Jorge Eliécer Gaitán

(23.01.1898 - 09.04.1948)

Von der Parteien Gunst und Haß ver-
wirrt, schwankt sein Charakterbild
in der Geschichte
(F. v. Schiller)

[Jorge Eliécer Gaitán 1936]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1898
23. Januar: Jorge Eliécer Gaitán Ayala wird als ältestes von sechs Kindern der Eheleute Jorge Eliécer Otálora und Manuela, geb. Ayala, in Cucunubá (Provinz Cundinamarca) geboren.
Beide Eltern sind Lehrer; der Vater betreibt später ein Antiquariat und betätigt sich auch als Zeitungsverleger.*
Um Kolumbien ist es innen- und außenpolitisch schlecht bestellt: 1899-1902 tobt ein Bürgerkrieg, den die USA dazu nutzen, sich erst den Panamá-Kanal unter den Nagel zu reißen und dann die ganze Nordwest-Ecke Kolumbiens, die so genannte "Kanalzone".
(Auf dem Staatswappen - s.o. - erkennt man den Isthmos, darüber und darunter je ein Schiff. Vom Staatsmotto - "Libertad y Orden [Freiheit und Ordnung]" bemerkt man im Lande dagegen ebenso wenig wie von den beiden Füllhörnern. Über alledem hockt der - auch in der Realität gut sichtbare - [Pleite-]Geier.)

1903
Nach Beendigung des Bürgerkriegs zieht Familie Gaitán in die Hauptstadt Bogotá, wo Jorge aufwächst.
Er wird zunächst von seiner Mutter zuhause unterrichtet und besucht sodann die Oberschule.

1914-1918
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs erklärt sich Kolumbien neutral und bleibt das auch, als nach dem Kriegseintritt der USA andere Staaten Lateinamerikas auf deren mehr oder minder [un]sanften Druck den Mittelmächten den Krieg erklären.
(Während des Bürgerkriegs hatte das Deutsche Reich versucht, die USA vom Raub von der Befreiung der Panamá-Zone abzuhalten - allerdings ohne Erfolg.)


Es untersagt seinen Bürgern jedoch nicht, sich als Söldner auf Seiten der Entente-Mächte am Krieg zu beteiligen.
Einige wenige jener dummen Jungen braven Helden kehren als Krüppel zurück, der Rest fällt oder gilt als vermißt; manche stellen sich gar so dumm an, daß sie bei der Vorstellung in Paris als deutsche Spione verdächtigt und von den Franzosen ermordet hingerichtet werden. Dikigoros erwähnt das, weil zu den letzteren auch ein entfernter Vetter Jorges - Alejandro Cruz Gaitán - zählt.
Es gelingt Kolumbien nicht, vom Krieg zu profitieren: Zwar steigen die Erlöse für Exportwaren, gleichzeitig steigen aber auch die Preise im Inland. Wenngleich die Inflation nicht so hoch ist wie in den meisten Staaten Europas, leidet die Bevölkerung doch darunter; große Teile der Mittelschicht verarmen; Unzufriedenheit mit der Politik der Konservativen - die versuchen, den Problemen durch eine verstärkte Anlehnung an die USA beizukommen - beginnt sich breit zu machen.

1918
Jorge betätigt sich als Wahlkampfhelfer für Guillermo Valencia, den - erfolglosen - Präsidentschaftskandidaten der "Liberalen Partei" (der sein Vater angehört).

1920-24
Nachdem Jorge am Colegio Martín Restrepo Majía das Abitur abgelegt hat, studiert er Rechtswissenschaften an der National-Universität von Kolumbien in Bogotá.

1922
Gaitán betätigt sich erneut als Wahlkampfhelfer für den Präsidentschaftskandidaten der "Liberalen", Benjamín Herrera.

1924-26
Gaitán arbeitet als Assessor in einer Anwaltskanzlei.
Während dieser Zeit wird er zum Abgeordneten des Provinzparlaments von Cundinamarca gewählt.

