GÜNTHER PRIEN
"Der Bulle von Scapa Flow"
(1908 - 1941)
tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros
- 1908
- 16. Januar: Günther Prien wird als ältestes von drei Kindern eines Amtsrichters in Osterfeld geboren. Er wächst bei Verwandten auf.
- 1914-1918
- Prien besucht das Katharineum in
Lübeck.
- 1918-1923
- Prien besucht das Königin-Carola-Gymnasium in
Leipzig.
- 1923
- Prien geht vom Gymnasium ab und tritt in die Seemannsschule in Finkenwärder bei
Hamburg ein.
- 1923-31
- Prien dient nacheinander als Schiffsjunge, Kajütenjunge, "Seeziege" und "Smutje [Schiffskoch]".
- 1931
- Prien beginnt mit der Ausbildung zum Kapitän der Handelsmarine.
- 1932
- Prien erwirbt das Patent für Große Fahrt, bleibt aber infolge der Wirtschaftskrise arbeitslos.
- 1933
- Januar: Prien - der im Rückblick kein gutes Haar an der Handelsmarine läßt - tritt der Reichsmarine (Kriegsmarine) bei.*
- 1934
- Prien wird Fähnrich z.S. auf dem leichten Kreuzer Königsberg.
- 1935
- April: Prien wird zum Leutnant z.S. befördert und meldet sich zu einem Lehrgang an der U-Bootschule in Kiel.
- 1936
- Mai: Prien wird I. Wachoffizier auf U 26, das während des Spanischen Bürgerkriegs vor der Iberischen Halbinsel operiert.
- 1937
- Januar: Prien wird zum Oberleutnant z.S. befördert.
- 1938
- Dezember: Prien wird Kommandant von U 47.
- 1939
- Februar: Prien wird zum Kapitänleutnant befördert.
- September: Großbritannien und Frankreich nehmen den Beginn des
Polenfeldzugs
zum Vorwand, Deutschland den Krieg zu erklären.
- Prien gelingt es bereits in der ersten Kriegswoche, drei britische Frachter zu versenken; ihm wird das EK II verliehen.
Dies kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, daß die Wehrmacht, insbesondere die Kriegsmarine, entgegen allen Behauptungen nicht nur der feindlichen, sondern auch der eigenen Propaganda ("Kanonen statt Butter") in keinster Weise auf einen Krieg vorbereitet ist. Das Reich verfügt über ganze 22 hochseetaugliche (Typ VII-)U-Boote (auch diese nur Tauchboote auf WK-I-Niveau), von denen ganze 7 einsatzbereit sind. (Demgegenüber verfügt Großbritannien über 47, Frankreich über 78 U-Boote.) Reichskanzler
Hitler,
der keinen Krieg gegen England wollte, glaubte bis zuletzt, diesen vermeiden zu können; Großadmiral
Raeder,
der Oberbefehleshaber der Kriegsmarine, zog Überwasser-Schiffe vor; und Kapitän
Dönitz,
der "Führer der U-Boote", glaubte, dieses Defizit durch Ausbildung und Taktik wettmachen zu können.
- Infolge sträflicher Nachlässigkeit der Briten gelingt es Prien tatsächlich, mit U 47 in Scapa Flow einzudringen; allerdings liegen dort statt des erwarteten Flugzeugträgers, fünf moderner Schlachtschiffe und zehn moderner Kreuzer nur ein paar alte Pötte aus dem Ersten Weltkrieg vor Anker. Einen davon, die "Royal Oak", versenkt Prien; er benötigt dafür vier von acht Torpedos - die übrigen vier versagen. (Daher ist es ein Märchen, daß er bei der Gelegenheit auch die "Repulse" versenkt habe, wie verschiedentlich behauptet wird.)
- Die deutsche Propaganda macht aus diesem äußerst mäßigen Erfolg einen grandiosen Sieg und jubelt Prien zum ersten Kriegshelden hoch.
- Hitler persönlich verleiht ihm das eigens für ihn geschaffene Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.
- Im Zuge dieser Propaganda wird - auf dem Papier - auch die U-Boot-Waffe insgesamt aufgewertet: Dönitz wird zum Konteradmiral befördert und zum "Befehlshaber der U-Boote" ernannt. Dabei wird meist mit vornehmem Schweigen übergangen, daß U 47 gar nicht als U-Boot operiert hat: Prien hat den gesamten Angriff - einschließlich der anschließenden Flucht - über Wasser durchgeführt; der Einsatz hätte auch mit einem Schnellboot erfolgen können.
- 1940
- April: Bei der Invasion Norwegens versagt die Kriegsmarine auf der ganzen Linie, da sich ihre Torpedos durchweg als Blindgänger erweisen. Auch Prien gelingt keine einzige Versenkung.
