große Villa, dicke Pension, persönliche Leibgarde) in Rußland gelebt habe. Erst nach dem "Überfall" der Wehrmacht auf die friedliebende SU im Juni 1941 sei er, da er offenbar mit den bösen Nazi-Deutschen sympathisiert habe, nach Sibirien deportiert worden. Dikigors läßt diese Frage offen - sie erscheint ihm auch nicht gar so wichtig.)

[das geschieht ihm recht]

1956
18. Januar: Päts stirbt in einem Irrenhaus in Buraschewo.

1990
Nach dem Auseinanderbrechen der Sowjet-Union wird Estland wieder unabhängig.
Päts - angebliches - Skelett wird ausgebuddelt exhumiert, nach Tallinn überführt und auf dem dortigen Waldfriedhof begraben zur letzten Ruhe gebettet.



2004/2011
Estland gibt seine Unabhängigkeit - diesmal nach nur 14 Jahren und freiwillig - wieder auf und tritt erst der Europäischen Union, dann auch dem Euro-Währungsverbund bei. Es wird vom reichsten Mitgliedsstaat der Sowjet-Union****** zum ärmsten Mitgliedsstaat der EU, der fast vollständig von - hauptsächlich durch den deutschen Steuerzahler aufgebrachten - Transferleistungen aus Brüssel finanziert wird.


2017
Als vorzeitig die "100-jährige Unabhängigkeit" Estlands von Staats wegen gefeiert wird, ruft das bei den meisten Untertanen nur noch Hohnlachen oder tiefe Trauer hervor.

2020
Als EU-Mitglied muß sich Estland an der weltweiten Corona-Diktatur beteiligen. (Den Vorwand dazu liefert eine - nicht existente - Grippe-Pandemie.)


Der Lockdown-Terror u.a. Unterdrückungsmaßnahmen unter Aufhebung aller Grundrechte zwecks Errichtung einer neuen Weltordnung machen alle früheren "Diktaturen" - auch die von Päts - zu vergleichsweise harmlosen Regierungsformen.
(Nachdenklich macht Dikigoros vor allem die Tatsache, daß als einziger Staat in Europa Weißrußland von diesem Terror-Regiment ausgenommen bleibt, da der im Westen als "Diktator" verschrieene Staatspräsident Lukaschenka seinen Provinzfürsten Distriktsgouverneuren (den deutschen "Regierungspräsidenten" vergleichbar) alle diesbezüglichen Maßnahmen kurz und bündig - und vor laufenden Kameras - untersagt hat.)


*Dikigoros tauscht Titelbilder nur ganz selten aus. Warum hat er es hier doch getan, dazu noch unter Verstoß gegen seinen Grundsatz, sich auf das Gesicht zu konzentrieren und Nebensächlichkeiten wie aufwendige Kleidung, überdimensionale Orden etc. zu vernachlässigen? Hätte es der folgende Bildausschnitt nicht auch - und vielleicht sogar besser - getan?

Normalerweise schon; aber dann las Dikigoros in einer estnischen Zeitung (einer russischsprachigen - er kann kein Estnisch :-) ein Interview mit Päts' Enkel Matti, der irgendwie überlebt und es bis zum Leiter des estnischen Patentamts gebracht hatte: Alles andere könne er den Sowjets verzeihen, nicht aber den Raub der schönen Amtskette seines Opas, die immerhin 412 Gramm Feingold enthalte (also fast 14 Unzen - heute in Estland ein kleines Vermögen). Seine Verwandten mache niemand mehr lebendig, aber die Kette hätte er gerne zurück - allerdings verweigere ihm die russische Regierung die Herausgabe...
Wenn also dem Enkel die Kette wichtiger ist als der Kopf seines Großvaters, dann will Dikigoros in diesem Punkt nicht gegen den Stachel löcken :-)
**nach gregorianischem Kalender. Nach julianischem Kalender: 11. Februar.
***Das spricht sich, je nach Dialekt, "Bäts" oder "Bats". Die russische Schreibweise "Pjats" ist irreführend, da nicht das "a", sondern das "P" weich ausgesprochen wird.
****In Päts' Adern floß somit kein Tropfen estnischen Blutes. Er teilte diese Eigenschaft - entweder einer ethnischen Minderheit anzugehören oder aber im Ausland (in der "Diaspora") geboren und/oder aufgewachsen zu sein - mit vielen "Spitzenpolitikern" des 20. Jahrhunderts, z.B. Atatürk, Franco, Hitler, Lenin, Mahathir, Mannerheim, Marcos, Masaryk, Nehrū, Pavelić, Piłsudski, Szálasi, Soekarno, Stalin, Sun Yat-sen, Tito, Valera und Venizelos. Nach mosaïschem Recht - das allein auf die rassische Zugehörigkeit der Mutter abstellt und keine Halb-, Viertel- o.ä. Juden kennt - war Päts ein Goy, da seine Mutter eine Schickse war; aber auch nach den "Nürnberger Gesetzen" - die ausschließlich auf die Religionszugehörigkeit der Großeltern abstellten - wäre er Vollarier gewesen.
*****Die Frage des "richtigen" Namens ist ein Streit um des Kaisers Bart: Einen originär estnischen Namen gibt es nicht, da es sich um eine von Deutschen gegründete Stadt handelte, die später von dänischen Wikingern erobert wurde. "Reval" ist die hochdeutsche Verballhornung des pladdütschen "Revel", "Tallinn" die Verballhornung eines dänischen Namens, der nicht mehr genau zu rekonstruieren ist. Die Russen nannten die Stadt, als Päts geboren wurde, "Rewel", später "Tallin[n]". (Beide Schreibweisen waren und sind üblich; die Aussprache - mit langem, geschlossene "i" - ist in beiden Fällen die gleiche.)
******Estland war nicht nur eine der beliebtestesn Urlaubsregionen der Sowjet-Union, sondern auch der bevorzugte Ruhesitz der Nomenklatura. Beides spülte reichlich Geld in die Kassen, hatte aber einen hohen Preis: Fast die Hälfte der Einwohner Estlands waren 1990 ethnische Russen - und sind es bis heute, obwohl sie de iure keine Staatsbürger werden können, so sie nicht nachweisen, die Landessprache perfekt zu beherrschen (was de facto ein Ding der Unmöglichkeit ist).


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