1926-28
Gaitán geht nach Italien und absolviert ein Doktorandenstudium an der Königlichen Universität in Rom.
Er promoviert bei dem berühmten Kriminologen Enrico Ferri mit einer - preisgekrönten - Dissertation über den Vorsatz im Strafrecht.**

1929
März: Nach seiner Rückkehr wird Gaitán in die Abgeordnetenkammer Kolumbiens gewählt.
Oktober: Mit dem "Schwarzen Freitag" an der New Yorker Börse beginnt die Weltwirtschaftskrise, die Kolumbien - wie andere Staaten Lateinamerikas auch - hart trifft.
Kolumbiens Wirtschaft war - ähnlich wie die Brasiliens - stark vom Kaffee-Export abhängig, einem nicht unbedingt lebensnotwendigen "Luxusgut", an dem die Verbraucher zuerst sparten. Allerdings hatte Kolumbiens Landwirtschaft inzwischen ein zweites Standbein, nämlich den Anbau von Bananen, nicht zuletzt Dank der US-amerikanischen United Fruit Company - was jener freilich schlecht gedankt wurde.***

1930
Juli: Bei den Präsidentschaftwahlen obsiegt der Kandidat der Liberalen, Enrique Olaya Herrera. Damit beginnt der politische Aufstieg Gaitáns.

1931
Juli: Gaitán wird für ein Jahr Präsident der Abgeordnetenkammer.

1932
Gaitán wird Professor für Strafrecht an der Freien Universität Bogotá.

1933
August: Alfonso López Pumarejo - seit April Vorsitzender der Liberalen - wird neuer Präsident von Kolumbien.
Oktober: Gaitán verläßt die Liberalen und gründet die "National-Union der revolutionären Linken [UNIR]".

1934
Gaitán läßt Schlägertrupps der UNIR gewalttätige Demonstrationen anzetteln; sie können sich jedoch in ausgedehnten Straßenschlachten nicht gegen die - von der Polizei unterstützten - Schlägertrupps der Liberalen durchsetzen.

1935
Gaitán verläßt die UNIR und kehrt zu den Liberalen zurück, die ihm großmütig verzeihen.

1936
Mai: Gaitán heiratet Amparo Jaramillo.
(Aus der Ehe geht eine Tochter hervor, die später eine unrühmliche politische Karriere macht als Beraterin des chilenischen Diktators Salvador Allende.)
Juni: Gaitán wird Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Gleichzeitig wird er zum Bürgermeitser von Bogotá ernannt. (Gewählt wird bei diesem wichtigen Posten nicht.)

1937
Februar: Gaitán wird von Präsident Pumarejo beider Ämter enthoben. Er wird Rektor der Freien Universität Bogotá (bis 1940).

1939
September: In Europa bricht der Zweite Weltkrieg aus. Kolumbien bleibt zunächst wieder neutral.

1940
Februar: Gaitán wird für ein Jahr Erziehungsminister.

1941
Dezember: Kolumbien bricht die Beziehungen zu den Achsenmächten ab.

1943
November: Kolumbien erklärt den Achsenmächten den Krieg und steckt alle deutschen, japanischen und italienischen Staatsangehörigen in Konzentrationslager, wo die meisten von ihnen umkommen. (Die Überlebenden werden 1945 ausgewiesen; die Folgen für die kolumbianische Wirtschaft sind katastrofal.)

1945
Am Ende des Zweiten Weltkriegs steht Kolumbien, das sich - im Gegenstaz zu anderen Staaten Südamerikas - nicht an demselben zu bereichern gewußt hat, wieder mit leeren Händen da; die Unzufriedenheit der Untertanen richtet sich diesmal gegen die Liberalen.

1946
Mai: Bei den Präsidentschaftswahlen obsiegt der Kandidat der Konservativen, Mariano Ospina Pérez.
Gaitán, der als unabhändiger Kandidat angetreten ist, belegt Platz 3, hinter dem Kandidaten der Liberalen.

1947
Die Liberalen wählen Gaitán zum neuen Parteivorsitzenden und nominieren ihn als Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl.

