Arthur John Evans

(08.07.1851-11.07.1941)

[Arthur John Evans]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

[Der Minótavros]
1851
08. Juli: Arthur John Evans wird als ältestes von fünf Kindern des Unternehmers John Evans und seiner Ehefrau Ann (geb. Dickinson) in Nash mills (Hertfordshire) geboren.
(Sein Vater, der durch Einheirat Mitinhaber der Papiermühle gleichen Namens geworden ist, betätigt sich nebenbei als Hobby-Archäologe, sammelt Münzen und antike Artefakte. Seine Mutter stirbt im Kindbett, als Arthur 7 Jahre alt ist.)

1865-70
Evans - der zunächst Privatunterricht erhalten hat - besucht die Elite-Schule Harrow.

1870-74
Evans studiert in Oxford Geschichte, Alt-Filologie und Archäologie.
In den Semesterferien bereist er Frankreich, Skandinavien und das Osmanische Reich (das damals noch große Teile Südosteuropas einschließt). In Paris entdeckt er das 1869 dort veröffentlichte Buch Schliemanns über Troja.



1875-77
Während des anti-osmanischen Aufstands in Bosnien-Herzegowina (in dem Großbritannien, Österreich-Ungarn und Serbien - mit russischer Unterstützung - kräftig mitmischen) treibt sich Evans als freier Reporter (u.a. für den Manchester Guardian auf dem Balkan herum.
(Der Aufstand führt dazu, daß das Osmanische Reich die Verwaltung der beiden unruhigen Provinzen Österreich-Ungarn überläßt - ein Danaer-Geschenk.)

1878
Juni: Evans heiratet Margaret, geb. Freeman, die Sekretärin seines Vaters, und zieht mit ihr nach Ragusa (heute "Dubrovnik").


1878-82
Evans arbeitet offiziell weiter als Journalist, tatsächlich aber wohl als inoffizieller Mitarbeiter des britischen Außenministeriums; er hetzt mehr oder weniger offen zum Aufstand - nunmehr gegen Österreich-Ungarn statt gegen das Osmanische Reich -, bis er als britischer Spion verhaftet und ausgewiesen wird.

1884
Evans wird Frühstücksdirektor Kurator des Ashmolean Museums in Oxford, ein Posten, der ihm viel Zeit läßt, um seinen eigenen Interessen nachzugehen.

1886-90
Nachdem in Aylesford (Kent) ein Grab aus dem 1. Jahrhundert v.C. entdeckt worden ist, leitet Evans umfangreiche Ausgrabungen und publiziert deren Ergebnisse.

1893
Evans' Schwiegervater und seine Frau sterben kurz nacheinander. Nun hält ihn nicht mehr viel in Old Blighty England.

1894
Evans geht nach Kreta. Nachdem er die Werke Bachofens und Milchhöfers studiert hat, ist er überzeugt, daß dort drei Jahrtausende zuvor, in der "Bronzezeit", eine matriarchalische Hochkultur existierte.* Ähnlich wie Schliemann das Troja des Hómeros, will Evans das Knossós der Theseus-Sage finden.

[Theseus tötet den Minótavros - von einer antiken Vase]

Die Verhandlungen um eine Grabungslizenz ziehen sich jedoch hin, da er die finanziellen Forderungen der Osmanen - denen Kreta noch untersteht - für überhöht hält.

1896-97
Ein Aufstand der griechischen Kreter gegen die Türken endet damit, daß die Insel für "selbständig unter britischem Protektorat" erklärt wird.


(Großbritannien beherrscht so vorübergehend fast alle wichtigen Stützpunkte im Mittelmeer: Gibraltar, Menorca, Malta, Kreta, Cypern und Ägypten [ebenfalls als "Protektorat"] mit dem Suez-Kanal.)
Damit ist der Weg für Evans frei - und bleibt es auch, als Griechenland Kreta 1908 annektiert "wiedervereinigt"**, zumal Großbritannien (im Bündnis "en entente [im Einvernehmen]" mit Frankreich) Griechenland 1916 wieder besetzt.


1900-1935
Evans widmet den Rest seines Lebens den Ausgrabungen in Knossós. Er interpretiert freigelegte Ruinen als "Palast des König Minos" und läßt sie als solche "wieder"-herrichten.*** Ähnlich wie Schliemann eine in Mykene gefundene Grabmaske als "Maske des Agamemnon" interpretierte, interpretiert er einen aufgefundenen Stierkopf als "Kopf des Minótavros". Die Statuette einer barbusigen Schlangentänzerin interepretiert er als "Muttergottheit" im Sinne Bachofens und wertet sie als Beweis für die Existenz eines Matriarchats. Diese u.a. Fundstücke läßt er nach England verfrachten.**** Zur Belohnung wird er in die Royal Society aufgenommen und geadelt.

