"Shrī Aurobindo"
[Arwind Ghosh]
(1872 - 1950)

[Aurobindo um 1900]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1872
15. August: Arwind Ghosh wird als Sohn des Arztes Krishnadhan Ghosh und seiner Ehefrau Swarnnath, geb. Bōs1, in Kålkattā (engl. "Calcutta"), der Hauptstadt Britisch-Indiens, geboren.


Die Familie pflegt einen westlichen Lebensstil.


1876-79
Ghosh besucht die christliche Loretto-Schule in Dārjīling.

[Darjiling in den 1870er Jahren]

1879-81
Ghosh erhält in Manchester (England) Privatunterricht bei einem anglikanischen Pfarrer.


Manchester ist das Herz der britischen Schwerindustrie. (Nein, nicht gerade die Lunge :-)


1881-86
Ghosh besucht die St. Paul's School in Kensington bei London.


1886-92
Ghosh studiert am Kings College in Cambridge Altfilologie.


1893
Ghosh kehrt nach Indien zurück. Da er nicht reiten kann, bleibt ihm die angestrebte Laufbahn im britischen Kolonialdienst verschlossen. Er beginnt, die Briten zu hassen. Er wird Beamter im Fürstentum Bārodā, zunächst im Finanzministerium, dann als Englisch-Dozent am Baroda College. Nebenbei erlernt er Sanskrit, Marathi, Gujrati und seine Muttersprache Bengalisch.

1901
Ghosh heiratet seine Cousine (Tochter einer Tante mütterlicherseits) Mrinalini, geb. Bōs1.


1906
Ghosh kehrt zurück nach Kålkattā, wird Direktor des National Bengal College und Herausgeber der Zeitschrift "Bande Mataram". Er wird Mitglied der "Nationalist Party". Bengalen - traditionell das größte und [nicht nur bevölkerungs-]reichste Land auf dem indischen Subkontinent - wird zum Sammelpunkt militanter indischer Nationalisten, welche die Unabhängigkeit von Großbritannien anstreben. Dazu hat nicht zuletzt die Politik des Vizekönigs Lord Curzon beigetragen, der im Vorjahr große, überwiegend von Nicht-Bengalen besiedelte Gebiete im Süden und Westen Bengalens verwaltungsmäßig von diesem abgetrennt hat.


1907
Ghosh leitet die Bundeskonferenz der Nationalist Party in Surat, die sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Politik gegen die britische Kolonialherrschaft einigen kann.

1908
Ghosh wird - zusammen mit 48 anderen Nationalisten - wegen Verschwörung zum Landfriedensbruch angeklagt. Er verbringt ein Jahr Untersuchungshaft in Alipur, während der er die Bhagwadgītā liest.


1909
Ghosh wird - als einziger Angeklagter - freigesprochen. Die Nationalist Party ist jedoch zerstört.

1910
Vor einer erneuten Anklage flieht Ghosh aus Britisch-Indien - das er nie wieder betritt - und nimmt seinen Wohnsitz in der französischen Kolonie Pondichéry (engl. "Pondicherry", tam. "Pāndicheri", heute - nur amtlich - "Puducherry").

[Pondichéry]

Er beginnt, sein Konzept des "Integralen Yog[a]" zu entwickeln.

1914
Ghosh beginnt mit der Herausgabe der Zeitschrift "Arya" und der Arbeit an seinem Lebenswerk "The Human Cycle". Er schreibt von da an unter dem Namen "Sri Aurobindo".


1914-18
Während des Ersten Weltkriegs werben die Briten in ihren Kolonien um Kanonenfutter Freiwillige mit dem Versprechen, ihnen nach dessen Beendigung die Selbstverwaltung zu gewähren. Rund eine Million Inder gehen den Limeys auf den Leim; die Gefallenenrate liegt bei 10%.
(Tatsächlich denken die Briten nicht im Traum daran, den Griff auf ihre Kolonien zu lockern; vielmehr sind sie in den Krieg eingetreten, um sich noch mehr Gebiete zu krallen ihr Empire noch zu erweitern.)

[Raubstaat England]

1918
Mrinalini Ghosh stirbt an der "Spanischen Grippe".




1920
Mira Alfassa ("Mutter Mira") übernimmt Aurobindos Haushaltsführung. Sie hat wesentlichen Einfluß auf die Versammlung von "Jüngern" der neuen Yog-Filosofie.
Aurobindo - der in England ein wenig Deutsch gelernt und sich mit Nietzsche beschäftigt hat - veröffentlicht "Der Übermensch".

1927
Aurobindo eröffnet seinen "Āshram" in der Rue Matin.

1939
September: Großbritannien erklärt dem Deutschen Reich erneut den Krieg, den es wiederum bis zum letzten Inder zu führen gedenkt.
(Frankreich schließt sich an, verzichtet aber in Pondichéry - anders als in seinen afrikanischen Kolonien - auf Zwangsaushebungen.)

1941
Dezember: Japan tritt in den Krieg gegen Großbritannien ein.

1942
Die Japaner erobern die britischen Kolonien in Ost- und Südostasien; jedoch scheitert ihr Versuch, mit Hilfe einer aus Kriegsgefangenen aufgestellten "Indischen National-Armee [I.N.A.]" auch Barmā und Aurobindos Heimat Bengalen frei zu kämpfen.