1948
09. April: Jorge Eliécer Gaitán wird auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen.
Noch am selben Tag lyncht die aufgebrachte Menge einen gerade erwischten Ladendieb namens Juan Roa Sierra, den sie für den Täter hält. Die näheren Umstände des Attentats werden nie aufgeklärt.
(Erinnert das jemanden an das Attentat auf John F. Kennedy anderthalb Jahrzehnte später? Dikigoros verzichtet darauf, die Parallelen einzeln aufzuzählen; er will jedoch nicht verschweigen, daß er die These einer [Mit-]Täterschaft der CIA im Falle Gaitáns für eher unwahrscheinlich hält.)
Die Liberalen nehmen den Tod ihres Führers als Vorwand zum Anlaß für einen offenbar bereits von langer Hand vorbereiteten Aufstand; die Konservativen - die einen solchen offenbar erwartet haben - halten dagegen. Im Verlauf des folgenden Bürgerkriegs - verharmlosend "Violencia [Gewalt]" genannt - versinkt zunächst die Hauptstadt Bogotá,**** dann das halbe Land in Schutt und Asche; die Zahl der Todesopfer - die niemand genau zählt - wird auf 200.000 bis 300.000 geschätzt - mehr als alle Staaten Lateinamerikas zusammen in den beiden Weltkriegen verloren haben.
(Das schließt die Toten der Invasion Mexikos durch die USA unter General Nigger Jack Pershing während des Ersten Weltkriegs ein.)

1953
General Gustavo Rojas Pinilla putscht sich an die Macht. In dem Bestreben, den inneren Frieden wiederherzustellen, erläßt er eine Amnestie für die Bürgerkriegskämpfer beider Parteien. Die gut gemeinte Geste verfängt nicht; die Kämpfe gehen unvermindert weiter.

1958
Angesichts der allgemeinen Erschöpfung einigen sich Konservative und Liberale auf einen "nationale Front" genannten Kompromiß, der sie für 16 Jahre (2x2 Legislaturperioden à 4 Jahre) abwechselnd die Macht ausüben läßt - ohne das blöde Wahlvieh zu befragen.
Im Schatten Schutz jenes willkommenen Waffenstillstands blühen "Staaten im Staat" auf, vor allem die berüchtigen Drogen-Kartelle im Nordwesten des Landes.

1974
Am Ende des - wundersamer Weise eingehaltenen - Burgfriedens steht Kolumbien vor einem Scherbenhaufen. Anders als etwa Bolivien, Brasilien, Chile oder Paraguay hat es nicht das Glück, einen kompetenten "Diktator" hervorzubringen, der ihm wenigstens für eine Generation Ruhe, Ordnung und Wohlstand beschert.
Kämpfe zwischen diversen Gruppierungen - von deren Aufzählung Dikigoros absieht, da sie nichts mehr mit Gaitán zu tun haben - brechen alsbald wieder aus und dauern, von mehr oder weniger kurzen Pausen unterbrochen, bis heute an.

1978
Richard E. Sharpless veröffentlicht "Gaitan of Columbia: A Political Biography".


seit 2001
Der größte Geldschein Kolumbiens - 1.000 Pesos - trägt das Konterfei Gaitáns.


Manche behaupten, dieser Schein datiere schon aus 1982; aber Dikigoros war ein Jahr später im Lande und hat ihn dort nirgends gesehen. Was er gesehen hat, sind Abbildungen undatierter und unnumerierter Scheine - aber das waren offenbar nur Muster. Wie dem auch sei, das ist jedenfalls ein - selbst inflationsbereinigt - riesiger Sprung, verglichen mit der jämmerlichen bescheidenen Blechmünze zu 20 Centavos aus 1965, an die er sich noch gut erinnert.


*Auf manchen Webseiten - z.B. Wikipedia - hält sich hartnäckig das Gerücht, Gaitán sei erst 1903 geboren. Die Vertreter jener These wissen jedoch in der Regel weder, wo das gewesen sein soll - beliebt ist die Angabe "in Kolumbien" oder "in Bogotá", da das nun mal die Hauptstadt Kolumbiens ist - noch wer oder was seine Eltern waren - beliebt ist die Frase "als Kind armer Eltern" - noch sonst irgend etwas über seine Kindheit - beliebt ist der Satz "er ging erst seit seinem 11. [oder 12.] Lebensjahr zur Schule" - und Jugendzeit. Dikigoros hält sich daher lieber an die Informationen aus Gaitáns näherem Umfeld, u.a. der Carillo-Stiftung, auch wenn deren Archive beim d"Erbfeind" Venezuela liegen - so ist wenigstens gewährleistet, daß er keinen Lobhudeleien aufsitzt.

