Der Irrweg nach Wien - Israel, die "PLO" und wir

Warum Vorschußvertrauen in Arafat nicht dem Frieden dient

von Richard LÖWENTHAL (DIE ZEIT, 20. Juli 1979)

[Verbrecher, Verräter, Alkoholiker]
Kürzungen, Bilder, Anmerkungen und Links: Nikolas Dikigoros

In seinem Artikel "Israel und wir" hat Theo Sommer das Wiener Treffen zwischen Bruno Kreisky, Yassir Arafat und Willy Brandt gegen den "Aufschrei der Empörung" aus Israel mit moralischen und politischen Argumenten verteidigt. In der moralischen Frage gebe ich ihm recht [...] (Anm. Dikigoros: In der Außenpolitik sollte man "Moral" eigentlich aus dem Spiel lassen. Aber wenn schon, denn schon: Es ist unmoralisch, solche Dinge einem jüdischen Verräter Renegaten, einem Verbrecher und einem versoffenen Vollidioten zu überlassen, von dem niemand so genau weiß, wessen Marionette er ist.)

Die Frage ist, ob das Wiener Treffen politisch ein Schritt auf einem solchen Wege [zum Frieden] war. Theo Sommer führt dafür im wesentlichen zwei Argumente an [...] Das eine ist, daß Kontakte mit der PLO notwendig sind, um heraus zu finden, wie dauerhaft sie auf das in ihrer Charta proklamierte Ziel der Zerstörung Israels festgelegt bleibt. Das ist [...] auch dann notwendig, wenn man nicht Kreiskys Meinung teilt, die PLO sei der einzig legitime Vertreter der Palästinenser [...] Sie ist auf alle Fälle ein wichtiger Faktor, gegen dessen Widerstand ein gesicherter Friede schwer zu erreichen wäre.

Sommers zweites Argument ist, daß die Regierung Begin durch ihre provokative Siedlungspolitik auf dem Westufer des Jordan (Anm. Dikigoros: Wieso ist es "provokativ", wenn Juden in Judäa und Samaria leben wollen? Araber dürfen ja auch in Israel leben - übrigens ein schwerer Fehler der israelischen Regierung, der sie einst bitter rächen wird) und ihre restriktive Auslegung der in Camp David den Ägyptern versprochenen Autonomie für die Palästinenser (Anm. Dikigoros: Was geht das die Ägypter an? Die sind doch nicht bereit, auch nur einen einzigen "Palästinenser" bei sich leben zu lassen - aus gutem Grund!) jeden weiteren Fortschritt zum Frieden über den Vertrag mit Ägypten hinaus erschwert, und daß der Westen wohl Verantwortung für die Sicherheit Israels, aber nicht für die Konsolidierung eines mit Waffengewalt geschaffenen Groß-Israel übernehmen kann. Auch das ist richtig; und daraus folgt, daß ein gesicherter Friede Veränderungen ebenso in der israelischen wie in der arabischen und speziell palästinensischen Politik voraussetzt. (Anm. Dikigoros: Dummes Zeug - die Realität sah und sieht so aus!)

Es geht also darum, ob das Wiener Treffen ein geeignetes Mittel war, um diese Veränderungen [...] zu fördern. Ich bin vom Gegenteil überzeugt.

[...] Hinter der programmatischen Festlegung [der PLO] auf die Vernichtung Israels stehen Jahrzehnte des sorgfältig gezüchteten Hasses und des Blutvergießens; hinter der Alternative einer künftigen Koexistenz eines unabhängigen Palästina mit Israel steht vielleicht [...] die wachsende Einsicht einer Reihe von Führern. Eine Entscheidung für die realistische Einsicht ist nicht ohne harte innere Kämpfe, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ohne Abspaltung starker terroristischer Kader möglich; und eine Spaltung unter Terroristen bliebe wahrscheinlich kein unblutiger Vorgang. Das erklärt, warum zwar Brandt und Kreisky nach dem Wiener Treffen mitteilten, Arafat habe sie von seiner Bereitschaft zur eventuellen Koexistenz mit Israel überzeugt, aber Arafat nichts dergleichen öffentlich äußerte - und ein PLO-Sprecher anschließend dementierte, daß seine Organisation das in der UN-Resolution 242 enthaltene Prinzip der Existenz Israels jemals akzeptiert habe.