- Juni/Juli: Prien versenkt im Atlantik acht alliierte Frachter, u.a. die "Arandora Star", mit der die Briten deutsche und italienische Kriegsgefangene in kanadische
Todeslager
transportieren wollten - sie sind nun etwas früher erlöst.
- August/September: Prien versenkt im Atlantik sieben weitere alliierte Frachter.
- Oktober: Prien wird das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen.
- Dezember: Prien versenkt nur einen einzigen Frachter. Er bleibt jedoch für die Propaganda weiterhin der U-Boot-"Held", auch als ihn andere Kommandanten hinsichtlich der versenkten Schiffe bzw. BRT überholen.
- Er veröffentlicht "Mein Weg nach Scapa Flow"; das Buch wird zum Bestseller.
- 1941
- Februar: Prien versenkt vier weitere alliierte Frachter.
- März: Prien wird bei dem Versuch, einen norwegischen Walfänger zu versenken, von britischen Zerstörern gestellt und gilt seitdem als vermißt.**
- Die "Wolverine" nimmt für sich die Versenkung von U 47 in Anspruch.
* * * * *
- 1958
- Der Film des später auch als Regisseur der
"Winnetou"-Filme bekannt gewordenen Harald Reinl
"U 47 - Kapitänleutnant Prien"
(mit Dieter Eppler in der Titelrolle) kommt in die Kinos. Er zählt - auch im Ausland - neben
"Des Teufels General" und
"Nacht fiel über Gotenhafen"
zu den erfolgreichsten deutschen Kriegsfilmen der 1950er Jahre. Sie dienen allesamt einer verlogenen "Vergangenheits-Bewältigung", die sich im besten Fall darauf beschränkt, die historischen Fakten zu ignorieren und durch die freie Fantasie der Drehbuchschreiber zu ersetzen, im schlimmsten Fall darauf, die ersteren vollständig ins Gegenteil zu verkehren.
- 2008
- An Priens 100. Geburtstag kennen ihn nur noch "unverbesserliche alte Nazis".
*Entgegen späteren Darstellungen hat dies nichts damit zu tun, daß im selben Monat Hitler Reichskanzler wurde. Prien hatte sich schon vorher zur Reichsmarine beworben, weil er arbeitslos war. (Allerdings dürfte es ein Märchen sein, daß er aus Verbitterung ob dieser Arbeitlosigkeit der NSDAP beitrat. Das tat er schon 1931, kurz nachdem sie bei den Landtagswahlen in Oldenburg erstmals zur stärksten Partei geworden war, also mutmaßlich aus Opportunismus.) Aus demselben Grund verbrachte er während der Wartezeit bis zur Annahme eine kurze Zeit beim freiwilligen Arbeitsdienst - der keine Erfindung der Nazis war -; dort gab es wenigstens satt zu essen. Ebenfalls entgegen späteren Darstellungen fing Prien bei der Reichsmarine nicht als einfacher Matrose an, sondern als Offiziersanwärter. (Im Juli 1932 war das Segelschulschiff Niobe mit Mann und Maus - darunter fast ein ganzer Jahrgang Kadetten - in der Ostsee abgesoffen. Die Reichsmarine ergänzte daher den Jahrgang 1931 ausnahmsweise um 15 arbeitslose Offiziere der Handelsmarine, zu denen auch Prien zählte.)
**Wiewohl die Wehrmachtsführung erst im Mai offiziell erklärte, daß mit einem Wiederauftauchen Priens wohl nicht mehr zu rechnen sei, muß ihr dies schon im März klar gewesen sein, da seit dem 7.3. keine Funksprüche mehr von U 47 kamen. Die für den 1.4. vorgesehene Beförderung Priens zum Korvettenkapitän wurde nicht mehr ausgesprochen. Dagegen wurden Otto Kretschmer - dem erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten des Krieges -, der ein paar Tage später als vermißt gemeldet wurde, noch im Dezember 1941 die Schwerter zum Eichenlaub des Ritterkreuzes verliehen. Selbst wenn inzwischen bekannt war, daß er in britische Gefangenschaft geraten war, mußte man doch davon ausgehen, daß er dort - wie die meisten deutschen U-Boot-Fahrer - ermordetals "Kriegsverbrecher" hingerichtet würde. Daß Kretschmer die Gefangenschaft überlebte - und auch nach Kriegsende unbehelligt blieb - deutet darauf hin, daß er "umgedreht" wurde. Sonst wäre auch schwer zu erklären, daß man ihn 1955 in die neu gegründete Bundesmarine übernahm, wo er bis zum Flotillen-Admiral aufsteigen sollte.
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Wolfgang Lüth
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