[Knossós bei Ausgrabungsbeginn 1900]

1921-1935
Evans veröffentlicht seine Forschungsergebnisse und Hypothesen in sechs Bänden. Sie gelten Jahrzehnte lang als Standardwerk zum Thema Knossós.


1939
03. September: Großbritannien erklärt dem Deutschen Reich den Krieg, der sich bald zum (Zweiten) Weltkrieg ausweitet.

1940
November: Wie schon im Ersten Weltkrieg überfällt Großbritannien Griechenland ohne Kriegserklärung und besetzt Kreta.


1941
Mai: Kreta wird von deutschen Fallschirmjägern befreit. Noch ahnt niemand, daß dies der Anfang vom Ende der britischen Herrschaft im Mittelmeer - und schließlich des ganzen Empire - ist.
11. Juli: Arthur John Evans stirbt in Youlbury (Oxfordshire). Mit ihm stirbt der letzte britische Archäologe von Weltrang.*****
In Knossós wird ihm ein Denkmal errichtet, das bis heute steht. Dagegen werden seine archäologischen Leistungen nach und nach demontiert****** - sinnbildlich für den Niedergang Englands, das bei seiner Geburt noch die unangefochtene Weltmacht Nr. 1 war.

[Gedenkstein in Knossós]


*Das Wort "Matriarchat" erscheint vielen heute als rotes Tuch - vor allem denen, die in Mitteleuropa die Schrecken einer Weiberherrschaft miterlebt haben, die das Abendland an den Rand des Untergangs gebracht hat. Aber das war es nicht, was Bachofen meinte. Zunächst einmal gebrauchte er gar nicht das lateinische Fremdwort "Matriarchat", sondern das griechische "Gynaikokratie". Und er meinte auch nicht, daß Frauen formal höchste Ämter in Staat und Gesellschaft einnahmen, sondern - was doch ganz natürlich und, wenn man so will, auch "natur-rechtlich" ist -, daß Mütter indirekten, aber umso stärkeren Einfluß auf ihre Söhne (und deren Väter :-) ausübten.
[Bachofen war Schweizer. Dikigoros zieht die Schweiz immer gerne als Beispiel heran für die Unterscheidung von "Matriarchat" und "Patriarchat" in Theorie und Praxis: Solange die Frauen dort theoretisch kein Wahlrecht hatten, pflegten ihre Ehemänner - oder unverheirateten Söhne - sie zu fragen: "Was soll ich denn wählen?" - Und machten dann in der Praxis das, was die Frauen ihnen sagten. Heute, da die Frauen selber das Wahlrecht haben, fragen die Männer sie nicht mehr, sondern machen, was sie wollen.]
Natürlich (man sehe Dikigoros den wiederholten Gebrauch dieses Wortes nach - er tut das immer nur im ursprünglichen Sinne :-) setzt das voraus, daß die Frau Mutter ist. Die Politverbrecherin Sarah Sauer (geb. Kasner, gesch. Merkel) war eben keine Mutter. Keine Frau, die eigene Kinder hat, betreibt den Untergang des eigenen Volkes und der eigenen Kultur. Aber kinderlose Frauen hassen die Mütter und Kinder "ihres" Volkes und wünschen ihnen den Untergang. Bachofen meinte auch keinen Amazonenstaat mit Flintenweibern, die in den Krieg zogen. Aber "Das Mutterrecht" wurde schon zu seinen Lebzeiten kaum mehr im Original veröffentlicht, sondern nur - unter irreführendem Titel - in aus dem Zusammenhang gerissenen "Auszügen", die man leicht mißverstehen konnte - so offenbar auch Evans.

[Evans' Biografen haben versucht, noch andere Gründe für seine hartnäckige Suche nach einer "Muttergöttin" zu finden, wie den frühen, traumatischen Verlust seiner Mutter und seiner - älteren - Ehefrau. Aber das bleibt pure Spekulation: Evans hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu seiner Stiefmutter - die selber keine Kinder hatte, also auch keinen Grund, ihre Stiefkinder etwa schlechter zu behandeln als leibliche -, und seine Frau war gerade mal drei Jahre älter als er. Ihr Tod war vielleicht der Anlaß, auf Forschungsreisen zu gehen, aber schwerlich ein Motiv für die Suche nach einer "Ersatzgöttin".]
Es ist doch ganz normal - oder war es jedenfalls in der Antike -, daß sich ein Volk Götter und Göttinnen schuf, und daß es sich bei letzteren meist um Muttergottheiten handelte. [Bei den alten Griechen z.B. die Hera.] Lediglich die engstirnigen Semiten (Juden und Araber) sponnen sich eine alleinige Vatergottheit aus, die keine anderen Götter und/oder Göttinnen neben sich duldete. Anderswo überlebten die Göttinnen sogar die formelle Einführung des "Monotheïsmus" - der ja in der Praxis meist gar keiner war: Im Christentum war und ist die Verehrung der "Gottesmutter" Maria (und ihres Kindes) mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als die der imaginären Vatergottheit (die praktisch nie abgebildet wird, obwohl das theoretisch nicht verboten ist). Und im Islâm? Da spalteten sich die Shiïten von den Sunniten ab, weil nicht-arabische Völker auf die matrilineare Abstammung vom Profeten pochten: Für sie waren die Kinder und Kindeskinder seiner Lieblingstochter (seinen Schwiegersohn Ali schob man nur pro forma vor - siehe Schweiz :-) die legitimen Kalifen!