Brandt scheint der Meinung zu sein, man könne von Arafat nicht verlangen, daß er öffentlich von der Vernichtungsklausel abrücke, solange Israel nicht die PLO als Verhandlungspartner anerkannt habe. Doch einerseits ist es absurd, von Israel solche Anerkennung einer auf seine Vernichtung festgelegten Organisation zu fordern. Und andererseits kann niemand erwarten, daß Arafat das Risiko einer grundsätzlichen inneren Auseinandersetzung eingeht, solange er glaubt, die Anerkennung seitens des Westens ohne ein vorheriges, bindendes Abrücken von dem Vernichtungsziel erhalten zu können. Indem das Wiener Treffen, angefangen von der Form des Staatsempfangs für Arafat über Kreiskys Umarmung bis zur nachträglichen Zubilligung eines guten Willens, auf den der PLO-Chef sich öffentlich nicht festgelegt hatte, diese seine Hoffnung ermutigte, hat es ihn auch ermutigt, dem Risiko der inneren Auseinandersetzung über das Ziel der PLO weiter auszuweichen. Es hat damit die notwendige Veränderung in der PLO, und in der arabischen "Verweigerungsfront" im allgemeinen, nicht erleichtert, sondern erschwert.

Nun zu [...] Israel. Die Überwindung der groß-israelischen Politik Begins hängt davon ab, daß mehr und mehr Israelis davon überzeugt werden, daß es eine glaubwürdige alternative Politik für die dauernde Sicherheit Israels gibt. (Anm. Dikigoros: Die gibt es nicht - warum sollten die Israelis so blöd sein, daran zu glauben?) Eine solche Alternative kann nicht auf der Linie Nahum Goldmanns gefunden werden, des einzigen führenden Zionisten, der das Wiener Treffen begrüßt hat: Goldmann ist [...] von einer realistischen Einsicht in die Möglichkeiten der internationalen Politik weit entfernt - wie könnte er sonst [...] den Vorschlag machen, die Sicherheit Israels, eines von Feinden umgebenen Landes, auf "Neutralisierung unter internationaler Garantie" aufzubauen?

Die wirkliche Alternative zu Begin ist die Opposition der Arbeiterpartei unter Shimon Peres [...] (Anm. Dikigoros: Stimmt - freilich eine grottenschlechte Alternative.) Gewiß, auch ihre Vorstellungen in der Frage der palästinensischen Autonomie gehen für eine dauerhafte Gesamtlösung nicht weit genug; aber sie wollen vorwärts in der Richtung zum Frieden und nicht rückwärts ins groß-israelische Getto, und sie haben eine Chance, sich [...] in absehbarer Zeit durchzusetzen.

Doch ich fürchte, das Wiener Treffen hat die Stellung gerade dieser Kräfte geschwächt - wie es wahrscheinlich die Stellung Sadats geschwächt hat. Die israelische Arbeiterpartei sieht sich dem Vorwurf [...] ausgesetzt, daß die Internationale, der sie angehört, den Todfeinden Israels, die täglich Bombenanschläge auf seine Bevölkerung verüben, mit Vertrauensbeweisen entgegenkomme. Für Sadat, der nach einem wirklichen Schritt zum Frieden gegen eine weitgehende Isolierung in der arabischen Welt ankämpfen muß, kann der feierliche Empfang des gleichen Arafat, der ihn ständig als Verräter denunziert, in einer westlichen Hauptstadt kaum eine Freude sein. (Anm. Dikigoros: Sadat wurde auch in Ägypten von vielen als Verräter angesehen - nicht umsonst fiel er wenig später einem Attentat zum Opfer. Die Ägypter haben nie wieder einen "Habschi" zum Präsidenten gewählt.)

[...] In der ehrgeizigen Hoffnung, auf eigne Faust eine künftige Gesamtlösung im Nahen Osten vorzubereiten, und in der undurchdachten Wahl der Mittel dieses Versuchs haben Kreisky und Brandt die konkreten Schritte zum Frieden schwerer gemacht.

Ich will mich hier nicht an den psychologischen Spekulationen über die Motive Kreiskys beteiligen [...] An der Lauterkeit der Motive Brandts, dem es hier wie in der Ostpolitik und in der Nord-Süd- Kommission primär um den Frieden geht, gibt es für mich keinen Zweifel: Es ist nicht sein Ziel, sondern die Zweckmäßigkeit der [...] Mittel, die ich in Frage stelle.