**Gaitán kam zugute, daß er im Italienerviertel (flapsig "Zigeunerviertel" genannt) Bogotás aufgewachsen war. Aus europäischer Perspektive wird Südamerika meist als Kontinent mit spanisch-portugiesischer Einwanderung gesehen. Tatsächlich war - zumindest in Argentinien, Brasilien, Uruguay, Venezuela und eben auch Kolumbien - der Anteil der Italiener fast ebenso hoch. (Südamerika wurde nicht von Kolumbus entdeckt - der auch Italiener war, wenngleich in spanischen Diensten -, sondern von Americo Vespucci, der dem Kontinent seinen Namen gab.) Das läßt sich nicht nur in Zahlen messen. Während z.B. die meisten Strafgesetzbücher Europas auf den "Code Napoléon" zurück gehen, ist deren Grundlage in den meisten Staaten Südamerikas ein Entwurf Ferris, der dort unter Juristen entsprechend berühmt ist, während er in Europa so gut wie vergessen ist. Letzteres liegt wohl auch daran, daß er ein Freund Mussolinis war und sich wie dieser vom Sozialisten zum Fascisten gewandelt hatte, weshalb er heute im "Wertewesten" weitgehend geächtet gecancelt ist. Vor allem europäische Biografen - die nicht wahr haben wollen, daß sowohl der Fascismus als auch der National-Sozialismus (unabhängig von aller "Totalitarismus"-Diskussion) in erster Linie sozialistische Ideologien waren - wundern sich daher, wenn vermeintliche Sozial-Demokraten oder [Links-]Liberale in Lateinamerika zu Bewunderern des italienischen "Duce" wurden.
Das weitere Schicksal der Kolumbianer italienischer Herkunft ist symptomatisch für die traurige Entwicklung des gesamten Gemeinwesens. Ein Staat besteht ja nicht nur aus Land und Bodenschätzen, sondern auch aus Staatsgrenzen und einem Staatsvolk, das sie verteidigen muß gegen illegal eindringende Schädlinge. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, weil die Regierend[inn]en das Volk verraten, dann kommt es zum allgemeinen Niedergang, und der Staat verrottet - Dikigoros' deutsche Leser wissen das ja aus eigener Erfahrung. Als er in den 1980er Jahren zum letzten Mal in Kolumbien war, machten die Weißen - also der produktive Teil der Bevölkerung - noch über 30% aus, und es gab noch eine halbwegs intakte italienische "Community" (so sagt man doch jetzt auf Neudeutsch, nicht wahr?), deren Angehörige sich freuten, mit jemandem aus dem fernen Europa in ihrer Muttersprache reden zu können. Vier Jahrzehnte später weisen die offiziellen Statistiken bereits über 30% Neger, Mulatten und Zambos aus, dazu schlecht gut 60% Indios und Mestizen; der Anteil der Weißen - die das alles zusammenhalten und finanzieren - ist unter 10% gesunken, und Italiener werden nicht mal mehr als solche ausgewiesen. Ein Kontinent geht verloren, nein mehrere, einer nach dem anderen, aber Südamerika macht den Anfang; und da der faulende Fisch bekanntlich vom Kopf her zu stinken beginnt, hat es Kolumbien - und sein Nachbarland Venezuela - zuerst erwischt.