**Dikigoros setzt das in Anführungsstriche, da Kreta zuvor nie mit Griechenland "vereinigt", sondern entweder unabhängig oder aber von anderen Mächten besetzt war: Römern, Venezianern, Osmanen und eben Briten.

***Dafür wurde und wird Evans scharf kritisiert. Heutige Archäologen huldigen der Auffassung, daß man antike Ruinen am besten in ihrem "Urzustand" belassen sollte. Aber warum gräbt man sie dann überhaupt aus? Und der Ausgrabungszustand ist ja gerade nicht der "Urzustand"; den versuchte Evans vielmehr - wenigstens teilweise - wieder herzustellen, und genau das ist doch auch der Sinn der Sache, wenn man solche Funde der Allgemeinheit zugänglich machen und ihr eine Vorstellung davon geben will, wie es mal gewesen sein könnte. [Alles andere ist "l'art pour l'art", d.h. Wissenschaft als Selbstzweck, und damit wertlos.] Gewiß kann man dabei irren. Aber vielleicht lag Evans gar nicht so falsch. Jahrhunderte lang nahmen "Wissenschaftler" an, daß die alt-griechischen und alt-römischen Tempel und Paläste (und Bauwerke überhaupt) farblos bzw. natursteinfarben gewesen seien. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, daß sie ganz im Gegenteil knallbunt bemalt waren (ähnlich wie die indischen Tempel und Paläste). Die alten Völker waren eben keine muffeligen Griesgrame, die Angst vor dem Leben hatten, mit schwarzen Masken vorm Maul herum liefen, um sich vor imaginären Grippe-Epidemien zu schützen, und nicht nach links und rechts schauten - es sei denn, um festzustellen, ob der nächste Maskenträger auch mindestens 1,50 m entfernt war -, sondern Menschen, die sich gerne gemeinsam im Freien aufhielten und an schönen Farben erfreuten; Dikigoros ist überzeugt, daß ihnen Evans' Bemalung - egal, ob es nun die ursprüngliche war oder nicht oder doch - gefallen hätte.

****Auch dafür wurde und wird Evans scharf kritisiert - das sei "Kunstraub" oder zumindest "kulturelle Appropriation" gewesen. Doch darüber kann man trefflich streiten. Generell gilt, daß viele Überreste, die aus der "Dritten Welt" nach Europa gebracht wurden, dadurch vor der Vernichtung bewahrt wurden. Das gilt insbesondere für solche aus Ländern, die in die Hände der Muslime gefallen waren, die zu jenen Überresten keine eigene historische Beziehung hatten/haben und auch kein anderes als finanzielles Interesse - außer ggf. dem, sie als Werke der "Ungläubigen" zu zerstören (Afģānistān, Ägypten, Irak, Iran, Pākistān, Syrien, Türkei - zu der Kreta gehörte und die heute wieder radikal-islamisch orientiert ist). Speziell im Falle Kretas sieht Dikigoros nicht, was besser wäre, wenn die Originale im Keller des Nationalmuseums von Athen lägen (ausgestellt werden dort nur Repliken) statt im British Museum von London. Und sie zurück nach Knossós zu bringen - das ohnehin von Touristen überlaufen ist (bzw. war, bevor der Ausbruch der weltweiten Corona-Panhysterie dem internationalen Tourismus ein Ende gemacht hat) -, würde sie dort erst recht der Gefahr von Diebstahl, Beschädigung usw. aussetzen.

*****Evans' Neffe John Marshall - der als junger Mann kurze Zeit mit ihm in Knossós war - überlebte ihn zwar um einige Jahre, war aber eigentlich gar kein Archäologe; Dikigoros hat ihn wegen anderer - ähnlicher - Leistungen in diese seine Sammlung aufgenommen.

******Außer dem im verlinkten Artikel angesprochenen mutmaßlichen Irrtum in Sachen Matriarchat hat man Evans vor allem vorgeworfen, daß er die "Linear"-Schriften falsch gedeutet habe. Aber die "Linear A" ist bis heute nicht entziffert; und auch die von der herrschenden Meinung vertretene Deutung der "Linear B" überzeugt Dikigoros nicht so ganz - doch das kann nicht Gegenstand dieser Kurzbiografie sein.


weiter zu Leopoldo Batres

zurück zu Archäologen und Überrestesucher

heim zu Von der Wiege bis zur Bahre