Doch ich will eine letzte Sorge nicht verhehlen [...] Sie betrifft die Haltung der Sozialistischen Internationale zu den militanten "Befreiungsbewegungen" der Dritten Welt. Es ist ein [...] Verdienst (Anm. Dikigoros: dieses Wort müßte man eigentlich in Anführungsstriche setzen, wenn man es nicht durch "Verschulden" ersetzen will) Willy Brandts, die Ausdehnung der Tätigkeit der Internationale auf Länder der Dritten Welt bewußt gefördert zu haben. In einigen Fällen [...] handelt es sich dabei um die Zusammenarbeit mit sozialistisch orientierten, eindeutig demokratischen Parteien, die für ihre Länder eine hoffnungsvolle Alternative zu dem Dilemma zwischen reäktionärer Militärherrschaft und kommunistischer Diktatur darstellen, und unter Umständen auch mit revolutionären Mitteln um die demokratische Freiheit kämpfen müssen. (Anm. Dikigoros: Der Satz trieft von verlogener Heuchelei!) In anderen Fällen - zumal im Süden Afrikas - handelt es sich um die Unterstützung von Befreiungsbewegungen gegen rassische Unterdrückung, die zu einer Ausdehnung der Menschenrechte beitragen können [...] (Anm. Dikigoros: Nein, von anti-weiß-rassistischen Terror-Organisationen, die sich um "Menschenrechte" einen feuchten Kehricht scheren!) Die Gefahr beginnt, wo eine Tendenz auftritt, die beiden Erscheinungen gleichzusetzen und alle militanten Befreiungsbewegungen, auch wenn sie mit terroristischen Mitteln arbeiten, ideologisch zu verklären, als ob sie demokratisch-sozialistische (Anm. Dikigoros: ein Widerspruch in sich!) Bewegungen wären.

Die Gefahr wird deutlich an jenem Beschluß der Pariser Bürositzung der Internationale, der Brandts Teilnahme an dem Wiener, Treffen mit Arafat zugrunde lag: Die Internationale wünsche eine Erkundung der wirklichen Ziele der PLO nicht nur um der Chancen des Friedens im Nahen Osten willen, sondern auch, um besser zu dem Wunsch einiger Parteien [...] Stellung nehmen zu können, die PLO zu Tagungen der Sozialistischen Internationale als Beobachter einzuladen [...] Für eine solche Stellungnahme [...] keine besondere Erkundung nötig; denn unabhängig von der Zielfrage hat eine politische Organisation, die mit den Mitteln des Terrors arbeitet, mit den Prinzipien und Traditionen des demokratischen Sozialismus nichts gemein. (Anm.: Na... das wagt Dikigoros doch sehr zu bezweifeln.)

Die demokratische Arbeiterbewegung hat in keinem Lande und zu keiner Zeit terroristische Kampfmethoden angewandt (Anm. Wie bitte? Da muß R.L. doch leicht andere Vorstellungen von "Terror" haben als Dikigoros!), und wo Einzelne das tun wollten, hat sie sich rücksichtslos von ihnen getrennt. (Anm. Dikigoros: Quatsch. Für eine Trennung - oder auch nur Distanzierung - gibt es kein einziges Beispiel in der Geschichte dieser "Bewegung"!) Im Kämpf um die Staatwerdung Israels ist Terror von Begins Irgun angewandt vorden, nicht aber von der israelischen Arbeiterpartei, und weder diese noch die Internationale haben die Terrorakte der Irgun gebilligt - etwa wegen der bloßen Möglichkeit, daß der Terrorist Begin eines Tages ein Staatsmann werden könne. Auch in ihrer inneren Struktur kann eine terroristische Organisation nicht demokratisch sein. (Anm. Dikigoros: Wieso nicht?) Wenn Kreisky den Anspruch Arafats akzeptiert, eine demokratische Organisation zu vertreten, weil in der PLO Delegierte gewählt werden, so vergißt er, wie oft in der PLO innere Rivalitäten durch Mord ausgetragen worden sind.

Die Vorstellung, man könne eine Organisation wie die PLO als Beobachter zu Tagungen der Sozialistischen Internationale einladen, ist darum nicht nur für die israelische Arbeiterpartei unerträglich. Sie zeigt eine [...] Aufweichung der freiheitlichen und humanitären Grundprinzipien an, auf denen der demokratische Sozialismus seit mehr als einem Jahrhundert ruht. Nicht nur «in schlechtes Gewissen gegen die Juden kann [...] ein unvernünftiger Maßstab für politische Entscheidungen sein. Auch das schlechte Gewissen gegen die Dritte Welt sollte durch vorwärts blickende Vernunft gezügelt werden. (Anm.: Wegen dieses warnenden Schlußsatzes hat Dikigoros diesen - ansonsten ziemlich dümmlichen - Artikel in seine Webpräsenz übernommen.)


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