***Dikigoros kann nicht umhin, diesem unerfreulichen Thema wenigstens eine Fußnote zu widmen, da es dem Hinterbänkler Gaitán zu landesweiter Bekanntheit verhalf.
Die UFC - über die Dikigoros an anderer Stelle mehr schreibt (ebenfalls in Fußnote 3) - zahlte nicht nur die höchsten Löhne für Landarbeiter in Kolumbien, sondern auch die höchsten Löhne für Plantagenarbeiter in ganz Lateinamerika. Dennoch wurde - und wird - allenthalben von den Linken gegen sie gehetzt als "kapitalistisch", "ausbeuterisch" usw.
Im November 1928 (Gaitán weilte noch in Europa - er studierte allerdings nicht mehr in Rom, sondern verlustierte sich in Paris) hatte ein Streik auf der Bananenplange von Ciénaga begonnen. Dabei hatten militante Streikende (im Gewerkschaftsjargon: "Streikposten") Dutzende Arbeitswillige (im Gewerkschaftsjargon: "Streikbrecher") erschlagen. Im Dezember hatten die örtlichen Zivilbehörden, die der Lage nicht mehr Herr wurden, die Armee zu Hilfe gerufen, und die hatte den Zugang zur Plantage mit Waffengewalt wiederhergestellt. (Ob dabei Streikposten getötet wurden oder nicht oder doch, ist unklar. Dikigoros vermutet mal, daß die Gewerkschafter sich in allseits bekannter Feigheit Tapferkeit aus dem Staub machten, sobald die ersten Schüsse - wohl in die Luft - fielen.)
Als sich Gaitán im Juli 1929 - also ein halbes Jahr später - auf Propagandatour nach Ciénaga begab, lagen noch immer Leichen herum. Ohne dabei gewesen zu sein, entfachte er nach seiner Rückkehr nach Bogotá einen riesigen Pressewirbel, indem er kackfrech ins Blaue hinein behauptete, die Toten seien allesamt "Opfer des Militärs" gewesen, das - "auf Befehl der UFC" - den legitimen Streik "brutal unterdrückt" habe.
In die linke Geschichtsschreibung ist dieses Ereignis als "Masacre de las bananeras [Massaker an den Bananenarbeiterinnen]" eingegangen. Schon die Bezeichnung ist verräterisch. Schaun mer mal:

  • Die aufgefundenen Toten waren also Frauen.
  • Frauen wurden aber grundsätzlich nicht als "Streikposten" eingesetzt - das waren durchweg Männer.
  • Männliche Bananenarbeiter hätten sich schwerlich an die bekanntermaßen brutalen Streikposten heran oder gar an ihnen vorbei getraut - sie wußten, daß sie sofort hinterrücks erschlagen worden wären.
  • Die weiblichen Arbeiter vertrauten dagegen in ihrer Naivität darauf, daß man gegen sie keine Gewalt - schon gar keine tödliche - anwenden würde; viele mußten diesen Irrtum mit dem Leben bezahlen.
  • Ganz ausschließen kann man indes nicht, daß auch einige "Streikposten" zu Tode kamen. Es hätte den Gewerkschaften ähnlich gesehen, nur ihre eigenen Leute zu beerdigen, die Leichen der "Streikbrecherinnen" aber zur Abschreckung liegen zu lassen und auch andere durch Drohungen davon abzuhalten, sie zu beseitigen.
Wohlgemerkt: Arbeitsniederlegungen sind legitim. Aber Andere, die arbeiten wollen, daran zu hindern, ist kriminell, nämlich mindestens eine strafbare Nötigung, wenn Gewalt angewendet wird sogar mehr; und wenn dabei Leute zu Tode kommen, dann ist das kein einfacher Totschlag, sondern Mord (qualifizierendes Tatbestandsmerkmal: niedere Beweggründe, in diesem Fall Habgier, denn es geht ja um höhere Löhne). Dikigoros schreibt dazu ausführlicher hier (in Fußnote 1).

****Der Volksmund spricht flapsig von "Bogotazo" - ein, schwer zu übersetzendes Wort; die Endung "-azo" steht im allgemeinen für etwas besonders übles. Bogotá wird binnen weniger Tage weitgehend zerstört; die Zahl der Todesopfer beträgt allein dort über 5.000. Dikigoros spricht bewußt von "Krieg", denn es waren nicht bloß ein paar Partei-Milizen, die sich Straßenschlachten geliefert hätten. Vielmehr lösten sich Polizei und Streitkräfte nach und nach auf, da deren Angehörige - unter Mitnahme ihrer Waffen - zu einer der beiden Parteien desertierten.


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