1943
Juli: Aurobindos Vetter Subhāś Chandr Bōs übernimmt die Führung der I.N.A., die nun erheblich mehr Zulauf erhält, und reorganisiert sie von Grund auf. Mit ihr gelingt es den Japanern, den größten Teil Barmās zu befreien und bis an die Grenze Bengalens vorzustoßen.


Oktober: Bōs proklamiert eine indische Gegenregierung unter seiner Führung.
Die Briten reagieren mit verstärkter Ausplünderung Indiens, insbesondere Bengalens. Bei einer Hungersnot, die nur mit der zu vergleichen ist, die einige Jahre zuvor Stalin in der Ukraïne künstlich herbei geführt hatte, sterben mehrere Millionen Inder.


(Da Inder ein besseres historisches Gedächtnis haben als z.B. Deutsche, sind die Angelsachsen seitdem in Indien für alle Zeiten verhaßt.)

1945
August: Nach dem Abwurf zweier US-amerikanischer Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki kapituliert Japan; der Zweite Weltkrieg ist damit offiziell beendet.
(Inoffiziell führen die Alliierten den Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Besiegten fort; die Zahl der Todesopfer übersteigt die der vorauf gegangenen Kampfhandlungen bei weitem.)

1946
Februar: Als die Briten versuchen, 11.000 ehemalige I.N.A.-Angehörige pauschal zu "Kriegsverbrechern" zu stempeln und ihren höheren Offizieren vor einem Tribunal in Delhi den Schauprozeß zu machen ("Red Fort Trials" - als Probelauf für die "Nuremberg Trials"), meutern die Besatzungen aller Flotteneinheiten in Britisch-Indien geschlossen und erklären sich zur "I.N.M. [Indischen National-Marine]". Binnen weniger Tage greift die Meuterei auch auf die Luftwaffe, die Polizei und die Armee über; in den größeren Städten brechen Generalstreiks aus.
Die Briten begreifen urplötzlich, daß sie die Herrschaft über Indien nicht länger behaupten können und beginnen mit Verhandlungen über dessen Unabhängigkeit.

1947
August: Großbritannien gibt seine Herrschaft über "British India" auf. Die beiden wichtigsten Nachfolgestaaten sind das überwiegend hindūistische Bhārat unter Jwāharlāl Nehrū im Zentrum und das muslimische Pākistān unter Muhammad Alī Jinnāh im Westen, dem auch der Ostteil des geteilten Bengalens zugeschlagen wird.
(Die buddhistischen Länder Nepāl und Bhūtān im Norden sowie das überwiegend buddhistische Shrī Lankā [engl. "Ceylon"] im Süden werden erst später unabhängig; die Sikhs haben bis heute keinen eigenen Staat.)
Unmittelbar nach Ausrufung der Unabhängigkeit beginnt ein mörderischer Bürgerkrieg zwischen Hindūs und Muslimen in allen gemischt besiedelten Gebieten, vor allem im Panjāb und in Bengalen. In weniger als zwei Monaten werden ca. 11 Millionen Menschen ermordet oder vertrieben.


Aurobindo zieht es wohlweislich vor, in Pondichéry zu bleiben.


1950
05. Dezember: Arwind Ghosh alias "Shrī Aurobindo" stirbt in Pondichéry.


Sein Lebenswerk wird von Mutter Mira fortgeführt, u.a. durch Āshram-Gründungen in Delhi, Italien und Bayern.

1952
Im Rahmen der "re-education [Umerziehung]" erscheint in der BRD eine völlig verfälschte überarbeitete Fassung von "The Human Cycle" unter dem Titel "Der menschliche Zyklus". Aurobindos filosofisches Werk wird darin zu einer politischen Auseinandersetzung mit Fascismus und National-Sozialismus umgedeutet, seine Bewunderung der Deutschen und Ablehnung der Briten ins Gegenteil verkehrt.


1954
Bhārat nutzt die Schwächung Frankreichs durch den Indochina-Krieg, um Pondichéry Pondicherry militärisch zu besetzen befreien und zu annektieren wiederzuvereinigen.

1964
[...]


2010
[...]

2018
[...]


1Dikigoros folgt hier der Hindī-Schreibweise, wobei er sich deren Inkonsequenz durchaus bewußt ist: Die 1. Silbe in "Aurobindo" spricht sich wie ein offenes deutsches "O". (Gäbe es nicht im Ausland diese gefestigte Schreibweise würde er sie "Å" schreiben, wie in "Kålkattā.) Die 2. Silbe beider Namen schreibt sich auf Bengalisch gleichermaßen "shū" und auf Englisch gleichermaßen "se". Auf Hindī wird sie jedoch einmal "s[a]" und einmal "sh[a]" geschrieben. Beide Familien zählen zum vor-islamischen "Uradel" Bengalens, der bis auf die Zeit der Gupten zurück geht. Gosh war mit dem indischen Freiheitshelden Subhāś Chandr Bōs sowohl verwandt als auch verschwägert: Seine Mutter war eine entfernte Tante, seine Frau eine entfernte Cousine des "lieben Führers [netā-jī]", der ihn in jungen Jahren sehr bewunderte - bevor er den Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft aufgab und sich bei den Franzosen verkroch.


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